Cover Leona - BDSM als sexuelle Identität

Leona - BDSM als sexuelle Identität

Über Journalismus und das Buch

08.12.19
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Cover Leona - BDSM als sexuelle Identität

Episodenblog

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Über Journalismus und das Buch

Ich war in Hamburg und habe Leona besucht.

Sie hat im September (2019) einen Artikel bei Spiegel-Online veröffentlicht. "Warum Sadomasochismus als sexuelle Identität anerkannt sein sollte".

Für mich Grund sie zum Gespräch zu bitten. - Und sie hat ja gesagt.

Darüber hinaus haben wir über Definitionen diskutiert, die Welt geordnet und erfahren auch ein wenig von Ihrem Roman, der bald veröffentlicht wird. - "Der Defekt* (Amazon-Partnerlink)" handelt vom Aufwachsen mit BDSM-Sexualität und erscheint im Februar 2020.

Noch ein paar Links zur Folge:

  1. Spiegel-Online: Warum Sadomasochismus als sexuelle Identität anerkannt sein sollte

  2. Studie aus 2019: Is BDSM/Kink a Hobby or a Sexual Orientation?

  3. Jeanne de Berg: Die Frau* (erwähnt im Podcast, Amazon Partnerlink)

  4. Andreas Steinhöfel: Die Mitte der Welt* (erwähnt im Podcast, Amazon Partnerlink)

  5. TAZ-Kolumne: BDSM und Alltag - Kuscheln in Ketten

  6. Leonas Website: https://leonastahlmann.de

Die Kunst der Unvernunft

Podcast-Webseite: https://kunstDerUnvernunft.de

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Kapitelmarken

00:00:00
Intro
00:00:15
Einleitung
00:00:51
Spenden und Spotify
00:03:54
Vorstellung
00:12:34
Die Faszination der Macht
00:15:30
Der Spiegel-Artikel
00:17:58
BDSM als sexuelle Identität
00:25:26
BDSM ist überall
00:39:06
Leona sexuelle Identität
00:44:50
Frau sub zu Frau dom
00:51:31
Reden wir über das Buch
00:55:11
Recherche
01:06:15
Verhandeln und BDSM als Normalität
01:12:29
Was befähigt Dich zu diesem Buch?
01:13:47
Wie sollte die Welt aussehen
01:22:15
Trendsportart würgen
01:28:50
Verabschiedung
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Einleitung BDSM, die Kunst der Unvernunft. Hallo und herzlich willkommen zur 22. Folge. Ich bin Sebastian Stix und dieses Mal habe ich Leonhard Stahlmann besucht. Aufmerksam geworden bin ich auf sie über einen Artikel bei Spiegel Online, den sie verfasst hat. Es ging darum, um BDSM als sexuelle Identität. Grund genug, mit ihr zu sprechen und sie auch gleich zu ihrem Buch zu befragen, das demnächst erscheint. Ja, über Medien, Journalismus und über ihre eigenen Motive haben wir natürlich auch noch gesprochen. Hört es euch einfach an. Bevor es losgeht, ihr habt es in den letzten zwei Folgen sicher schon vermisst. Der Spendenaufruf. Diesmal habe ich aber auch einen Anlass, denn mich hat eine Mail erreicht. Da schreibt eine Person, dass sie den Podcast extra bei Spotify hört und mich damit unterstützt. Und es wäre toll, wenn ich bei Spotify diese Spendenaufrufe weglassen könnte. Das kann ich absolut nachvollziehen, denn bei Apps kann man gegen Geld die Werbung ja auch wegkaufen. Das ist nicht die erste Mail dazu und deshalb mag ich das ja einmal allgemein beantworten. Wenn ihr Podcasts über Spotify hört, dann gibt es kein Geld für den Podcaster von Spotify. Das gilt auch für jede andere Plattform, die euch möglicherweise suggeriert, sie würde da irgendwo Geld ausschütten. Deshalb bleiben diese Aufrufe auch im Podcast drin. Und diese zwei Minuten, die müsst ihr mir einfach pro Folge gönnen. Mein Wunsch-Deal ist ja, dass ich mir Mühe gebe mit dem Podcast, dass der so gut wie möglich produziert wird. Und Bahntickets, Kaffee, Benzin und Technik, das übernehmt ihr Hörer. Das klappt in manchen Monaten schon extrem gut. Und ich kann mich ehrlich gesagt gar nicht genug dafür bedanken. Das tue ich auch tatsächlich etwas zu wenig. Manchmal reicht es aber dann auch noch nicht. und dann lege ich selbstverständlich auch mal selber Geld in die Podcastkasse. Das ist eben ein Hobby und manchmal kosten Hobbys eben Geld. Ja, achso, Werbespots oder irgendwie bezahlte Inhalte, die möchte ich übrigens wirklich vermeiden. Nicht nur, weil die hier gar nicht reinpassen, sondern weil auch zum Beispiel Spotify wiederum sagt, baue keine Werbespots in deinem Podcast ein, es sei denn, du hast sie selbst eingesprochen. Und jetzt stellt euch mal vor, wie das klingt, wenn ich hier dann sitze und das neueste Glitzer, Glibber, Gleitgel anpreise. Ich glaube, da hat keiner was von. Einen Tipp habe ich aber noch, wenn euch dieser Vorspann wirklich stört. Gute Podcast-Programme zeigen euch nicht nur Shownotes mit Bildern und Links, sondern auch Kapitelmarken, die benutze ich auch ganz viel. Und da könnt ihr auch dann zum Beispiel einstellen, dass ihr diesen Podcast immer bei Kapitel 2 starten wollt. Und dann überspringt ihr diesen Teil komplett. Wenn ihr jetzt ein schlechtes Gewissen habt, das braucht ihr übrigens überhaupt nicht zu haben, aber wenn doch, dann schaut doch mal bei kunstderundvernunft.de rein, klickt auf diesen Unterstützen-Button. Dort könnt ihr dann einen kleinen Betrag dalassen, ob einmalig oder monatlich. Und wenn man was zurückhaben möchte, was man nicht kaufen kann, dann wäre Steady mein aktueller Tipp für euch. Wenn ihr da mal in die Rewards reinlest, da gibt es nämlich inzwischen was. Ja, Geschenke habe ich übrigens auch bekommen, nämlich ganz tolle Kekse. Vielen Dank an Cut natürlich. Aber darüber spreche ich erst im Januar, wenn dann die Folge erscheint, zu der ich die Kekse bekommen habe. Es ist gerade ein bisschen kompliziert. So, ganz viel Commerz, kurz vor Weihnachten, passt ja irgendwie. Den Rest des Vorworts erspare ich euch diesmal noch und wir starten einfach mit Folge 22.
Sebastian Ich bin in Hamburg, habe das Hörertreffen hinter mich gebracht, eine leicht durchzechte Nacht gehabt, sitze aber hier bei Leona. Hallo.
Leona Hallo Sebastian.
Sebastian So, schön, dass wir es geschafft haben.
Leona Sehr schön.
Sebastian Viele von den Hörern haben vielleicht schon was von dir gelesen. Darüber bin ich auch auf dich aufmerksam geworden. Du hast einen Spiegelartikel über BDSM geschrieben.
Leona So ist es.
Sebastian Magst du zwei, drei Sätze dazu sagen?
Leona Das ist eine sehr unspezifische Aufforderung, aber das kann ich tun. Ich habe im September einen Artikel veröffentlicht, eigentlich ein Essay, muss ich dazu sagen. Sebastian hat mich gerade im Vorfeld darauf aufmerksam gemacht, dass der Neuigkeitenwert sozusagen nicht so leicht zu erfassen war. Es ist tatsächlich eher ein literarischer Essay, wenn man so möchte und kein Stück Informationsjournalismus. Ich habe versucht zu erklären, warum ich finde, dass BDSM-Sexualität eine Identität ist, eine sexuelle Identität und nicht nur eine Neigung und warum sie dementsprechend soziopolitisch auch als solche wahrgenommen werden sollte.
Sebastian Wir werden gleich dieses Thema ein bisschen näher beleuchten. Das heißt aber, liebe Hörer, ihr ahnt es schon, Leonhard ist freie Autorin an der Stelle.
Leona Nicht nur an der Stelle.
Sebastian Okay, Fiona ist Freiautorin. An allen Stellen. Die ersten fünf Minuten, da bin ich immer wahnsinnig nervös. Ich weiß nicht, warum, das kriege ich nicht weg.
Leona Das ist ein bisschen süß, das ist okay.
Sebastian Ja, toll, ich bin süß. Du bist 31, das darf ich sagen. Ja, wohnst in Hamburg, das wissen wir ja schon. Hast den Artikel geschrieben, das habe ich nochmal alles wiederholt. Ja, dann fangen wir doch erstmal ein bisschen weiter vorne an. Du und BDSM, das ist ja irgendwie zusammengekommen.
Leona Ja, das ist so zusammengefallen, das stimmt. Deine Frage ist sozusagen, wie kam es zusammen?
Sebastian Ja.
Leona Ja, okay. Das ist eine sehr grundlegende Frage, die mich lange beschäftigt hat. Tatsächlich kann ich das selber, wie viele andere wahrscheinlich auch nicht hundertprozentig rekonstruieren. Ich kann aber sagen, dass ich Erinnerungen habe, frühkindliche Erinnerungen an Sexualität oder sexuelle Gefühle oder ein vages Interesse für Dinge, die andere nicht so spannend fanden wie ich oder vielleicht anders spannend, die ich in keinster Weise einordnen konnte. Und frühkindliche Sexualität ist ja ein Ding, es gibt es. Es ist auch nicht so verstörend, wie manche Eltern immer noch glauben. Kinder und auch Kleinkinder haben natürlich auch in irgendeiner Weise sexuelle Reize um sich herum. Sie haben ja auch schon ihre Geschlechtsorgane, auch wenn sie nicht geschlechtsreif sind. Dementsprechend eigentlich eine ganz normale frühkindliche Entwicklung, nur dass ich, wie gesagt, eben Interesse an Menschen, Auch an Worten hatte, sehr früh an Worten und ich glaube auch da kann man sagen, meine Anlage zur Schriftstellerei hat sich auch da schon gezeigt, nicht nur BDSM.
Sebastian Du hast mir im Vorgespräch gesagt, die Worte haben dich gerettet.
Leona Die haben mich gerettet, aber auch zerstört. Also als Kind habe ich schon viel gelesen. Ich bin Einzelkind, das kann ich vielleicht noch zu meinem Familienhintergrund sagen und wenn man Einzelkind ist, dann hat man eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Entweder man sucht sich viele, viele Freunde außerhalb, möglichst auch solche mit Geschwistern, um in einem Netzwerk zu landen oder man ist viel mit sich alleine und liest oder beschäftigt sich mit anderen Inhalten. In meiner Kindheit waren Computer noch nicht so ein großes Ding. Deswegen habe ich mich eher beschäftigt mit Literatur. Es gab so bestimmte Bücher, da bin ich über Worte, Sätze und Beschreibungen gestolpert und fand die spannender als alles andere, was da so drin stand. Und diese Worte sind irgendwie hängen geblieben und haben in meinem Kopf so ein abstraktes Muster, ein irgendwie leuchtendes, glühendes Netzwerk gebildet, was miteinander zu tun hatte. Ich konnte aber nie verstehen, was die einzelnen Worte und Bilder in meinem Kopf dazu miteinander zu tun hatten. Und dass das sexuell war, wusste ich natürlich auch nicht. Das wusste ich ganz lange nicht. So bis ich vielleicht 15 war, 14, 15 Jahre. Und ich glaube, erst als Teenager habe ich wirklich verstanden, dass das etwas ist, was mit Erotik zu tun hat. Und das ist ja nichts, was Teenager so leicht finden. Ich glaube, niemandem fällt es leicht, seine Sexualität zu entwickeln, zu verstehen, sich damit auseinanderzusetzen, ganz egal, welcher Natur sie sein mag. Bei mir war es nun so, dass ich überhaupt keine Quellen hatte, auf die ich mich beziehen konnte. Ich hatte keine Informationsstände, es gab sowas wie SMJG in meiner Gegend auch nicht und ich hätte mich nicht mal getraut, die Begriffe, die ich als Kind spannend fand, zum Beispiel Unterwerfung und solche Sachen, zu googeln. Ich hatte irgendwann einen Computer, so mit 12, 13 habe ich meinen ersten Computer bekommen und ich hatte auch Internetzugang, aber diese Worte erschienen mir viel zu kraftvoll und mächtig und auch verräterisch auf irgendeine Art, dass ich sie irgendwo hätte eintippen können. Also habe ich das für mich behalten und weiterhin versucht zu entschlüsseln, warum ich das interessant finde und was daran ich interessant finde und warum ich auch sexuelle Gefühle dazu entwickle. Ich glaube, heute wäre das alles ein bisschen anders gelaufen, ehrlich gesagt. Ich glaube, heute hätte ich als Jugendliche einen viel besseren und auch viel selbstverständlicheren Umgang mit dem Internet gehabt, wo es natürlich auch heute viel mehr Informationsmaterial gibt, als das vor 20 Jahren der Fall gewesen ist.
Sebastian Lass mich mal fragen, war dir bewusst, dass das irgendwie, ich sag mal was, was Unanständiges ist oder wo kam dieser Respekt her davor, da weiter nachzuforschen?
Leona Ja, gute Frage. Also dass es was Anstößiges ist, das wusste ich schnell, weil das aber auch ganz klar war. Also wenn man solche Worte wie zum Beispiel Unterwerfung, Dominanz, Disziplin, solche Sachen, wenn man die gut findet, dann weiß man, glaube ich von vornherein, dass das für den normalen Menschen eher unangenehme Worte sind, die mit unangenehmen Szenen verbunden sind im Kopf. Das ist ja jetzt nichts, was man so als Freizeitvergnügen sucht, sondern das sind Dinge, die sind ja auch, wenn man sich die Geschichte anguckt, natürlich auch mit schlimmen Geschehnissen in der Historie verbunden. Also es ist ja nun nicht unbedingt der Wellnessbereich der Geschichte, in dem solche Worte und solche Semantiken eine Rolle spielen, sondern das ist auch oft gewaltvoll, das ist oft, es bewegt sich oft in so Grenzbereichen und dass es mit Sexualität zu tun hat, wusste ich ja zuerst gar nicht, sondern mir war nur klar, diese Worte, die haben auch immer was Dunkles irgendwie, was, ja, was Zwielichtiges. Und das berührt Bereiche, die mich nicht so interessieren sollten, wie sie mich interessieren. Weißt du, was ich meine? Also da war die Sexualität gar nicht unbedingt so das, was ich daran anstößig fand, sondern dass ich überhaupt mich zu diesen eher zweifelhaften Bereichen sozusagen hingezogen gefühlt habe.
Sebastian Ich versuche mal einen Vergleich. Ich war in der dritten Klasse auf einer Klassenfahrt. Da gab es natürlich eine Burg und ich hatte irgendwie eine unglaubliche Faszination seit der Ankündigung, wir werden diesen Folterkeller besuchen. Keine Ahnung warum. Hinterher stand ich da in diesem Keller und habe leuchtende Augen gehabt und da war ich halt da, aber was willst du machen? Ich wusste überhaupt nicht, kann ich damit irgendwas machen oder so, aber irgendwie hat es mich angesprochen, aber ich konnte es nicht fassen tatsächlich. Da war ich dann ja auch schon zehn glaube ich mittlerweile. Das ist mir aber auch viel später erst bewusst geworden. Aber trotzdem der Folterkeller, das war so das, da habe ich mich schon Wochen vor der Klassenfahrt drauf gefreut. Wir fahren in die Burg und wir werden diesen Folterkeller sehen.
Leona Deine erste eiserne Jungfrau, ein wirkliches Erweckungserlebnis.
Sebastian Ganz ehrlich, das Ding war völlig enttäuschend. Ich glaube, da haben sie eine Streckbank aufgebaut, dann den Schürhaken und noch irgendwie ein Haken an der Decke und mehr war da nicht. Aber trotzdem, da war der Volltagkeller. Ich weiß nicht, aber das hat auch ganz viele von uns Jungs fasziniert.
Leona In deiner Klasse meinst du? Oder meinst du in deiner BDSM-Community?
Sebastian Nein, nein, in der Schulklasse tatsächlich. Ich bin halt offensichtlich dran hängen geblieben.
Leona Und die anderen nicht? Weißt du das genau?
Sebastian Oh, also wirklich aus der mittelhessischen Provinz, da kann ich ganz ehrlich sagen, also wenn es einer von gefühlt 500 ist, der da dran hängen geblieben ist, dann ist das schon viel.
Leona Okay.
Sebastian Aber vielleicht leben die es auch einfach nicht offen aus, sondern das ist halt privat.
Leona Also ich denke tatsächlich, dass jeder Mensch in irgendeiner Weise die Anlage hat, Macht und ihre Ausübung spannend zu finden. Selbstverständlich, weil es natürlich damit zu tun hat, seine eigene Identität damit auch zu gestalten oder…, Ja, und davon macht sich glaube ich niemand frei. Das Problem ist, dass wir uns natürlich in einer Gesellschaft von Menschen befinden und diese Gesellschaft funktioniert nur, weil alle den Bereich ihrer eigenen Macht so weit zurücknehmen, dass sie sich als Individuen freundlich und friedlich begegnen können.
Sebastian Ja, das ist so ein bisschen, wir wollen alle liberal und alles ist frei und jeder trifft seine Entscheidungen und dann kann man doch nicht das Gegenteil davon sexy finden.
Leona Ja.
Sebastian Vielleicht findet man es aber gerade deswegen sexy.
Leona Puh, also das ist ein Bereich.
Sebastian Also wenn ich in einem Regime lebe, wo ich unter ganz vielen Zwängen stehe und mich um Grundbedürfnisse sorgen muss, dann habe ich keinen Platz mehr, um das zu sexualisieren.
Leona Du meinst BDSM ist eine Luxuserscheinung der westlichen Welt, der freien westlichen Welt?
Sebastian Das weiß ich ehrlich gesagt nicht, aber ich glaube natürlich, dass jemand, der wirklich viel Druck und viele Zwänge erlebt, dass der dann, der wird was anderes suchen, was ihn fasziniert.
Leona Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Es gibt so bestimmte Studien auch zu BDSM, oder was heißt BDSM, aber sagen wir mal Fetischsexualität in der Geschichte, also eine Art von Erotikgeschichte. Und es gibt so bestimmte Zeichnungen und Höhlenmalereien und irgendwelche ägyptischen Friese von was weiß ich wann zu den Zeiten der Pharaonen, die zeigen, dass damals auch schon Menschen sich mit Schmerzen stimuliert haben zum Beispiel, dass sie sich auch aus Lustgründen ausgepeitscht haben und solche Sachen. Und da gab es natürlich auch noch Sklavenhaltung und all sowas und die Welt war noch um einiges rauer, als sie heute ist. Also ich bin nicht sicher, ob man das so sagen kann, auch wenn es eine verführerische Annahme ist.
Sebastian Ja, dann weiß ich doch was, welches Thema ich hier mal erforschen muss.
Leona Pharaonen und BDSM notierst du dir jetzt?
Sebastian Ich schreibe jetzt tatsächlich mal BDSM in Diktatur, schreibe ich hier auf.
Leona Ich bin gespannt, ob es dazu Quellen gibt, ehrlich gesagt.
Sebastian Wahrscheinlich nicht, aber man kann das ja so ein bisschen auf dem Schirm haben. Aber ich glaube tatsächlich, also für mich ist das ja doch, also für mich ist ja BDSM ein Ausdruck meiner Freiheit. Und auch für meine Partnerin, die ja nun mal meinen Zwängen unterliegt, ist das behaupte ich jetzt mal, auch ein Ausdruck ihrer Freiheit, dass sie mich frei entscheiden kann, dass sie eben diese Freiheit nicht immer haben will. Und, Also wäre das ja wieder eine Rebellion gegen äußere Zwänge. Dann macht man es nochmal extra deswegen.
Leona Ja, ja, ja, doch. Also das würde ich unterschreiben.
Sebastian Ich würde jetzt ungern so lange um diesen Spiegelartikel rumreden, weil die Leute, die es hören, die warten natürlich jetzt auf, dass wir darauf kommen. Wer ihn nicht kennt, ich werde diesen Link dazu, der ist auch immer noch online zum Glück, der ist in den Shownotes drin, im Zweifel auch auf der Website. Da kann man den jetzt nochmal schnell lesen. Das dauert, ich glaube, acht Minuten habe ich gebraucht. Und dann hat man ihn gelesen, dann liest man ihn am besten nochmal. Dann glaube ich nämlich, dann versteht man ihn auch ein bisschen besser. So ging es mir. Und dann macht er auch gleich viel mehr Spaß. Ich würde jetzt fast fragen, kannst du ihn mal zusammenfassen? Aber das ist ja eigentlich, der ist ja schon recht komprimiert. Ich fange mal ganz provokant an. Inhalt ist nicht, dass die LGBT-Flagge nochmal einen Streifen braucht. Das steht da zwar drüber, aber das ist nicht das, was du gemeint hast.
Leona Das ist nicht das, was ich gemeint habe, sondern es handelt sich um eine durchaus handelsübliche Metapher. Das haben viele, viele Menschen nicht verstanden oder auch nicht verstehen wollen, weil es natürlich der größere Aufreger ist, wenn man es nicht versteht. Und tatsächlich gab es eine Replik auf diesen Artikel in der NZZ von einer Kolumnistin namens Birgit Schmidt, die genau darauf anspringt. Und die sagt, diese Forderung, gesehen zu werden, ist von Menschen, die einen Teil ihrer Lust daraus ziehen, im Dunklen zu bleiben und im Verborgenen und im Geheimen, die einen Fetisch daraus machen, dass man sie nicht sieht, dass sie in exklusiven Zirkeln unterwegs sind, dass diese Forderung darum absurd sei. Weil es für uns ein Lustgewinn ist, am Rand zu stehen sozusagen. Das würde ich so nicht unterschreiben, zumal eben das BDSM-Spektrum, wie du ja auch weißt, ein sehr weit gefächertes ist. Ich ziehe nicht unbedingt Lustgewinn daraus, dass ich meine Sexualität vor anderen verbergen muss oder dass sie in Hinterzimmern stattfinden oder in abgedunkelten Clubs. Das bringt mir nichts, das gibt mir keinen Kick, das ist eine unangenehme Begleiterscheinung. Es gibt aber sicher auch Menschen, die gerade das daran spannend finden, so dieses Anrüchige, dieses Obskure, dieses Geheimnisvolle, Eisweit-Schatten-mäßig, ne? Das mag schon sein, ich glaube aber, das sind tatsächlich eher Menschen, die sagen würden, BDSM ist eine Neigung, also im Sinne von eine sexuelle Präferenz, die sie mal leben können, aber auch nicht müssen. Bei mir, das schreibe ich in dem Artikel, hat meine Sexualität viel mit Identität zu tun. Und die möchte ich nicht verstecken, sondern die möchte ich offen zeigen dürfen, weil ich finde, das ist ein menschliches Grundrecht.
Sebastian Lass uns mal diesen Begriff sexuelle Identität tatsächlich definieren.
Leona Ja, bitte.
Sebastian Du hast es geschafft, das sehr schön zusammenzufassen. Du hast mir gesagt, in freien Worten, eine sexuelle Orientierung und die Identität fängt da an, wo es schlecht wird, wenn man es gar nicht auslebt.
Leona Genau, also es gibt tatsächlich eine relativ aktuelle Studie von 2019, die kann ich dir auch nochmal schicken, die kannst du auch in deine Shownotes verlinken, die da sagt, BDSM ist deswegen eine sexuelle Orientierung, die damit auch zur Identität werden kann, das erkläre ich später nochmal, weil es Menschen gibt, denen es pathologischen Druck verursacht, wenn sie ihre Sexualität nicht leben, das heißt unterdrücken. Und somit kann man sagen, sobald es mehr ist als eine Neigung, also mehr als eine bloße optionale Präferenz und du keine Möglichkeit hast, deine Sexualität auszuleben, gerät deine Psyche ins Ungleichgewicht und zwar so sehr, dass du krank davon wirst und damit ist sozusagen deine Sexualität für dich ein Stück Identität. Das sagt diese Studie. Und dem würde ich durchaus zustimmen, weil es nämlich eine sehr inkludierende Studie ist. Es bedeutet aber auch, es gibt ja immer diese Diskussion, ist es eine Orientierung, ist es keine Orientierung. Beides ist wahr und falsch zur selben Zeit. Also es gibt natürlich viele, viele Menschen, die mit BDSM experimentieren, die das nett finden, die einen eher hedonistisch-liberalen, auch libertinären Ansatz von Sexualität vertreten, die sich gerne ausprobieren, die offen dafür sind, neue Techniken zu probieren, die das auch gerne mit vielen Partnern machen. Zu dieser Gruppe von Menschen gehöre ich nicht.
Sebastian Ich versuche jetzt mal eine Parallele zu ziehen. Das heißt, wir teilen jetzt erstmal die BDSM-Community. Links sind die, die müssen es haben und rechts.
Leona Die können es haben.
Sebastian Ich weiß nicht genau.
Leona Ob wir mit diesen… Sprich.
Sebastian Links vergleiche ich jetzt mit, ich sag mal, ich bin homosexuell.
Leona Ja.
Sebastian Und auf der rechten Seite sage ich, okay, da geht beides und es ist auch okay. Kann man nicht das so vergleichen oder ist das zu einfach gedacht?
Leona Ich glaube, der Vergleich mit der Homosexualität ist immer ein schwieriger. Vielleicht sollten wir erstmal anfangen, die Begriffe zu definieren. Also ich hantiere damit auch immer noch zu unbewusst. Ich bin auch keine Sexualwissenschaftlerin, das möchte ich mal vorweg schicken. Ich habe auch nicht darüber promoviert oder geforscht, sondern ich benutze diese Begriffe eher intuitiv und definiere sie für mich selbst. Aber es gibt natürlich auch in der Forschung Definitionen dazu, die sich übrigens sehr, sehr voneinander unterscheiden. Es gibt eigentlich keine Definition von sexueller Orientierung, auf die sich alle einigen können. Genauso ist es bei sexueller Identität oder sexueller Präferenz. Also es gibt ein unheimliches Spektrum von Definitionen dazu. Ich habe einige gelesen, viele mit Sicherheit noch überhaupt gar nicht wahrgenommen und was ich jetzt sage ist sozusagen nicht verbrieft, sondern das ist meine Intuition und mein Zugang dazu, der eben ein eher…, persönlicher ist. Das möchte ich mal voranschicken.
Sebastian Ich sag ganz kurz, also wenn ich irgendwelche wissenschaftlichen Arbeiten lese, die tun sich alle sehr schwer damit, diese Begriffe zu definieren. Also sie definieren sie alle nochmal, aber sie definieren sie nicht alle gleich.
Leona Genau.
Sebastian So ein bisschen im Detail gibt es da Unterschiede und selbst da widersprechen sie sich noch gegenseitig. Da würde ich sagen, da legen wir jetzt nicht ganz so viel Wert drauf, dass das jetzt zitierfähig und wissenschaftlich korrekt ist, sondern Wir wollen ja erstmal ein Bild zeichnen, wie wir das sehen oder wie du das siehst und dann komme ich dann mit oder widerspreche ich dir.
Leona Ja, also es gibt viele Menschen, die ich treffe, die sagen, für mich ist BDSM eine Neigung. Ich würde Neigung gleichsetzen und synonymisieren mit Präferenz. Es ist eine Vorliebe und natürlich gibt es einen ganzen Beutel an Vorlieben innerhalb des BDSM Spektrums. Die Präferenz bedeutet nicht unbedingt, dass BDSM deine Orientierung sein muss. Du kannst zum Beispiel homosexuell oder heterosexuell oder bisexuell oder transsexuell sein oder auch nichts von allem und kannst trotzdem BDSM als Präferenz gut finden. Das heißt, beides ist möglich zur selben Zeit. Das eine ersetzt nicht das andere. Das ist zumindest der aktuelle Stand der Forschung. Das Problem ist, dass die Forschung aber auch davon ausgeht, dass das sozusagen der Wahrheit letzter Schluss ist. Und ich glaube das eigentlich nicht. Ich glaube, eine sexuelle Präferenz kann zur Orientierung werden. Was ist zum Beispiel mit Fetischisten, die ja innerhalb des BDSM-Spektrums vorkommen? Auch gar nicht wenige. Fetischisten haben eine Neigung, eine sehr spezifische Neigung. Die ist aber nicht optional, die wird sich möglicherweise im Laufe ihres Lebens auch gar nicht so sehr entwickeln. Sie haben sie auch vermutlich nicht ausgesucht, sondern sie ist eben da und hoffentlich auch nicht wegtherapierbar. Ich weiß nicht, wie viele Menschen das versucht haben, aber die Quoten sind wirklich erschreckend negativ. Also sexuelle Präferenzen sollte man nicht versuchen wegztherapieren. Jedenfalls, sobald diese Präferenzen so stark sind, dass sie dein Leben... So bestimmen, dass du sie ausleben musst oder du leidest darunter, dass du sie nicht auslebst, dann werden sie zur Orientierung. Also Fetischsexualität ist auf jeden Fall eine sexuelle Orientierung. Es ist aber natürlich nicht auf demselben Spektrum zu verzeichnen wie Homosexualität, Heterosexualität, Transsexualität. Ich glaube aber, dass das ein Problem ist. Ich glaube nämlich, es sollte auf demselben Spektrum verzeichnet sein.
Sebastian Siehst du jetzt BDSM gerade als Untergruppe von Fetischisten?
Leona Nee, ich sehe BDSM als Obergruppe und Fetischisten kommen in dem Spektrum vor.
Sebastian Also BDSM, den Begriff ziehst du gar nicht so eng, weil es gibt ja wirklich Menschen, die sagen, BDSM ist tatsächlich eben der Sadomasochismus als Begrifflichkeit. Und das ist ja doch ein sehr enges Feld. Und ich sage ja, BDSM ist extrem weit, im Prinzip ist alle Abweichung von der Missionarstellung ist schon irgendwie als BDSM zu kennzeichnen.
Leona Ach ja?
Sebastian Also mir fällt wenig ein, wo ich sage, da habe ich nicht plötzlich BDSM-Komponenten drin.
Leona Beispiel?
Sebastian Okay, also ein einfaches Beispiel, zwei Menschen haben Sex. Okay, so, das ist normal. Zwei Menschen haben Sex und finden es dabei toll, dass sie sich fest anfassen, mal ein bisschen in die Schulter beißen oder so. Da kommen wir ja schon so ein bisschen in den Bereich Lust und Schmerz rein. Wenn ich will, kann ich schon sagen, das ist eigentlich schon BDSM. Weil der Trigger ist im Grunde der gleiche. Und wenn ich das so weit aufmache, dann kann ich eigentlich keine Sexualität ohne BDSM mehr haben.
Leona Tatsächlich würde ich dir da recht geben. Ich denke auch, penetrative Sexualität ganz allgemein ist im Grunde ein Ausdruck von Macht und Unterwerfung. Also es hat ja auch durchaus eine gewaltsame Komponente, wenn man es möchte. Das eine dringt in das andere ein. So könnte man sagen, auch Sex in Missionarstellung kann durchaus eine BDSM-Komponente haben.
Sebastian Einer liegt immer unten. Ja, genau, einer, aber das muss ja nicht zwangsläufig die Frau sein, das kann eben auch andersrum sein.
Leona Ja, selbstverständlich.
Sebastian Ich habe so ein bisschen von Alice Schwarzer tatsächlich noch im Hinterkopf schallend dieses Sex ohne die Herabwürdigung der Frau ist nicht möglich. Wo ich dachte, uh, das hat sie jetzt aber sehr griffig formuliert.
Leona Sehr populistisch.
Sebastian Ja, aber das ist ja nicht festgelegt, wäre es was.
Leona Korrekt, aber trotzdem ist es ja so, dass der Mann natürlich mit einem penetrativen Instrument ausgestattet ist, dem Penis, und die Frau den Mann in der Regel in sich aufnimmt. So hat es die Natur bestimmt. Man könnte auch sagen, Natur ist BDSM. Es gibt übrigens… Ah.
Sebastian Wir kommen der Sachen immer näher. Es gibt nur Perverse da drauf.
Leona Ja, ja, ja, tatsächlich ist das das Hauptmotiv meines Buches. Ich versuche eigentlich zu zeigen, WDSM gibt es überall, jeder lebt es auf seine Art und Weise aus, die meisten kennzeichnen es noch nicht so. Also zum Beispiel im Tierreich gibt es sehr viel, was mit Sexualität und Schmerz zu tun hat, zum Beispiel Katzen, Kater haben Penisse mit kleinen Stacheln dran, hast du das gewusst? Wenn Kater Katzen penetrieren, dann kreischen die Katzen immer ganz furchtbar. Das hast du vielleicht schon mal gehört, in so heißen Sommernächten.
Sebastian Ja, das ist da draußen. Das klingt, das klingt, als ob die sich gegen, naja.
Leona Man kann sich schon fragen, warum hat die Natur so eingerichtet, dass Katzen leiden, während sie sich fortpflanzen. Das macht eigentlich gar keinen Sinn. Dann haben sie ja vielleicht auch weniger Lust, sich fortzupflanzen, weil es mit Schmerz einhergeht. Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall. Das ist eine Stimulation. Gut, das ist aber jetzt wirklich...
Sebastian Schmerz ist ja erstmal einfach nur eine sehr intensive Berührung.
Leona Ja genau, Berührung.
Sebastian Korrekt. Habe ich gestern Abend erlebt tatsächlich und habe dann aber auch fest, ich habe einfach gelernt, wenn die Stimmung, wenn das alles passt, wenn die Lust da ist, dann ist der Schmerz, ja er ist Schmerz, aber trotzdem wird er ja nicht als das, nein, das kann ich jetzt natürlich als Statist schlecht sagen, aber Theorie, wie ich das, meine Subi verstanden zu haben, du kannst jetzt machen, was du willst, Das sind so viele Endorphine im Blut, das ist alles gut.
Leona Ja klar, also der Hormonlevel ist ja nun auch so, wenn die Erregung steigt, dann steigt natürlich auch die Toleranz für Schmerzen. Das ist ja sowieso die Grundlage für alles, was wir tun. Ja, aber nochmal zurück zur Natur. Und zwar ganz wichtig daran ist auch die Debatte, inwieweit eigentlich Schmerz in der Gesellschaft, sobald das mit Sexualität zu tun hat, plötzlich verschrien ist, aber für alle anderen Bereiche des öffentlichen Lebens absolut legitimiert. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist Extremsport. Was machen Extremsportler anderes als BDSMler? Sie quälen sich unglaublich. Teilweise treiben die ihren Körper natürlich auch systematisch durch Training zu Dingen an, die sie am Ende das Leben kosten. Wie viele Extremsportler sterben? Wie viele BDSMler sterben, kann man ja mal ein bisschen gegnerner aufrechnen. Ich nehme immer den Marathonläufer.
Sebastian Wir haben auch hin und wieder welche, aber es gibt eigentlich keinen vernünftigen Grund, das zu machen. Außer man ist hinterher unfassbar happy.
Leona Das und natürlich, wenn man sich das jetzt gesellschaftlich anguckt, Welchen Nutzen erfüllt Sport, gerade auch Mannschaftssport, der gesponsert wird von großen Marken? Also es ist natürlich immer eine Frage von Repräsentation, von Macht. Staaten, die gute Fußballteams haben, werden natürlich auch... Anders betrachtet, teilweise auch weltpolitisch ernster genommen, weil man sagt, die haben Erfolg irgendwie. Das ist ein Volk von Menschen, die haben im Sport Erfolg, das sind gesunde Körper oder die können sich, weil sie genug Geld haben, gute Spieler einkaufen. Also es ist immer auch ein Staatsinstrument, Sport, gerade eben der, der, ja, der Fußball ist, glaube ich, wirklich das beste Beispiel dafür. Also ich bin ja ein absoluter Fußballgegner, man hört das vielleicht schon so ein bisschen raus. Ich denke immer, das ganze Geld, was in den Fußball fließt, sollten sie mal in Verlage und Theater pumpen, da hätten wir mehr von. Aber so ist es ja leider nicht, Brot und Spiele. Und jedenfalls, wenn man sich anguckt, wie Leute durch Parks joggen, das ist auch wirklich eins der Dinge, die mir überhaupt nicht in den Kopf will. Die quälen sich da irgendwie bei 30 Grad im Schatten, quälen die sich durch die Hamburger Stadtparks und es läuft ihnen der Schweiß runter und sie haben schmerzverzerrte Gesichter. Danach müssen sie irgendwelche Pferdesalben benutzen, um ihre geschundenen Knochen wieder zusammen zu flicken. Schön ist das nicht. Ich muss mir das mit angucken. Ich finde mich da auch manchmal so ein bisschen missbraucht, ehrlich gesagt, wenn ich visuell daran teilnehme, wie Menschen sich so in der Öffentlichkeit quälen. Aber die werden gefeiert. Dafür, dass sie so eine Selbstdisziplin haben, dafür, dass sie sich selbst überwinden können. Sobald aber die Erotik ein Faktor ist, ist plötzlich Schmerz krank und pervers. Das ist etwas, was ich durchaus interessant finde und auch mit Humor betrachten kann, aber es ärgert mich auch.
Sebastian Du hast tatsächlich recht, um mal auch beim Sport zu bleiben. Es ist tatsächlich der, der trotz Schmerzen das überwindet und noch mal was gibt und hinterher der strahlende Sieger ist. Das ist eine Story, besser geht sie gar nicht. ich denke mal an Olympische Spiele, Touren, die machen nochmal einen Abgang, fliegen da runter, ich sterbe immer, wenn ich sowas sehe, aber dann schafft er es noch und hat noch irgendwie einen sechsten Platz geholt und die werden gefeiert und das ist die Sensation. Du hast völlig recht, ähm, Habe ich so noch gar nicht gesehen, aber Schmerz und das Überwinden und Durchstehen, das ist belohnungswürdig. Das ist vorbildhaft.
Leona Vorbildhaft ist ein sehr gutes Wort in dem Zusammenhang. Es sei denn, du machst es einfach nur aus Spaß, um deine persönliche Lust zu steigern, dann bist du pervers, ein Hedonist und in jedem Fall möglichst weit abseits der Gesellschaft zu stellen oder in irgendwelchen Boulevardzeitungen zu zerreißen. Und das finde ich gefährlich.
Sebastian Das heißt, ich kann jetzt alle Sportler in die Gruppe BDSM einordnen?
Leona Ich glaube, die leben das einfach anders aus. Ich sage nicht, dass alle Extremsportler einen Hang zu BDSM haben. Ich glaube aber, dass jeder Mensch in irgendeiner Weise Lust daran hat, sich selber zu überwinden. Und der eine tut es sexuell, der andere tut es im Sport. Der dritte tut es zum Beispiel mit Schach und überwindet seinen eigenen Intellekt und verliert dabei irgendwie drei Kilo Gewicht nur davon, dass er so viel denkt. Das ist auch eine Art von Masochismus. Das ist ja auch nicht unbedingt angenehm. Also davon kann ich auf jeden Fall viel berichten davon, wie quälend eigentlich Denken sein kann. Ich glaube, da greifen Schriftstellerei und BDSM ineinander. Das sind beides Dinge, die sehr quälend sind und eigentlich danach immer besser als währenddessen.
Sebastian Aber das ist doch eigentlich schon alles. Es fängt bei Kindern schon an. Du musst lernen und machen und tun und dich anstrengen und die unangenehme Zeit überstehen und hinterher hast du dann ein Glücksgefühl. Also geht es doch eigentlich nur darum, man will glücklich sein und BDSM ist ein Weg dazu.
Leona Total, ja. Sagen wir zufrieden. Glück ist ja immer so eine Sache, aber jedenfalls zufrieden und für den Moment durch eine Flut von Hormonen erleichtert. Vom existenziellen Druck befreit durch ein paar Glückshormone für zehn Minuten.
Sebastian Okay, dann versuch ich mal mit einem ganz dummen Wortspiel. Also Zufriedenheit ist toll und wird gefördert. Befriedigung ist ein Problem.
Leona Ja, oder hat eben immer noch etwas sehr, sehr Anstößiges und wird immer noch skeptisch betrachtet, weil es sich eben auch der Kontrolle entzieht, also der staatlichen Kontrolle. Wenn wir hier für uns selber in unseren Wohnungen Dinge miteinander tun, dann ist das natürlich nichts, woran der Staat irgendwie gewinnt und es passt auch eigentlich wenig in unser kapitalistisches System. Im Grunde genommen, und das ist auch ein Aspekt von BDSM, der wenig beleuchtet ist, über den ich aber viel nachgedacht habe, im Grunde genommen, Sind BDSM da die größten Antikapitalisten?
Sebastian Entschuldigung, das glaube ich dir nicht.
Leona Ja, ja, nein, nein, also philosophisch gesehen, weil sie, deswegen habe ich dich vorhin noch gefragt nach der Passion-Messe und nach dem Kommerz dort, weil ich das so pervers finde im schlechten Sinne, dass versucht wird aus Sexualität noch Geld zu machen. Eigentlich ist es der letzte Bereich, in dem Menschen noch miteinander sein können und Spaß miteinander haben können, ohne dass da Geld fließen muss, hoffentlich jedenfalls. Aber natürlich versucht die Erotikbranche alles rauszuziehen, was geht und das finde ich ziemlich verwerflich, gerade im Sinne solcher Messen. Und jedenfalls, im Grunde entzieht sich der BDSM da mit der größten Ressource des Menschen, dem Strom der kapitalistischen Verwertung, in dem er nämlich seinen Körper, die größte Ressource des Menschen, Schaden zufügt und seine Ressource gefährdet.
Sebastian Ey gut, das macht ein Sportler aber auch.
Leona Richtig, aber da ist es natürlich wieder angesehen, weil sich der Sport anders als private BDSM-Erotik kapitalisieren lässt, monetarisieren lässt.
Sebastian Bei BDSM auch, wir haben ja die Messe gestern gehabt.
Leona Genau, aber ich finde das falsch.
Sebastian Also das heißt, ich habe die Passion-Messe, ist der Sportartikelhersteller des BDSM.
Leona Ja.
Sebastian Das heißt, ich stelle mir jetzt die entsprechenden staatlich geförderten, staatliche Kontrolle, BDSM-Partys vor, wo Wettbewerbe ausgetragen werden.
Leona Der hat die beste BDSM-Mannschaft. Deutschland.
Sebastian Ja, genau. Dann sind wir bei Brot und Spiele und Radiatoren und dann haben wir doch was.
Leona Also zugegeben, es ist alles sehr, sehr, sehr verquer und sehr abstrakt, was ich hier erzähle, aber ich denke, das ist einer der Punkte, warum BDSM immer noch so ein schlechtes Image hat und auch immer dieses sehr Verrufene dabei ist und dieses sehr Befremdliche auch, weil wir mit unserem Körper, der ja auch gerade heute als Tempel betrachtet wird und was wir nicht alles tun und Detox und ayurvedisches Öl ziehen und jeder ist das. Im Fitnessstudio angemeldet und wir huldigen dem Fleisch. Und was macht der BDSM da? Er knabbert an seiner eigenen Fleischlichkeit sozusagen. Er verringert seine eigene Ressource und bricht ein in seinen Tempel. Und das kann natürlich in dieser Art von Gesellschaft, in der wir uns heute bewegen, nicht gut geheißen werden. Beim Sport ist es was anderes.
Sebastian Ja, aber das ist ja ein Urteil. Wer trifft denn dieses Urteil? Also ich habe noch keinen, ich sage jetzt mal, noch niemanden gehört, der gesagt hat, ja Moment, BDSM könnt ihr nicht machen, wirklich niemanden, das könnt ihr nicht machen, weil, Damit nehmt ihr der Gesellschaft etwas weg.
Leona Natürlich sagt das keiner. Es ist eine abstrakte Theorie. Das ist ein Theoriegebäude, was über allem schwebt sozusagen und natürlich würde das niemand genauso benennen. Ich glaube auch nicht, dass viele Leute meiner Meinung sind. Ich glaube, oder das ist einfach nur etwas, was ich für mich so herausdestilliert habe. Aber ich habe mich einfach gefragt, was macht den Leuten an BDSM so Angst? Und ich glaube, das ist schon immer noch auch der Umgang mit den Körpern, der eben natürlich auch manchmal krass ist und den man sehen kann, den man an Spuren sehen kann und der auch nicht immer gut ausgeht. Es gibt natürlich auch beim BDSM Unfälle, genau wie beim Sport. Nur eben, dass das Sport anders als BDSM wahnsinnig glorifiziert ist. Und ich finde das ein bisschen verlogen und es hat so ein Hintertürchen, was mir nicht gefällt.
Sebastian Okay, und was kann man jetzt tun? Das ist eine blöde Frage. Nein, fangen wir mal an mit, wo stehen wir jetzt? Ich meine, wenn ich jetzt mal 20 Jahre zurückgehe, ich habe ja fast das Gefühl, das war damals leichter, weil da gab es einfach mehr dunkle Ecken, wo die immer hingehen konnten und dadurch, dass es so viele dunkle Spots gab, aber das sind nur Erzählungen. Ich habe momentan das Gefühl, ich sehe das in Berlin, lese ich das mal wieder, da sterben auch noch die letzten Clubs, die werden alle zugemacht, da werden Mieten erhöht, da werden Gebäude umgewidmet. Das heißt, die dunklen Ecken, wo BDSM stattfindet, hast du es ja auch in dem Artikel beschrieben, die werden weniger. Und das ist politisch vermutlich gewollt.
Leona Natürlich, absolut. Und ich glaube, ich kann das nicht nur von Berlin unterschreiben. Es ist ja auch ein generelles Klubsterben, nicht nur im Erotikbereich. Ich glaube ... Für St. Pauli gilt das auf jeden Fall auch ganz stark. St. Pauli war ja eigentlich mal das schmutzige Viertel und auch das Rotlichtviertel. Das ist ja alles heute nicht mehr so. Das ist Ausverkauf und das ist Tourismus und im Grunde wird da hochgehalten ein Ruf von einem Viertel, das es so gar nicht mehr gibt, sondern da stehen Kulissen herum, die von einer Geschichte erzählen, die spannend ist. Aber was da heute stattfindet, das ist Ballermann-Tourismus. Und der tatsächliche Erotikbetrieb wird von St. Pauli immer mehr verdrängt. Viele Sexshops machen dazu, werden ersetzt durch so Kioske, die dann bis spät in die Nacht noch Getränke verkaufen für die durchziehenden Touristen und Junggesellenabschiede und was nicht alles. Genau, also da kann ich dir absolut recht geben und das sind Zeiten, die wir ja für so aufgeklärt und liberal halten, was sie nicht sind. Ich glaube, dass das noch viel weiter gehen wird, dass die Welt immer besser ausgeleuchtet wird und das wirklich Interessante wandert, glaube ich, ins Internet ab, weil es keine Orte mehr dafür gibt.
Sebastian Wir haben eine kurze Pause gemacht. Dein Wunsch war es, ein paar Begriffe zu definieren, weil du über sexuelle Identität sprechen möchtest. Und ich möchte natürlich wissen, wie sieht denn deine sexuelle Identität aus?
Leona Erstmal, glaube ich, ist es wichtig zu sagen, dass ich über sexuelle Identität spreche, weil BDSM meine sexuelle Identität ist und nicht meine Neigung. Es gibt, ich wurde relativ häufig gefragt, wie ich das abgrenze, die Begriffe, was für mich die Orientierung ist, was für mich die Neigung ist und was dann die Identität oder ob das alles dasselbe ist. Es ist aber überhaupt gar nicht dasselbe. Die Neigung ist etwas, was nicht unbedingt mit Orientierung zu tun haben muss. Man kann BDSM gut finden, aber die Orientierung ist immer noch eine Hetero oder Homo oder Trans oder was auch immer Sexualität. Und man macht so ein paar Ausflüge Richtung BDSM. Das ist eine Präferenz. Die kann sich ändern im Lauf des Lebens, die kann sich spät entwickeln, die kann auch wegfallen, die kann immer wieder neue Ausdrucksformen finden. Das ist der Unterschied zur Orientierung. Die Orientierung bedeutet, dass man ein sexuelles Konzept von sich hat, also ein Selbstkonzept, das ist die sexuelle Identität übrigens. Und wenn die sexuelle Identität mit der Außenwelt interagiert, das heißt, wenn Sexualität sich auf etwas anderes bezieht als auf dein Selbstkonzept, auf die anderen, die dich umgeben, nämlich auf Objekte deiner Begierde, also möglicherweise andere Menschen oder auch Objekte, wenn du objektsexuell bist. Dann kommt es zur sexuellen Orientierung. Die sexuelle Orientierung ist also die sexuelle Richtung, in die du gehst, wenn du nach deiner Findung im sexuellen Selbstkonzept auf andere zugehst, um deine Sexualität auszuleben. Dann orientierst du dich. Und mein Artikel…. Und berichtet über meine sexuelle Identität. Sexuelle Identität ist etwas, was vor der sexuellen Orientierung eintritt. Ich schreibe da so ein bisschen auch immer meine frühkindliche Sexualität oder sexuelle Eindrücke, die ich erst später verarbeiten konnte, weil ich natürlich nicht geschlechtsreif war mit drei Jahren. Aber da fängt schon an, also im frühkindlichen Alter, so ist es auch in der Forschung beschrieben, bildet sich die sexuelle Identität heraus, die wir natürlich noch nicht als solche zuordnen können. Die hat nichts mit Orientierung zu tun, weil wir als Kleinkinder noch nicht versuchen, die auszuleben, aber wir haben trotzdem schon Eindrücke, die sich zu einem Pattern, einem Mustern zusammensetzen, was wir später als Identität in die Hand nehmen können, wenn wir anfangen, geschlechtsreif zu werden. Und das bedeutet erstmal nur, dass wir uns für uns selber, wir als abgeschlossenes Individuum, klar sein müssen, was wir gut finden, wie wir begehren, welche Reize sind, die uns sexuell triggern. Und der Schritt danach ist eben, dass wir uns danach auch orientieren und auf andere zugehen. Genau, und das ist eben der Unterschied zwischen sexueller Identität, die eben schon im Kindesalter passiert, geprägt wird, und sexuelle Orientierung, die später kommt, wenn das Ich mit der Welt interagiert.
Sebastian Meinst du, jemand kann sagen, er fängt an BDSM als Identität zu entwickeln, ohne dass er jemals davon gehört hat?
Leona Das weiß ich nicht. Ich möchte überhaupt keine Vermutungen aufstellen. Ich gebe nur und auch bewusst nur ich berichte. Also ich kann nur sagen, wie es bei mir gewesen ist. Ich nenne auch deswegen meine Orientierung, meine sexuelle Orientierung eine Identität, weil es ganzheitlicher ist als nur das Konzept, ich suche sexuelle Paarbindungen, die BDSM beinhalten, das ist meine Orientierung. Aber ich sehe bei ganz vielen Menschen auch bei ganz vielen, die von sich sagen ach ja, WDSM, das ist so meine Neigung meine Vorlieben und so sehe ich etwas anderes, nämlich dass Sexualität und ihre von der Norm abweichende Sexualität sie derart vereinnahmt, dass sie ihr ganzes Leben danach ausrichten und nichts anderes ist Identität, auch wenn die das verneinen und sagen, nein, nein, das sind so Präferenzen und so, de facto, gehen sie zu Stammtischen Ihr Freundeskreis setzt sich mit Menschen auseinander, die sich in der Subkultur bewegen und sie machen ihre Freizeitgestaltung zum größten Teil im Sinne ihrer sexuellen Präferenz. Ich sage nicht, dass es keine Präferenz sein kann, aber es bekommt dann häufig so eine sehr vereinnahmende, eine wirklich immersive Ganzheitlichkeit, die mich vermuten lässt, es handelt sich eigentlich um Identität. Weißt du, was ich meine? Und deswegen würde ich für mich selber sagen, es ist mehr als Orientierung. Es ist auch ein Teil dessen, wer ich bin und wie ich mein Leben gestalte und das ist für mich identitätsstiftend.
Sebastian Okay, du hast das so vollumfänglich jetzt zusammengepackt. Das ist für mich jetzt ziemlich abschließend tatsächlich.
Leona Sehr schön.
Sebastian Ja, also finde ich gut. Wir haben beim Vorgesprecher so ein bisschen drum gefeilscht, wie kann man das ausdrücken.
Leona Ja.
Sebastian Nein, ich glaube, du hast jetzt wirklich alle Wenns und Abers richtig kompakt mit reingekriegt. Okay, das heißt, wir haben beide dieselbe sexuelle Identität.
Leona Genau.
Sebastian Sehr schön.
Leona Die gleiche, nicht dieselbe, hoffe ich.
Sebastian Jetzt möchte ich noch ein bisschen darauf eingehen, wie die sich bei dir äußert.
Leona Kannst du deine Frage präzisieren?
Sebastian Ja, also ich kann sie platt machen einfach. Ich frage natürlich jeden, okay, hier, du bist Dom, du bist Sub. Das sind natürlich Schubladen. Packen wir dich in ein paar Schubladen rein. Wo würdest du dich halbwegs wohlfühlen?
Leona Ich glaube, dass ich gerade zwischen Schubladen hin und her wandere. Und das ist eine weitere Theorie, die ich nachher noch ein bisschen elaborieren möchte, aber ich habe wie viele Frauen glaube ich gerade mit Submission angefangen sozusagen, das war meine Initialzündung war eher submissiver Natur, was meine Erotik angeht, meine Orientierung und hat sich in den letzten Jahren ein bisschen entwickelt. Also ich würde nicht sagen, dass ich switche, das wäre zu viel gesagt. Ich bin aber inzwischen durchaus auch interessiert an der dominanten Seite und merke immer mehr, dass die Bereiche auch miteinander interferieren und sich ergänzen. Und ich persönlich glaube, dass Menschen, die eine BDSM-Orientierung haben, immer beide Anlagen haben und die sich im Lauf des Lebens eben auch mal in die eine oder andere Richtung entwickeln kann oder eben auch gleichzeitig stattfinden kann. Also ich kenne relativ viele Frauen, die so in meinem Alter sind, so zwischen 30 und 40, die mir dasselbe erzählen und die sagen, durch das allgemeine Empowerment von Frauen und von Feminismus und von starker Weiblichkeit in der Öffentlichkeit haben sie jetzt auch inzwischen vielmehr das Bedürfnis, tatsächlich dieses Empowerment auch sexuell auszuleben, was ich ganz spannend finde. Weil es bedeutet, dass wir natürlich nicht nur vorgeprägt sind durch Gene oder sonst irgendwas, sondern natürlich auch eine soziale Prägung erfahren, die mit uns sexuell interagiert und dass das eben ein fluider Bereich ist, dass wir uns da immer weiterentwickeln werden. Wer weiß, wie die Frauen der nächsten Generation sind, vielleicht wird dann das Ungleichgewicht zwischen einem Überhang an männlichen Dominanten und weiblichen Submissiven, vielleicht wird sich das Verhältnis umdrehen oder sich zumindest mehr annähern, weil die gesellschaftlichen Verhältnisse sich in Sexualität auch immer widerspiegeln.
Sebastian Ich glaube tatsächlich, dass diese Konstellation Mann-Dom, Frau-Sub, die verschwimmt immer mehr in den letzten Jahren.
Leona Gott sei Dank. Also ich finde das gut, dass es so ist, weil das wieder eine Wechselwirkung mit der Gesellschaft hat und andersrum. Also ich finde das sozusagen feministisch gesehen sehr förderlich. Und es hat auch Lustgewinn.
Sebastian Das impliziert aber so ein bisschen, dass wenn die junge Frau erst mal submissiv ist und später dann wechselt, dass ihre erste Einordnung falsch war.
Leona Nein, nicht falsch. Nein, nein, gar nicht. Ich glaube auch, also ich bin immer noch auch submissiv, natürlich, aber inzwischen fange ich auch an, mich für das andere zu interessieren. Ich glaube eben, dass viele sich an das große Spektrum einfach erstmal nicht rantrauen, sondern sich in der passiven Rolle zuerst mal wohler fühlen, weil es eben ein geborgenerer Ort ist, weil man zu vielen Dingen auch hingetragen wird, weil man sich darum nicht so sehr bemühen muss, weil man die Dinge eben erstmal mit sich machen lassen kann und dann später erst sozusagen die Dramaturgie, der man immer unterworfen ist, im wahrsten Sinne des Wortes, dann auch selber anwenden und für sich abwandeln und aktiv gestalten kann. Und jetzt erst, also mit 31, sehe ich auch den Reiz. Und ich hätte niemals gedacht, dass ich mal switchy Tendenzen bekomme.
Sebastian Also ein bisschen vom Lehrling zum Meister tatsächlich.
Leona Ja, weiß ich nicht. Aber ich glaube, wie gesagt, noch bin ich nicht so weit, dass ich sage, ich bin wirklich absolut Switcher und fühle mich auf beiden Seiten gleichwohl. Das ist nicht so. Meine Präferenz ist tatsächlich immer noch die submissive Seite. Ich merke aber, dass mein Interesse doch stark wächst. Und dass ich auch, wenn ich jetzt submissiv bin, in dieser Rolle auch immer ein bisschen die Rolle des Dominanten mitdenke und mich frage, wie der sich dann fühlt. Und also die Empathie wächst auch für die jeweils andere Rolle.
Sebastian Also wenn ich jetzt mal so ein bisschen auf Masse gehe, kann ich also sagen, okay, Mädels haben, nicht alle natürlich, aber eine Tendenz, um submissiv anzufangen und dann vielleicht irgendwann zu wechseln. Und bei den Jungs sieht das ja im Grunde genau umgekehrt aus. Die kommen erstmal in die Szene und sagen, ganz viele, da habe ich mal, nein nicht ganz viele, aber es gibt auch einige, die treten auf und sagen, ich bin eine Dominant und man spürt schon, nee, das hast du dir jetzt nur ausgewählt, weil das einem gesellschaftlichen Rollenbild entspricht. Dem würde man ja eher sagen, du bist gerade nicht in der richtigen Rolle, wechsel mal, dann geht es dir gut. Bei den Mädels sagt man jetzt oder behaupten wir beide jetzt mal, nein, das ist ein Lernprozess oder ein Entwicklungsprozess.
Leona Kann es sein. Also es gibt sicher auch sortenreine Frauen, die 100 Prozent submissiv sind, immer waren, immer sein werden. Genauso wie es sicher auch sortenreine Männer gibt, die immer dominant sein werden und es schon immer waren und vor der Geburt und was weiß ich. Das kann alles total sein. Also es ist ja ein Kontinuum, es ist ja ein Spektrum. Aber ich spreche eben auch davon, dass die Bereiche eben fluide sind und das sehe ich durchaus sehr, wie du auch sagst, dass es zunimmt. Und ich glaube eben, weil die Gesellschaft das auch widerspiegelt, dass die Bereiche Mann, Frau, Rollenverteilung inzwischen fluider werden.
Sebastian Das heißt aber, da muss ich ja deinem Fach dann jetzt ein bisschen Schuld geben. In der Literatur zumindest alles, was ich die letzten 15 Jahre so aufgenommen habe, da habe ich immer sehr klare Rollenbilder. Der Mensch ist dominant, der Mensch ist devot, der Mensch ist submissiv oder was auch immer. Die Figuren haben sich in der Regel nicht irgendwie entwickelt. Die waren immer nur sehr flache Stereotype. Wenn das jetzt das ist, was auch, ich sag mal, die Stinos präsentiert bekommen, dass die bei BDSM Angst kriegen, das ist mir vollkommen klar. Die bekommen ja wirklich nur so eine Bildzeitung präsentiert und sollen sich ein Bild über die Menschen machen.
Leona Ja, also ich weiß nicht, von welcher Art von Literatur du gerade sprichst, aber es klingt nach schlechter Literatur.
Sebastian Also fangen wir mal bei den Klassikern an. Ja, die Geschichte der O ist mal so ein Beispiel. Gut, das sind natürlich im Prinzip erotische Schriften. Oder wir haben natürlich die besonders schöne Romanreihe.
Leona Nein, bitte sag das Wort nicht. Nein, bitte nicht. Ich piepe es aus, wir piepen da drüber.
Sebastian Zum Einjährigen darf ich es nochmal ein bisschen Shaming betreiben. Okay. Nein, es ist keine Literatur, es ist gedruckt, sagen wir es mal so. Aber dennoch habe ich sehr, egal wo, sehr, sehr wenig überhaupt gelesen, wo da mal so ein bisschen die Charaktere sich entwickeln.
Leona Das stimmt, aber das ist wirklich nicht nur ein Kennzeichen von schlechter erotischer Literatur, sondern überhaupt von schlechter Literatur. Also das Grundwesen eines Narrativs, egal welcher Natur es ist, muss immer sein, dass die Charaktere sich entwickeln, sonst ist es nämlich keine Geschichte.
Sebastian Und jetzt komme ich zu dir, du machst das jetzt besser.
Leona Ja, ich hoffe das. Tatsächlich, also ich habe einen Roman geschrieben über das Thema, wie es sich anfühlt mit einer nicht normativen, einer BDSM-Sexualität aufzuwachsen. Und zwar an einem Ort, an dem die Zugänge zu Informationen, ähnlich wie in meiner Kindheit, ohne dass das Buch autobiografisch ist übrigens, noch ziemlich verstellt sind. Und ich habe lange überlegt, wie ich das Personal besetze, ob ich einfach um der Diversität zu genügen mal einen Mann an die Substelle setze und eine Frau an Topstelle. Und dann habe ich gedacht, damit mache ich es mir sehr einfach. Ich behaupte, einen fortschrittlichen WDSM-Roman zu schreiben, einen diversen WDSM-Roman, der eben der aktuellen Genderpolitik auch gerecht wird, nur indem ich einfach die Rollen vertausche. Das wäre zu flach. Und deswegen ist meine Verteilung tatsächlich so, dass ich eine submissive Frau und einen dominanten Mann habe. Die beiden entwickeln sich aber im Verlauf der Handlung. Das heißt nicht, dass sie switchen, aber tatsächlich ist es auch ein… Du sagst.
Sebastian Jedes Mal, wenn du sagst switchen, musst du lachen und auch mal so fürchterlich ausatmen. Ist das für dich ein Schimpfwort oder ist das ein Problembegriff? oder?
Leona Es ist kein Problembegriff. Ich glaube, ich flirte noch so ein bisschen mit diesem Begriff, weil der für mich auch so neu ist. Weißt du, für mich ist es eine große Attraktion, dass das Wechseln der Seiten für mich inzwischen nicht nur möglich ist, sondern auch ein Bedürfnis und dass diese Kategorie Switch für mich plötzlich interessant wird. Ich habe das ganz lange abgelehnt.
Sebastian Okay, also es ist etwas positiv.
Leona Deswegen freue ich mich jedes Mal über diesen Begriff, wenn ich ihn sage. Switch.
Sebastian Okay, ich werde die Folge nennen Switch, Switch, Switch. Nur damit du ein bisschen grinst.
Leona Das ist schön, ja.
Sebastian Okay, ich hab dich so böse unterbrochen.
Leona Das tust du ja ständig, Sebastian. Das ist auch echt eine Unart.
Sebastian Ja, tut mir leid. Ich kann nicht anders.
Leona Ja, entschuldigen, das waren jetzt meine switchy Tendenzen vielleicht.
Sebastian Ich bin ja schon brav.
Leona Sehr gut. Jedenfalls, nein, also das Buch hat sozusagen die klassische Normalverteilung dominanter Mann und submissive Frau. Aber es ist ein feministisches Buch. Durchaus und spielt eben auch ein bisschen damit, dass sich die Rollenverteilung auch in der Gesellschaft natürlich eben in der Sexualität wiederfinden und von beiden Seiten, aufgebrochen werden und durcheinander fließen und nur weil ein Mann dominant ist, heißt das natürlich noch lange nicht, dass er der absolute Gewinnertyp im echten Leben ist. Andersrum heißt es aber auch nicht, dass er der totale Verlierer sein muss, was ja auch öfter gesagt wird nach dem Motto, wer es im echten Leben zu nichts gebracht hat, der versucht, sich sexuell irgendwie überzukompensieren, indem er die nominante Rolle einnimmt. Also ich versuche möglichst alle Klischees, die es gibt, in irgendeiner Weise zu unterlaufen.
Sebastian Also weder Privatjet noch Hartz IV, sondern einfach ganz normale Menschen.
Leona Ganz normale Menschen, also so normal, wie es unter Perversen eben möglich ist, die mit ihren Rollen auch kämpfen und sich auch darin eben entwickeln und finden. Und mir war es wichtig, dass ich keinen Roman über BDSM schreibe, der der erotische ist. Es ist kein erotischer Roman, das muss man dazu sagen. Es ist nicht Fifty Shades of Grey, sondern es ist eine eher soziologische, analytische, psychologische, auch ziemlich kühle Betrachtung.
Sebastian Wie hast du denn dafür recherchiert? Wenn du sagst, das hat einen Bezug und du hast es analytisch, sagt mehr, es muss irgendwas geben, was du auseinandernehmen konntest. Und das noch in eine Story zu gießen oder so in eine Geschichte.
Leona Ja, das ist ja schwierig. Das werde ich auch nie wieder so machen. Also ein guter Freund von mir hat mir vorgeworfen, es handelt sich um ein Thesenbuch. Und das ist für ihn ein Schimpfwort, dass ich eine fiktionale Geschichte aufgebaut habe auf einer These über die Welt. Und das schimmert schon auch durch. Also du musst, du willst natürlich deine Message verkaufen und unterbringen, aber du willst auch eine schöne Geschichte darüber erzählen. Das ist ziemlich schwierig.
Sebastian Wo geht denn der Kompromiss hin oder der Pragmatismus? Eher, dass die Geschichte stimmig ist und einen mitreißt oder dass die, Fakten ist ja schwer zu sagen, aber dass deine Message auch wirklich untergebracht wird. Beides geht ja nicht immer gleichzeitig.
Leona Tja du, da musst du meinen Lektor mal fragen. Also ich habe sehr intensiv mit meinem Lektor über den Sommer daran gearbeitet, der natürlich teamverkäufliche Geschichte ist, beziehungsweise teamguterzählte Geschichte. Also es soll natürlich auch einen Sog haben und es soll in irgendeiner Weise Spannung entstehen. Es muss auch eine Dramaturgie haben, es muss sich was bewegen. Ich kann nicht einfach anfangen 99 Thesen an die Kirche zu hämmern und zu sagen, so, kauf das Buch, es ist ein sehr gutes Buch.
Sebastian Hat ja mal sehr gut geklappt.
Leona Ja. Das waren andere Zeiten, Sebastian.
Sebastian Wenn du deine Thesen an die Kirche hämmerst, tatsächlich, an dein Gotteshaus, dann bist du in allen Medien.
Leona Vielleicht mache ich das. Gute Marketingstrategie.
Sebastian Geschmiert mit BDSM-Thesen.
Leona Blöderweise gibt es jetzt immer Kameras über den Kirchentüren. Das gab es früher noch nicht. Sonst hätte man Luther wahrscheinlich direkt festgenommen. Nein, aber jetzt ab von der Blasphemie. Tatsächlich ... Und tatsächlich war das ein Kampf. Und das war eben der Entstehungsprozess dieses Buches. Ich habe das Buch im April oder so beendet und dachte, so, fertig, dann kann ich jetzt das nächste anfangen. Aber nein, tatsächlich habe ich bis November, also bis zu diesem Monat, weitere Überarbeitungen gemacht, machen müssen, machen dürfen an diesem Buch, angeleitet durch meinen wirklich hervorragenden Lektor, der versucht hat, mehr die Geschichte zu stärken und weniger die philosophischen Traktate, die ich daraus machen wollte. Und ich denke, so ist es auch ein Buch, was man sehr gut lesen kann. Vorher war es ein Buch, was viele abstrakte Inhalte in Fließtext untergebracht hat. Und ich glaube, vergnüglich zu lesen wäre das auf keinen Fall gewesen.
Sebastian Das muss ich auch mal sagen, das klingt jetzt ein bisschen arg nach Werbung. Es ist aber gar keine. Denn das Buch kann man ja gar nicht kaufen.
Leona Erstens das und ich, also was heißt Werbung? Ich sage nur, es gibt dieses Buch.
Sebastian Es gibt es.
Leona Kauft es alle.
Sebastian Ja, es gibt es aber nicht. Nein, also ich habe tatsächlich ein bisschen überlegt, wie viel können wir darüber sprechen. Auf der anderen Seite finde ich die Idee dahinter einfach schön und förderungswert. Und natürlich möchte ich auch ein B-Leaguexemplar haben.
Leona Klar, kriegst du.
Sebastian Sicherlich funktionieren. Ich gehe jetzt doch ein bisschen Richtung Kommerz, aber nur ganz kurz. Wann kommt es denn?
Leona Es kommt im Februar.
Sebastian Okay, Link irgendwie in den Shownotes, wenn es soweit ist.
Leona Ja, lasse ich dir zukommen.
Sebastian Und die ersten 20 Seiten, die gibt es mir nicht auch zum Vorher zu verteilen. Nein. Ich bin sehr neugierig, ich habe nichts davon gelesen bisher.
Leona Natürlich nicht, wo auch. Also wirklich, es soll keine Werbung sein, aber im Sinne der Szene sozusagen möchte ich zumindest erklären, was ich da gemacht habe. Ich habe, oder es gibt einige Bücher über BDSM und auch einige Romane, die gar nicht schlecht sind. Also wir reden nicht von Fifty Shades, wir reden eher von Jeanne de Bergh zum Beispiel, wenn die noch einer kennt, die viele Romane darüber geschrieben hat, die wirklich ausgezeichnet sind, solche Sachen. Und die hatten für mich das Problem, dass sie nie das abgedeckt haben, was mich immer bewegt hat, nämlich aufwachsen mit dieser Sexualität. Sie zu haben und dann irgendwann so mit Mitte 20 stellt man fest, man wird die halt nicht los, dann fängt man an, die auszuleben und so weiter. Darüber gibt es irgendwie einige Bücher und wie schön das dann alles ist und wie bereichernd und wie verrucht und wie toll und so. Es gibt aber nichts darüber, anders als bei homosexueller Literatur zum Beispiel, wie es sich anfühlt mit dieser ganzen Scheiße alleine gelassen zu sein, fernab von Medien oder von Menschen, die deine Sexualität teilen und mit all deinen Problemen, die du in der Pubertät sowieso hast, fertig zu werden und das noch on top machen. Dazu gibt es nichts. Es gibt Die Mitte der Welt von Andreas Steinhöfel. Vielleicht ist es dem einen oder anderen ein Begriff. Das ist ein wirklich hervorragender Roman über das Aufwachsen mit Homosexualität.
Sebastian Wurde der nicht sogar verfilmt? Kann das sein?
Leona Kann sein. Ich habe den Film jedenfalls nicht zur Kenntnis genommen. Ich habe damals den Roman gelesen, da war ich jugendlich und fand den wirklich bemerkenswert, weil ich dachte, irgendwas von mir als Person, als junges Mädchen steckt da auch drin, auch wenn ich nicht homosexuell bin. Aber es geht um andersartige Sexualität und wie es ist, damit groß zu werden und das in sein Selbstkonzept irgendwie zu integrieren. Und für den Bereich BDSM gibt es das eben, soweit ich weiß, bisher noch nicht und deswegen habe ich das Buch geschrieben. Also ich habe tatsächlich einfach einen Bedarf gesehen. Also natürlich war es auch mein Bedarf, meine Geschichte oder mein Thema loszuwerden, damit ich mich davon freischreiben kann und es nicht länger mit mir rumtrage. Auf der anderen Seite glaube ich aber auch, dass es wichtig ist, dass diese Art von Geschichten mal erzählt werden. Ich bin auch gar nicht sicher, ob es das über Transsexualität gibt oder über Asexualität. Das würde mich auch sehr interessieren.
Sebastian Ja, Asexualität ist eh nochmal so ein Thema, was ein bisschen missverstanden wird tatsächlich. Also es gibt Menschen, die bezeichnen sich als asexuell, weil sie nichts anderes dafür haben. Ich gebe da noch den Begriff der Demisexualität. Wenn ich den richtig verstanden habe bei Wikipedia, ist das ja das Bedürfnis körperlicher Nähe, dass das erst entsteht, wenn eine emotionale Verbundenheit zu einem Menschen da ist. Und mit mir hat jemand gesprochen und sagte, ja, er ist halt nicht so, dass er mit allen möglichen Leuten was machen will. Er wird sich da eher als asexuell-demisexual einordnen. Das hat mich fürchterlich erschreckt tatsächlich, weil ich mir denke, ist doch nichts dabei, Wenn du erstmal jemanden kennenlernen willst, mit dem du in die Kiste springst. Ich glaube, es gibt so viele Präferenzen im Moment, dass es auch wirklich schwerfallen muss, da was auszusuchen oder zu sagen, das passt jetzt für mich. Also entweder muss ich alles ausprobieren oder ich muss das Glück haben, dass in mir alle Gefühle in mir sagen, das ist es, das willst du.
Leona Tatsächlich glaube ich, dass es auch einige Asexuelle, die sich als asexuell labeln, gibt, die eine Sexualität haben, die eben nicht Sexsex ist. Weißt du, was ich meine? Also wenn wir von Sexualität sprechen, dann meinen wir ganz klassisch eigentlich immer noch dieses sehr Koetus organisierte. Also in der Mitte ist es ein zentralistisches System, in der Mitte ist Sex, Sex, A in B sozusagen. Und auf diesem Spektrum müssen wir uns alle irgendwie wiederfinden. Und ich glaube, dass irrtümlich einige Asexuelle, die zum Beispiel einfach einen bestimmten Fetisch haben, glauben, sie wären asexuell oder sich eher dort einordnen, weil das mit Sexsex nichts zu tun hat. Also die haben keinen Lustgewinn davon und auch kein Interesse daran, mit Leuten zu schlafen oder irgendwie penetrativ tätig zu werden, sondern die finden zum Beispiel nur Spanking gut und das war's, das ist ihr Ding. Und das erfüllt die Stelle in ihrer Sexualität, wo Sexsex bei anderen steht. Die sind aber nicht asexuell, sondern die sind fetischsexuell. Und weil es eben diese Begriffe so einen Schärfen gibt und die nicht jedem klar sind, landen die auch manchmal bei den Asexuellen, was aber einfach falsch ist. Die können halt mit Sexsex nichts anfangen oder sehr wenig.
Sebastian Ja, oder nicht immer.
Leona Ja, oder nicht immer.
Sebastian Also ganz ehrlich, BDSM wird ja auf Partys, sagt man, da wird wenig gefögelt.
Leona Ja.
Sebastian Wenig bis gar nicht. Finde ich auch wieder spannend, weil ja, so eine Session ohne Sex hinterher, da habe ich überhaupt, das ist einfach total schön, weil man hat diesen Druck, nicht hinterher nochmal irgendwas auf sich rumzuspringen. Auf der anderen Seite muss man es ja auch nicht ausschließen. Ich glaube, der Koitus ist einfach eine Spielart. Also ich kann Spanking, Bondage, sonst was machen und eben auch meinen Schwanz da reinstecken. Das ist ein Baustein und ich muss nicht immer alle haben.
Leona Ja, glaube ich auch.
Sebastian Natürlich bin ich ja nicht asexuell. Sondern nur vielleicht für den Moment, weil ich keinen Bock mehr habe.
Leona Naja, BDSM ist ja auch anstrengend. Also körperlich anstrengend, psychisch anstrengend.
Sebastian Ja, körperlich ist es.
Leona Psychisch schon auch.
Sebastian Ja, es zwingt vor allem dazu, miteinander zu reden.
Leona Damit habe ich jetzt weniger Probleme, aber gut.
Sebastian Ja, ich glaube, BDSM hat diesen schönen Charme, dass du deine Sexualität, was du mit jemandem machst, das musst du erst mal verhandeln.
Leona Ja.
Sebastian Ja, du kannst nicht sagen, ja, hier Blowjob und Kuitus und das ist klar, wie das geht, das muss man halt können, sondern man muss erstmal verhandeln, was tun wir, wie tun wir es und da muss man gucken, wie viel Schnittmenge gibt es. Deckungsgleich gibt es eh nicht. Glaube ich zumindest nicht.
Leona Ja, das ist tatsächlich verrückt, wie sehr wir da in unserer Blase so unterwegs sind. Es gibt ja oder seit vielleicht fünf, sechs Jahren gibt es ja diese Sex-Positiv-Bewegung und es wird viel über Sexualität gesprochen. Für uns ist das ja alles gar nicht neu. Also, dass wir über Sexualität verhandeln und sehr, sehr stark uns selbst befragen müssen, reflektieren müssen darüber und natürlich auch versuchen müssen, uns möglichst gut auszudrücken in dem, was wir wollen und in dem, was wir nicht wollen, wo das sonst alles irgendwie fürchterlich schief geht. Das ist sozusagen im Mainstream jetzt gerade angekommen. Wir lernen das, sobald wir irgendwie... ...geschlechtsreif sind, gefühlt, weil es nicht anders geht. Das ist ja komplett unvermeidbar. Und lange fand ich das auch ziemlich unangenehm. Aber ich denke heute, die Kommunikation über Sex, die jetzt eben im Mainstream angekommen ist, die ist so wichtig, auch um sich selbst zu finden und um sich selbst zu verorten und um eben Identität für sich selber herstellen und definieren zu können. Gut, dass die anderen das jetzt auch mal lernen. Wir sind da schon lange.
Sebastian Okay, das heißt, wenn die jetzt auch noch anfangen, sich ein bisschen zu hauen etc., weil das gut für die Durchblutung ist.
Leona Dann haben wir gar nichts eigenes mehr.
Sebastian Dann können wir uns vom BDSM verabschieden, weil einfach ein Anwalt, weil dann einfach die breite Gesellschaft das als Normalität kennzeichnet. Das wollen wir ja im Grunde.
Leona Im Grunde schon. Vielleicht sollten wir mal den großen Wellness-Hotels erzählen, was Spanking so mit der Durchblutung macht und dass das eigentlich auch besser ist als Ölmassage und dass Cellulite davon weggeht.
Sebastian Aber das ist tatsächlich auch ein Ziel von dir, dazu beizutragen, dass BDSM etwas Normales ist.
Leona Ja, tatsächlich. Das ist ein großer Wunsch von mir und ich befürchte, das wird auch durch das Buch nicht klappen und auch durch meine publizistische Arbeit nicht. Ich habe dir vorhin schon ein bisschen erzählt, wie die Rezeption dieses Artikels gewesen ist, also Preaching to the Converted.
Sebastian Kannst du das nochmal übersetzen?
Leona Also die Blase, die ich erreiche, ist die, die sowieso schon sensibilisiert ist für das Thema. Und alle anderen, die sich nicht dafür interessieren, die werden den Artikel überlesen haben oder sie werden sich darüber aufgeregt haben, aber sie werden niemals mit einer offenen Einstellung diesen Text gelesen haben und waren nachher vielleicht einer anderen Meinung, als sie es vorher gewesen sind. Und so funktioniert das eben heute einfach nicht mehr.
Sebastian Das heißt, du hättest ja einen Artikel schreiben können, speziell für die Menschen, die das sonst nicht erreichen würden. Ist das Buch vielleicht sowas?
Leona Das hoffe ich ein bisschen. Also Literatur ist ja leider Gottes ein Nischenmedium geworden und Bücher lesen nicht mehr so viele. Aber Menschen, die Literatur noch konsumieren, noch rezipieren, sind oft eben auch sehr interessierte, sehr empathische Menschen. Und ich habe versucht, das Thema, was ja durchaus auch ein sehr radikales sein kann und Angst machen kann, so runterzubrechen und so sensibel anzugehen, dass man es lesen kann, ohne in Schockstarre zu verfallen oder abgestoßen zu sein. Ich habe sehr wenige, sehr wenige grafische Sexszenen. Ich glaube, miteinander schlafen tun die beiden auch überhaupt nur einmal und das ist so sehr.
Sebastian Das ist auch nur, weil das dazu gehört.
Leona Es ist sehr zurückhaltend geschildert und ich bleibe sehr subtil und andeutungsweise und das war mir auch wichtig. Ich möchte ja auch keinen Porno produzieren, sondern ich möchte abbilden, wie die Gefühlswelt aussieht, nicht so sehr, wie das körperliche aussieht.
Sebastian Sind das Multiplikatoren, die du ansprichst? Also wer liest noch Bücher? Das sind mehr Menschen, als wir denken. Die Frage ist ja mal, wer liest und wer kauft. Das ist ja nochmal ein Unterschied. Aber gibt es den Leuten was an die Hand, dass sie dann mit dem, was sie durch das Buch erfahren haben, vielleicht auch noch draußen argumentieren können?
Leona Überhaupt nicht. Es ist kein politisches Buch. Es ist ein literarisches Buch. Was daraus jeder für sich mitnimmt, das bleibt dem Leser überlassen. Man sagt ja auch, es gibt 100 Leser und 100 Lesarten eines Buches. Also ein Buch ist niemals nur ein Buch. Es sind, je nachdem wie viele Leute das lesen, 100 Bücher, 500, 1000 Bücher. Ich möchte niemandem vorschreiben, was er davon für sich mitnehmen möchte. Und ich glaube, das ist eben der Vorteil der Literatur, dass ich das nicht bestimme und vorgebe. Sonst wäre es auch ein schlechtes Buch. Ich mache Vorschläge, aber ich möchte niemals sozusagen ein Goodiebag am Ende des Ausgangs jemandem in die Hand drücken und sagen, so, jetzt gehst du damit in die Öffentlichkeit und erklärst das mal schön.
Sebastian Nein, so war das. Nein, die Idee ist eine andere. Also ich stehe in der Stadt und da sind Leute irgendwie, machen da irgendeine Bondage-Performance. Sowas soll es ja inzwischen tatsächlich geben. Bondage-Picknick gibt es ja. Und dann stehe ich da als unbeteiligter Mensch, habe keine Ahnung, habe aber dein Buch gelesen. Habe ich dann vielleicht eine etwas offenere Meinung als ohne und kann vielleicht neben mir sagen, nee, das ist schon okay, das sind nette Leute, die haben halt Spaß. Also weitet das den Blick?
Leona Das glaube ich bestimmt. Also, wobei ich sagen muss, dass dieses sehr technische, also zum Beispiel Bondage spielt bei mir überhaupt gar keine Rolle, auf die ganzen Techniken gehe ich gar nicht ein. Ich glaube, was ich versuche zu erklären ist, dass BDSM ähnlich wie Homosexualität eine Orientierung ist und eine Identität, die dazu beiträgt, die Welt zu ordnen.
Sebastian Oh, ich fühle mich gerade zwei Köpfe größer.
Leona Ja? Schön. Also es ist ja so, wir Menschen, wir kommen auf diese Welt, wir versuchen uns irgendwie mit einer Auskunft über uns selber erstmal selbst zu finden und dann versuchen wir mit der Umwelt zu agieren und zu interagieren und daraus entsteht irgendwann so eine Kartografie der Wirklichkeit, die unsere Wahrnehmung ist. Und wir tun alles dafür, indem wir zum Beispiel Kategorien erfinden und Begriffe und all sowas, um diese Wirklichkeit, die ja sehr unübersichtlich ist für uns zu ordnen. Dass Homosexualität ein Weg ist, die Welt zu ordnen, das ist hinlänglich bekannt, weil es zum Beispiel bestimmt, wen wir lieben und möglicherweise auch wie wir lieben. Partnerschaften richten sich danach. Also wer Homosexuelle ist, für den fällt die Hälfte der Weltbevölkerung eben schon mal weg als Paten. Auch das ist ein Weg, die Welt zu ordnen. Dass das aber auch für BDSM zutrifft, ist glaube ich nicht sehr bekannt.
Sebastian Ja, der Filter ist halt recht. Es bleibt noch viel übrig, ne?
Leona Es bleibt viel übrig. Ich kann aber nur sagen, warum ich den Spiegelartikel geschrieben habe. Identität, sexuelle Identität ist für mich mein Weg, diese Welt zu ordnen, zusammen mit Literatur und dem Schreiben überhaupt, auch dem journalistischen. Und BDSM hat mir, als ich verstanden habe, dass das etwas ist, was ich nicht mehr aus der Wäsche kriege, dass es einfach da ist, dass ich mich sonst wie anstrengen kann, dass es keine Pille dagegen gibt sozusagen, dass ich mich damit anfreunden muss, dass es ist, wie es ist und dafür habe ich lange, lange gebraucht. Ich bin immer noch nicht da, wo ich eigentlich sein sollte. Dass das aber auch eine Hilfe sein kann, die unüberschaubare Wirklichkeit für mich zu ordnen und das möchte ich eigentlich mit diesem Buch vorschlagen.
Sebastian Es gibt noch einen Punkt, als Autorin habe ich mich gefragt und du hast es mir auch eben ansatzweise beantwortet, was befähigt dich, ein meinungsbildend zu sein?
Leona Was mich unterscheidet von vielen anderen Leuten, die über BDSM geschrieben haben, ist, dass für mich lange und eigentlich auch immer noch BDSM eher ein Problem ist. Es ist eher etwas, was mich im Alltag auch manchmal stört und kratzt und was wehtut und was unangenehm ist. Deswegen habe ich das Bedürfnis, auch darüber zu sprechen und das zu verarbeiten. Wenn da kein Leidensdruck wäre, dann würde ich das nicht machen. Dann würde ich das vielleicht eher machen wie du. Das wäre eine nette Bereicherung für mich. Das wäre irgendwie in vielen Bereichen einfach intensiv und gut und toll. Meine Freundschaften würden daraus bestehen, mein Leben würde sich irgendwie entspannter nachrichten und ich hätte wenig Anlass darüber nachzudenken, was ich da tue und warum ich es möchte. Bei mir ist es aber eben gar nicht so gewesen, sondern BDSM war für mich immer schon auch etwas Problembehaftetes und etwas, was ich gerne losgeworden wäre und es offensichtlich nicht losgeworden bin. Und darum war ich gezwungen, mich sehr intensiv damit auseinanderzusetzen und es von sehr vielen Seiten zu beleuchten. Ich glaube, das befähigt mich dazu, auch Dinge zu sagen, die einigermaßen reflektiert sind, weil sie alle Seiten mit einschließen.
Sebastian Was ist dein Wunsch? Was ist die Welt, die du dir wünschst in Bezug auf BDSM? Also wo soll es hinführen? Heute in 15 Jahren? Nehmen wir mal den Marktplatz. Andere machen dem anderen einen Antrag. Dann wird der Ring, der Verlobungsring ausgetauscht, alle drumherum applaudieren. Wenn ich in 15 Jahren Subi auf dem Marktplatz den Halsreif feierlich umlege, meinst du, die Menschen werden applaudieren und sich mit uns freuen?
Leona Nein, das glaube ich nicht. Wir werden immer eine Form von Randerscheinung bleiben. Ich hoffe aber, dass wir es zusammen schaffen, das Stigma loszuwerden, was uns immer noch umgibt und uns irgendwie in dieses obskure Dunkel lockt, dass andere dann auch noch hochschreiben als den Thrill an unserer Sexualität, dass wir irgendwie randständig sind und ein bisschen verboten. Also mich persönlich lockt es überhaupt nicht, dass es eine sogenannte verbotene Sexualität ist oder irgendwie, dass das Schattenhafte daran so attraktiv sei. Ich möchte dazu stehen können, dass ich BDSM praktiziere, dass BDSM meine sexuelle Identität ausmacht, ohne dass das ganz groß thematisiert wird. Ich möchte diese Artikel gar nicht schreiben müssen. Ich wünsche, sie wären überflüssig. Ich wünschte, ich müsste das nicht so brachial machen und mich auf einen Online-Marktplatz namens Spiegel Online stellen und sagen, ich mag BDSM, wer unschuldig ist, wer für den ersten Stein. Wenn das nicht nötig wäre, das wäre schön und ich glaube eben ich wünsche mir eine Form von Diskurs über diese Sexualität. Die das Ganze ein bisschen wertfreier betrachtet, als es bis jetzt geschehen ist. Es gibt immer mal wieder so Phasen, auch in der Mediengeschichte, wenn BDSM ein Thema ist, das ist dann immer so ein Fokus. Es gibt irgendwie mal ein paar Monate gibt es so eine Welle, entweder weil es zum Beispiel Aufarbeitung im Film gibt, wie Secretary oder Fifty Shades oder was weiß ich. Und dann wird das irgendwie losgetreten, dann äußern sich so ein paar sogenannte Experten zum Thema, das sind oft weiße Männer und dann verschwindet das wieder. Und es ändert sich nichts am Diskurs. Der Diskurs fängt immer wieder bei Null an. Es gibt immer wieder reißerische Überschriften, es gibt immer wieder fiese Online-Kommentare und wir kommen kein Stück weiter. Dann wird das Ganze wieder in die Nische zurückgedrängt, aus der es gekommen ist. Und einige Jahre später macht dann wieder mal jemand eine Doku drüber oder es kommt raus, dass irgendein Politiker sich am Wochenende gerne auspeitschen lässt. Dann ist das wieder das Ding der Stunde und danach fallen wieder alle in Schweigen und niemand hat irgendeine Erkenntnis gewonnen. Dass BDSM nicht nur Erwachsene betrifft, sondern eben auch Heranwachsende, auch Kinder. Dass das anerkannt wird, dass es eben eine Neigungsentwicklung ist oder eben auch eine Orientierung und dann später auch eine Identität, die ernst genommen und auch begleitet werden muss ein Stück weit. Wie das bei Homosexualität und Transsexualität und all dem auch schon der Fall ist. Durch zähe Lobbyarbeit. Und ich hoffe, dass BDSM das mit vereinten Kräften auch schafft. Das würde ich mir wünschen.
Sebastian Das heißt, es muss sich eine Lobby erst mal bilden.
Leona Ja, eine zusammenhängende Lobby.
Sebastian Die ganzen Stammtische und Vereine, die es alle gibt, die agieren ja leider sehr, sehr vereinzelt. Es gibt diesen Bundesverband, den BVSM. Ich weiß nicht, wie aktiv der momentan ist, aber im Grunde müsste jeder, dem es daran liegt, müsste sagen, hier, ich stelle meine Manpower zur Verfügung, damit wir alle gemeinsam da was reißen können.
Leona Tatsächlich, ich erzähle jetzt auch gerade wirklich ein bisschen Blödsinn, es gibt ja auch die SMJG, die großartige Arbeit leisten und die es gibt als Anlaufstelle und so weiter.
Sebastian Wer den Podcast hört, der kennt die SMJG inzwischen ganz gut, das setzen wir einfach mal voraus.
Leona Credits an die sozusagen, Hut ab für die Arbeit, die die leisten. Trotzdem wird das von der Öffentlichkeit nicht gesehen. Also das betrifft wieder den kleinen Kreis von Menschen, die dann Gott sei Dank zur SMJG finden, auch hoffentlich in jungen Jahren und dort aufgenommen werden und dann wird denen da auch weitergeholfen. Das finde ich toll, dass es das inzwischen gibt. Das gab es bei mir, wie gesagt, früher nicht. Aber das mediale, öffentliche Bild von BDSM ist dort stehen geblieben, wo es beim letzten Diskurs um Fifty Shades oder was auch immer aufgehört hat. Und das finde ich schade, dass wir da keinen Schritt weiterkommen mit der Enttabuisierung. Also es verliert so ein bisschen auch so den Neuigkeitswert. Es gibt BDSM und das ist irgendwie... Was weiß ich, irgendwie eine Form von Erotik, die haben manche und die ist irgendwie auch ein bisschen problematisch und so. Und da kommen wir einfach irgendwie nicht aus dem Quark sozusagen. Also das wird nicht weitergesponnen. Wir nehmen nicht diese Teile der schon vorangegangenen Diskurse und gehen mal einen Schritt weiter.
Sebastian Wen muss ich denn an der Stelle auf die Füße treten, dass er nicht wieder von vorne bei null anfängt? Ich weiß es nicht. Sind das die Journalisten?
Leona Ja, vielleicht auch.
Sebastian Ja, also sämtliche Medienvertreter?
Leona Wir müssen jetzt in die Pflicht nehmen. Nein, also ich kann nicht.
Sebastian Sag mal, das ist ganz blöd. In den letzten Jahren habe ich gesehen, Netflix ist ein schönes Beispiel, da habe ich mindestens jeder zweiten Serie, es ist einfach selbstverständlich, dass irgendwo ein homosexuelles Paar ist und die werden beim Knutschen und sonst was gezeigt, das ist normal und okay.
Leona Du meinst, wir bräuchten einen Quoten-SMR?
Sebastian Nein, die Quote bei Homosexualität hat sich so eingeschlichen. Das gehört einfach zum guten Drehbuch, dass da auch ein bisschen was dabei ist. Bei WDSM im Grunde auch so ist. Es muss ja nicht irgendwie mit Ketten und Peitschen sein, aber wenn die da am Vögeln sind und sich da ein bisschen beißen und am nächsten Morgen, was weiß ich, die Schulter da sich mal juckt und der, was weiß ich, Captain Kirk kratzt sich an der Schulter, weil da hat ihn gestern jemand reingebissen und das war halt voll gut. So als selbstverständliche, lebensächliche Handlung.
Leona Wundervoll, das ist ein toller Vorschlag.
Sebastian Das wäre schön. Das kriegen wir mit einer Quote nicht. Das kriegen wir nur, indem wir irgendwie, ich sag mal, sämtliche Drehbuchautor bestechen.
Leona Ein paar kenne ich, vielleicht kann ich mal anfangen.
Sebastian Ja, mach mal. Also wenn ich eine Lindenstraße das erste Mal sehe, aber die gibt es ja nicht mehr, verdammt. Aber es muss in die Alltagsmedien im Prinzip rein, ohne was Besonderes zu sein. Das ist halt so.
Leona Tatsächlich gab es, ich weiß nicht, ob das jemand zur Kenntnis genommen hat aus der Szene, bestimmt, aber es gab in der, ich glaube, es war die Taz, eine kleine Kolumnenreihe zum Thema BDSM und Alltag, wie das eigentlich so aussieht, wenn man so eine BDSM-Beziehung hat oder das irgendwie praktiziert und so, So ganz praktisch und nahbar und die war wirklich unheimlich charmant geschrieben und hat sicher auch einigen die Schwellenangst so ein bisschen genommen. So was brauchen wir mehr, nicht dieses spektakuläre Show-Element, diese hochdramatisierten, hochtheatralen Sexualitätsakte, die in unserer Szene auch da sind und über die dann berichtet wird. Also es gibt ja diese Performance-Künstler, die Bondage machen oder irgendwelche Feuershows mit Auspeitschen oder so, über die wird dann vielleicht nochmal berichtet oder die sieht man so bei irgendwelchen Veranstaltungen. Das ist ja aber nicht der BDSM, für den ich eintrete. Das ist irgendwie, das ist Theater, das ist Zirkus. Und ich glaube aber, dass es das Bild ist, was viele noch von BDSM haben, dass es sowas sehr Dramatisches hat und was sehr Aufwendiges und Exotisches. Dabei ist es einfach nur auch wirklich schnöder Alltag manchmal. Und ich wünsche mir mehr davon, mehr von diesen Darstellungen, damit Leute sich das auch endlich mal vorstellen können.
Sebastian Also im Prinzip ersetzen wir die Darstellung und die Nutzung von Zigaretten durch BDSM. Das eine wird ja gerade geächtet, das heißt wir streichen egal wo, egal ob es ein Buch ist oder sonst was, früher war es so, da wird auch mal eine Zigarette geraucht zur Entspannung und ein Glas Rotwein und Alkohol und so weiter. Ich habe einen sehr schönen russischen Autoren, der ist sehr alkohollastig in allem, was er da von sich gibt. Und wenn wir das im Prinzip, diese frei werdende Fläche des Lasters des Alltags durch BDSM ersetzen, dann haben wir, wir haben ja den Platz dafür jetzt. Die müssen ja all diese ganzen Szenen müssen sie ja irgendwie füllen.
Leona Ja.
Sebastian Redet dann dafür ein, dass sie das mit BDSM-Elementen tun.
Leona Sehr schön.
Sebastian Jetzt werde ich auch selber arg albern. Also ich persönlich finde es klasse, dass du einen Weg gehst, der in die Öffentlichkeit geht, um Bewusstsein zu schaffen. Bewusstsein, was vielleicht schon mal da war und jetzt mal permanent bleiben soll. Ich wünsche mir, dass es davon mehr gibt.
Leona Ja, das hoffe ich auch. Also ich glaube, es wird schon viel über BDSM berichtet, aber immer wenn ich einen Artikel sehe, dann muss ich den Kopf schütteln. Und es geht auch häufig und immer noch viel zu viel um diesen Schattenbereich zwischen BDSM und kriminellen Übergriffen. Das wird immer noch so sehr vermischt. Das ist immer noch so eine Grauzone, in der sich dann alles irgendwie trifft. Das ganze Gesindel, was sich unter dem Deckmantel von BDSM drückt und nicht konsensuelle Praktiken da irgendwie reinmogelt. Zum Beispiel gab es neulich mal beim Guardian einen Artikel über das Würgen beim Geschlechtsakt. Und das wurde so beschrieben, dass es sozusagen fatal ist, dass diese Trendsportart wirken. Ich wünschte, es wäre so, dass dieser neue Trend, dass der deswegen gefährlich ist oder dass er generell gefährlich sei, weil das eben zu vielen Unfällen führen kann. Und dann hatten sie irgendwie zwei, drei Beispiele von Menschen, die offensichtlich einfach Gewaltverbrecher waren, die irgendwie Frauen einfach nicht konsensuell gewirkt haben, bis sie ohnmächtig geworden sind. Und solche Artikel erscheinen dann über BDSM-Praktiken.
Sebastian Das ist eine Einordnung, dass das Gewaltverbrecher waren aus dem, was du gelesen hast oder aus dem Background, den du hast oder hat der Artikel das geschlussfolgert?
Leona Das hat der Artikel so gesagt. Letztlich ging es um Sexualdelikte, die eben aus Würgen beim Sex entstanden sind und daraus wurde geschlussfolgert, dass generell Würgen beim Sex ganz furchtbar und gefährlich ist und man diesen Trend unbedingt unterbinden müsste, weil eben natürlich auch schlimme Dinge damit passieren können. Aber das ist ja tatsächlich auch wahr für alle Bereiche der Sexualität. Also Vergewaltigungen können bei Vanillas genauso passieren wie bei BDSM-Praktizierenden, das ist ja reiner Unsinn. Aber so geraten wir eben immer weiter in Verruf. Also es berichtet wird ja immer nur dann, wenn was Schlimmes passiert.
Sebastian Es gibt auch nette Meldungen. Also ich habe jetzt neulich eine gehabt, da ist im Radiojahr hier die beobachtete Entführung, die gefesselte Frau da am Feldrand neben der Autobahn, das hat sich nur um ein Pärchen gehandelt, die ein bisschen sexuell gespielt haben und das war dann so, ach nette Story ist okay.
Leona Nette Story?
Sebastian Ja, ich fand das okay.
Leona Du fandest das okay, ja, aber ich glaube ganz viele andere fanden das möglicherweise nicht okay.
Sebastian Ich müsste es jetzt wirklich lange googeln, aber irgendwie von wegen, die Polizei hat angemerkt, dass das vielleicht nicht in der Öffentlichkeit gemacht werden soll und dass man das bitte jetzt zu Ende bringen soll. Aber es ist jetzt so, es wurde rübergebracht, okay, ja, es wurde beobachtet, es war vielleicht ein bisschen unglücklich, das in der Öffentlichkeit zu machen. Die Ordnungsfüter haben ein gewisses Verständnis dafür für die jungen Leute gezeigt und das hat keine negativen Konsequenzen für irgendwen gehabt. Das ist okay. Das fand ich, das war auch von der Berichterstattung her in Ordnung.
Leona Also nicht reißerisch?
Sebastian Nö, da wurde halt bezählt, was war und das waren halt so, ich sag mal, 45 Sekunden irgendwo und dann war das in Ordnung.
Leona Toll, ja, davon möchte ich bitte mehr und nicht eben diese sehr trennungsunscharfen Artikel, die alle möglichen Sorten von nicht konsensuellen Praktiken mit BDSM in Zusammenhang bringen. Und das passiert immer noch oft.
Sebastian Das ist aber echt schwer, weil es gibt ja auch viele Menschen, die machen konsensuelle Praktiken, möchten es aber nicht so nennen, damit es mehr Thrill hat vielleicht. Sie geben einfach ein bisschen an. Das ist okay, können sie machen. Das ist aber dumm, wenn jetzt irgendwas mit Multiplikator, Medienvertreter, irgendwas in der Nähe ist und man gerät an so jemanden, dann hast du ja genau das Problem. Also da weiß ich auch nicht, muss man die Szene schulen, dass sie richtig mit Medienvertretern umgeht, wie es ja im Sport passiert, wie es überhaupt überall so ist oder muss ich die Medienvertreter so weit schulen, dass sie vernünftig mit den Leuten umgehen und eben nicht sagen, oh, ich halte da jetzt mal so lange drauf, bis ich was finde, was absolut reißerisch ist. Und wenn es irgendein blöder Nebensatz ist und dann hänge ich den Artikel daran auf. Ein bisschen wie bei dir, ne?
Leona Ja, also solange der Journalismus, vor allem der Online-Journalismus, sehr, sehr abhängig ist von Click-Rates und das wird ja immer mehr, solange das so ist, wird es immer wieder sehr viele reißerische Artikel geben, so ist es eben. Und BDSM eignet sich einfach zu sehr dafür. Und ja, und weil wir eben diese wunderbare Projektionsfläche sind, glaube ich eben, je öfter Alltagsartikel über BDSM erscheinen und auch je mehr wir Projekte machen, wie zum Beispiel kleine Festivals oder so, die sich eben nicht verstecken in irgendwelchen Clubs an Stadträndern, desto mehr wird auch die Sensation nachlassen, wenn über uns berichtet wird. Vielleicht sind wir einfach irgendwann gar keine Meldung mehr, sondern dann sind wir einfach ein Teil des Spektrums. Wenn sich heute irgendwie, okay, über den CSD wird berichtet, aber ansonsten, wenn sich jetzt Homosexuelle in der Öffentlichkeit zu einem Picknick treffen würden, who cares, wenn das BDSMer machen und es sind da vielleicht auch Menschen, die dann, wie du vorhin erzählt hast, irgendwie beim Picknick neben dem Grill knien oder so, dann ist das schon wieder ein bisschen ungewöhnlicher. Und jedenfalls kann ich nur hoffen, dass BDSM weiter banalisiert wird. Das würde ich mir sehr wünschen.
Sebastian Ich finde das einen sehr ungewöhnlichen Wunsch, aber einen sehr sympathischen. Ich helfe da selber mit, klar mit diesem Projekt hier, weil es soll eben keine Sensation sein.
Leona Ja, ich möchte keinen Mythos schüren, sondern ich möchte zeigen, dass WDSM eine Sexualität ist, ein Spektrum einer Sexualität, die sich in allen möglichen Dingen zeigen kann, auch in sehr kleinen und dass wir eine nahbare Spezies sind, dass wir nicht nur in Kellern stattfinden.
Sebastian Möchtest du uns verniedlichen?
Leona Nein, auf gar keinen Fall.
Sebastian Wie zu Einhörnern machen?
Leona Eben nicht.
Sebastian Überall, über die redet keiner mehr.
Leona Ja, ja.
Sebastian Und ich glaube, das ist jetzt, Das ist ein wirklich guter Schlussakkord. Du meinst eben Clickbait, das mache ich auch, indem ich von dir noch so einen einminütigen kleinen Trailer mache. Da werde ich irgendwelche schönen Aussagen einfach rausziehen, damit dann die Leute die Folge auch schön anhören. Die wichtigste Frage, die ich jetzt noch habe, ist, wie kann man als Hörer dich erreichen, wenn man was von dir will? Soll man mir eine Mail schreiben oder kann man dich irgendwo kriegen?
Leona Man kann mich kriegen über meine Website. Da gibt es ein Kontaktformular. Und darüber kann man mich erreichen. Auch wirklich lieber als über die sozialen Medien, bei denen ich auch vertreten bin. Wer tatsächlich aufrichtiges Interesse an einem Austausch hat, der sollte mir lieber eine E-Mail schreiben. Ganz altmodisch.
Sebastian Und wo tut man das?
Leona Über leonastahlmann.de.
Sebastian Okay, wunderbar. Ich packe da auch noch mal in den Link rein. Nur manche Player, die zeigen eben diese Shownotes nicht. Und dann ist es immer ganz gut, wenn es nochmal drin war. Ja, ich bin leer gequatscht.
Leona Ja, ich auch.
Sebastian Ja, das hast du ganz toll gemacht.
Leona Danke.
Sebastian Vielen, vielen Dank für deine Gastfreundschaft.
Leona Sehr gerne.
Sebastian Ihr merkt auch hier draußen, ich mache keine Ankündigung jetzt mehr oder sage, ich brauche irgendwie Leute, die dies und das und jenes machen. Heute ist einfach mal gut. Ja. Ich fahre jetzt wieder zurück von Hamburg nach Hannover. Drückt mir die Daumen, dass irgendwelche Züge fahren und dass das wirklich funktioniert. Ich bin guter Dinge.
Leona Daumen gedrückt.
Sebastian Dankeschön. Dir nochmal ganz, ganz vielen lieben Dank, dass das geklappt hat und dass du auf meine Ansprache im Social Media dann auch tatsächlich geantwortet hast. Das war ein kleiner Glücksfall, finde ich.
Leona Freut mich.
Sebastian Ich werde dich weiter beobachten, was du tust. Andere hoffentlich auch.
Leona Ich hoffe nicht auf diese creepy Weise.
Sebastian Ja, wir stellen dir nach. In jeder Ecke steht jemand. Schwarze Kleider. Die Vision, die da sein soll. Also Banalisieren von BDSM. Ich finde das sogar einen ganz guten Sendungstitel.
Leona Das ist der Claim, ja.
Sebastian Ich finde, das ist ein schönes Ziel, weil das heißt einfach, wir sind ganz normal und wir machen normale Sachen mit normalen Leuten in einer normalen Umgebung. Und das ist gar nicht mehr so wild. Man kann sich viel mehr darauf konzentrieren, damit Spaß zu haben, als sich zu fragen, ob das noch okay ist.
Leona Amen.
Sebastian Oh. Ja, ganz schnelle Verabschiedung. Liebe Hörer, macht's gut. Bis zum nächsten Mal. und liebe Leona, vielen Dank.
Leona Gerne.
Sebastian Du darfst auch noch irgendwie Tschüss sagen oder so.
Leona Okay, dann Tschüssi.

Kommentare & Fragen

KurtStieglitz
01.04.25

Sehr tolle Folge,

ich muss sagen, dass ich absolut D'accord gehe damit, dass die Sexuelle Prägung bereits im frühkindlichen Alter geprägt wird, denn DAS sehe ich bei mir genauso aus meinen Frühkindlichen Erinnerungen, die mein mir bis ins zweite Lebensjahr zurückreichen. Obwohl Wissenschaftler gesagt haben sollen, dass die Erinnerungen erst ab dem viertel Lebensjahr beginnen sollen. Denn DAS Stimmt aus meiner Sicht nämlich nicht.

Also echt toll diese Folge - Hammer

herzliche Grüße

Elo
07.05.22

<div>Was für ein wunderbares Buch! Gerade als "Neuentdecker" (die Begriffe Anfänger und Einsteiger erscheinen mir falsch) der bisher verborgenen Identität, erleichtert das Buch den Zugang zu einem selbst, zu mir selbst. Emotionen, Zustände aber auch Fragen und Nicht-Antworten spiegeln sich. Danke für diesen wunderbaren Roman, der mich tief getroffen, erobert, zu Boden gebracht hat und mir half gestärkt mit erhobenem Kopf aufzustehen. Und danke Sebastian für die Vorstellung dieses literarisch äußerst wertvollem Stück Lesereise.</div>

memento_mori
04.03.22

<div>Liebe Leona, ich habe kürzlich diese Podcast-Reihe entdeckt und bin sehr froh darüber, da es hier eine Menge zu entdecken gibt. Ich bin schon ein alter Hase und seit mehr als 25 Jahren in der sog. Szene aktiv. Das Problem mit meiner Identität wie Du es nennst hatte ich nie, ich war mir immer dessen bewusst und habe es früh akzeptiert. Nachdem ich aber diesen Podcast hier gehört habe, konnte ich das was mein Leben maßgeblich bestimmt hat - BDSM - aber besser verstehen und auch begrifflich einordnen. Danke dafür! Dein sehr strukturierter Ansatz, unsere Veranlagung zu beschreiben und in Worte zu fassen ist sehr hilfreich. Das wollte ich einfach mal gesagt haben! :-) lg Lars</div>

Steffen
12.12.19

<div>Hallo Steffi, sehr guter Tipp, die Eroberung des Herrn Agathe ist ein wunderbarer Roman! Und da ist wirklich ein toller Podcast, danke dafür!</div>

Steffi
11.12.19

<div>Wirklich eine sehr interessante Folge, die ich gerne gehört habe. (Und ich bin sehr auf das Buch gespannt von Leona) Hier noch ein Tipp zum Thema "andere" BDSM-Romane: Es gibt eine Autorin, deren Bücher ich sehr liebe und auch sehr besonders finde: Vio Carpone. Sie hat unter anderem einen BDSM-Coming-Out Roman geschrieben : Die Eroberung des Herrn Agathe, in dem es um eine junge Frau geht, die ihre sadistisch-dominante Neigung entdeckt. Hier der Link, ich hoffe das ist erlaubt : Amazon Ihre anderen Werke sind ebenfalls alle sehr lesenswert, die Charaktere am Ende eines Buches "verlassen zu müssen", ist wirklich so richtig traurig...</div>

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