Cover Matthias T.J. Grimme

Matthias T.J. Grimme

Fesselnd bis zum Schluss

25.07.22
02:30
12.137
64
792
Cover Matthias T.J. Grimme

Episodenblog

Wird geladen...
Fesselnd bis zum Schluss

Ich bin nach Hamburg gefahren und habe Matthias Grimme besucht.

Die Meisten von euch kennen ihn bestimmt schon: Ein Hamburger Original, Autor von Büchern wie dem SM-Handbuch, Bondagehandbuch und Weiteren. Er war in Japan und hat das Fesseln von dort mitgebracht, gibt Workshops und die Schlagzeilen sollte ich hier auch erwähnen. Für mich selbst war Matthias Werk vor über 20 Jahren eine erste echte Quelle für Infos rund um BDSM und mit dieser Folge erfülle ich mir den Wunsch da ein mal genauer hinzusehen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Winsch

Kontakt:

Kapitelmarken

00:00:00
Intro
00:00:38
Einleitung
00:02:26
Begrüßung
00:03:08
Tatsu Otoko - Drachenmann
00:04:20
Stix erste Quelle zu SM vor langer Zeit
00:10:59
Der heilige Sebastian & die Comics
00:16:16
Buch: Die ungleichen Brüder
00:16:26
Buch: Käufliche Träume
00:17:48
Dem Nachwuchssado alles beibringen
00:20:30
Die Szene um 1990
00:25:41
Partys damals und heute
00:40:41
Der gesunde Menschenverstand
00:42:37
Das SM-Handbuch
00:43:42
Newsgroup alt sex bondage
00:51:00
SM vs. BDSM
00:53:15
Wie gehen Medien mit SMern um?
00:56:53
Stern: "Ich bin Masochistin": Sina Aline Geissler
00:58:10
Neuer Konservatismus und kommunistisch besserer Sex
01:09:28
Informierte Einvernehmlichkeit & Selbstverantwortung
01:14:51
Thema Bondage: Warum sollte man das machen?
01:18:40
Bondage-Shows
01:25:16
Das Bild an der Wand
01:25:48
Japan - Der ursprüngliche Sinn hinter Japanbondage
01:32:36
Im Jahr 2000 nach Japan & lernen, lernen, lernen
01:43:50
BDSM und Bondage: Ist das sexuell?
01:48:46
Bondage-Workshops: Worum geht's?
01:52:43
Seilumarmung
01:54:12
Sebastian erklärt eine Fesselung
01:55:25
Bild: Standardhandfesselung
01:56:33
Die Schlagzeilen - Gedruckt und zum Anfassen
02:00:44
Redaktionelle Beiträge
02:05:31
Schwerpunkte und Geschichten
02:12:29
Aufruf: Transgeschichten
02:13:06
Die Kolumnen
02:20:48
Shorts!
02:21:05
Shorts: Switch
02:21:17
Shorts: Secretary
02:21:40
Shorts: Welchen Schwerpunkt wird es nie geben?
02:22:02
Shorts: Tüddeln im Park
02:23:27
Shorts: Welche Praktiken machst Du nicht?
02:23:41
Shorts: D/S
02:24:09
Shorts: Hast und benutzt Du Handfesseln?
02:25:14
Shorts: Was macht Dich bei BDSM glücklich?
02:26:14
Shorts: Warum twitterst Du das Wetter in Hamburg?
02:27:34
Shorts: Zukunft
02:28:35
Danke!
02:29:33
Das letzte Wort
Das Transcript wurde automatisch erzeugt und kann Fehler enthalten.
Sebastian Hallo und herzlich willkommen zu Folge 78 der Kunst der Unvernunft. Hier wird über BDSM gesprochen. Gar nicht so sehr über Themen, sondern über Menschen und wie sie BDSM persönlich erleben und ausleben. Mein Name ist Sebastian Sticks und diesmal war ich spontan in Hamburg und habe Matthias Grimme besucht. Die meisten von euch kennen ihn bestimmt schon. Ein Hamburger Original, Autor von Büchern wie dem SM-Handbuch, dem Bondage-Handbuch und weiteren. Er war schon in Japan, hat von dort das Fesseln mitgebracht, gibt Workshops und noch so viel mehr. Und für mich selbst war Matthias vor 20 Jahren eine der ersten Quellen, BDSM abseits von Gerüchten und Hörensagen mitzubekommen. Mit dieser Folge habe ich mir also selbst einen kleinen Wunsch erfüllt und auch in meinen eigenen Anfängen rumgesucht und rumgewühlt. Gleich geht's los. Eine Kleinigkeit habe ich aber noch. Nein, eigentlich sind es zwei. Die Unvernunft Live steckt noch mitten in der Sommerpause. Am 1. September geht's da weiter. Bis dahin freue ich mich weiterhin auf Feedback auf kunst-der-unvernunft zu allen Folgen. Und wenn du selbst bei PayPal, bei Steady oder per Überweisung diesen Podcast unterstützt oder unterstützt hast, dann ist das hier für dich. Ganz vielen lieben Dank. Ohne dich und deinen Beitrag ginge das hier nicht und es gäbe einfach viel weniger Unvernunft. Und ich könnte mir nicht die Zeit nehmen, unter der Woche einfach mal durch die Gegend zu fahren und zum Beispiel diese Folge aufzunehmen und mitzubringen. Deshalb ein ganz großartiges, herzliches Dankeschön. Und für alle anderen, schaut mal auf Kunst der Unvernunft, klickt den Unterstützen-Button und ja, dann kann das hier so weitergehen. Nun geht's aber los mit Folge 78 mit Matthias Grimme. Es ist Montag und ich bin in Hamburg angekommen, nahe Reeperbahn und es ist soweit, nach dreieinhalb Jahren Kunst der Unvernunft sitzt hier vor mir Matthias Grimme. Hallo.
Matthias Hallo, grüß dich. Na, alles gut?
Sebastian Alles gut, ich bin hier. Der Zug ist dann doch noch halbwegs pünktlich angekommen und jetzt sitze ich hier in deiner Wohnung, habe es mir hier gemütlich machen dürfen, wurde perfekt bewirtet. Vielen Dank.
Matthias Gerne doch.
Sebastian Und ich habe einen Zettel mitgebracht.
Matthias Ja, das hatte ich befürchtet. Nein, das habe ich nicht befürchtet, das habe ich erwartet *heiter.
Sebastian Okay, ich gucke mal, dass ich dich vorstelle. Also, Matthias Grimme, du hast da einen Nicknamen, sag ich mal. Spreche ich das richtig aus? Tatsu Otoko?
Matthias Tatsu Otoko.
Sebastian Ah, das klingt gleich viel schöner, wenn du es sagst. Und ich hab mir sagen, das ist von Wikipedia, das heißt Drachenmann.
Matthias Richtig. Also, Tatsu Otoko ist irgendwie entstanden, weil irgendwie der japanische, also der Freund aus Japan, der irgendwie für mich die Tür aufgemacht hat im Jahr 2000, zu mir gesagt hat, du musst irgendwie auch eine Meishi, also eine Visitenkarte haben, wo alles auf Japanisch draufsteht, damit du die auch vernünftig weitergeben kannst. Es nützt den Japanern ja nichts, wenn du den... Und da lag es dann nahe, irgendwie den Spitznamen, den ich irgendwie schon lange habe, den irgendwie auf Japanisch zu übersetzen. Die Japaner, den kraust die Haare, weil es natürlich eigentlich kein korrektes Japanisch ist. Und auch die... Also in Japan ist es ja so, dass bestimmte Namenszeichen sind erlaubt und andere Kanji sind eben halt nicht erlaubt für Namen und also bei mir war das egal. Ich hab halt übers Lexikon halt Tatsu, Drache, Otoko, Mann. Also es müsste eigentlich heißen Tatsu no Otoko, aber das ist auch egal. Stört mich nicht.
Sebastian Pass auf, jetzt sind wir schon mittendrin. Ich mag mal kurz noch so zwei, drei Worte zu dir sagen. Und auch, ich hab das Publikum ja vorher gefragt, hab dir Fragen. Und wie soll ich das sagen? Also erstmal, viele Menschen nehmen dich wahr als jemanden, der Bondage-Profi ist. Du gibst Workshops und da reden wir auch später noch ein bisschen drüber. Aber ich persönlich habe meine Verbindung zu dir so ein bisschen aus diesen ganzen Anfängen, weil du warst so mit meine erste Quelle für echte Information rund um SM. Und da würde ich so ein bisschen gucken, da gibt es den Charon Verlag oder Karon Verlag? Wie der Mond, ne?
Matthias Ja, wie der Mond oder eigentlich richtig wie der Fährmann, der zwischen dem Reich der Lebenden und Toten hin und her fährt, griechische Mythologie. Und wir fanden das ganz gut, weil dieser Stücks, der Fluss, auf dem der Fährmann fährt, ist halt eine Grenze. Und SM spielt ja mit Grenzen und deswegen fanden wir das ganz gut. Wir hatten noch eine Alternative aus der germanischen Sagenwelt und da haben wir dann gesagt, na ja, germanische Sagenwelt, irgendwie ist doch teilweise von rechts okkupiert und dann wollen wir nicht in seltsame ... hm hm hm. Deswegen jammern wir uns dann lieber ganz auf griechisch, ne?
Sebastian Das passt doch jetzt, das Stix beim Karon, ne? Ähm, okay, Wortspiele. Letzter Teil der Vorstellung, ich darf sagen, wie alt du bist?
Matthias Ja, darfst du sagen.
Sebastian 69 steht hier, stimmt das noch?
Matthias Ja, ne, stimmt gerade jetzt, weil ich irgendwie halt am Freitag Geburtstag hatte.
Sebastian Oh, herzlichen Glückwunsch.
Matthias Danke, danke.
Sebastian Ja, und ich bin natürlich in Hamburg. So, und jetzt hab ich eigentlich, ich hab hier noch schön den Satz stehen, kennt ihr schon aus Film, Funk und Fernsehen?
Matthias Das ist nicht so ganz falsch, man kennt mich natürlich auch von Messen. Ich hätte mir auch nie träumen lassen, dass ich irgendwann mal einen Preis, 2017 habe ich den Preis für mein Lebenswerk gekriegt. Höchstoffiziell auf der Bondagemesse verliehen als Sonderpreis nach einer Preisverleihung für Bester Fessler etc. Und das hat mich schon sehr berührt.
Sebastian Das glaube ich. Und du bist ja auch einfach ewig dabei. Und ich mag es wirklich noch mal erwähnen, als ich so um die Jahrtausendwende anfing, einen Namen dafür zu haben und auch googeln zu können. Da war halt das SM-Handbuch so eine einer der ersten Quellen, die ich in die Finger bekommen konnte. Amazon hat zum Glück damals schon wunderbar geliefert. Und dann kamen noch ein paar andere schwarze Bücher dazu. Ich wollte das eigentlich sogar mitbringen, das Buch. Ich stelle fest, ich muss es irgendwann verliehen haben. Ich habe es nicht mehr. Da steht noch das Bondage Handbuch und alle möglichen, also diese schönen schwarzen Bücher. Aber das fehlt. Aber gut, so sei es.
Matthias Weißt du, du hast mir jetzt ein Mitbringsel mitgebracht. Ich, wenn du daran nachher dran denkst, gebe dir ein, die aktuelle Version des SM Handbuchs mit.
Sebastian Oh, großartig. Ich hatte mal einen Gast, Senpai heißt er, der hat gesagt, er hat schon SM gemacht, Anfang der Achtziger, da hatte das noch gar keinen Namen, da gab es auch noch keine, sowas wie safe, sane, consensual, alles, das gab es alles noch gar nicht. Und ich würde mit dir heute total gerne ein bisschen schauen in, wie kommt man drauf, wie kommt man zu Expertise und was ist eigentlich heute noch von dem übrig? Also so ein bisschen das ganze aufrollen, weil ich hab so einfach das Gefühl, dass sich das alles um 180 Grad gewendet hat. BDSM gehört nicht mehr in den dunklen Keller. Man kann es halbwegs offen leben und das ist natürlich ein Verdienst, der kommt nicht von heute auf morgen. Und du warst nun mal einfach sehr lange, sehr oft, sehr viel präsent und da sehe ich einfach deinen Anteil, aber ich sehe auch einfach, dass es nicht so einfach gewesen sein kann.
Matthias Ähm, also, um mal kurz ein bisschen auszuholen, also, das, was wir heute immer noch als SM-Szene kennen, ist eigentlich ein relativ neues Phänomen. Es gab natürlich schon irgendwie 1800, schlag mich tot, und auch schon früher Leute, die wussten, dass es hübsch sein kann, irgendwie seinem Gegenüber den Arsch zu versohlen. Oder andere nette Sachen ihm anzutun. Aber die Geburtsstunde, so wie ich die Historie erzählt bekommen habe, es gibt ja keine Geschichtsbücher darüber, ist so, dass nach dem Zweiten Weltkrieg die in erster Linie schwulen Mitglieder der amerikanischen Streitkräfte angefangen haben, irgendwie sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Parallel dazu gab es irgendwie halt Kreise, die nannten sich die Fairies, also die Feen, die kamen eher so aus einem etwas esoterischeren Ansatz. Und die Verbindung zwischen diesen beiden ist irgendwie mit so, soll wohl so die Geburtsstunde der, SM gewesen sein, also das, wo man offiziell über SM redet. Die schwulen Vorreiter haben irgendwie so relativ strenge Kodizes gehabt. Also da war zum Beispiel, wenn du irgendwie halt Top werden wolltest oder Meister oder wie auch immer, also der aktiv Handelnde, dann konnte man das nicht so einfach werden, sondern da war dann erst mal, okay, willst du werden? Prima, okay, dann halt mal erst mal deinen Arsch hin. Weil, ne, du fängst ganz unten an. Und dann durften die eben halt auch zeigen, wenn sie irgendwie halt genug Erfahrung gemacht hat, ob das, was sie liefern, wenn sie dann oben spielen, auch irgendwie korrekt ist. Also, ob sie mit der Peitsche auch dahintreffen, wo sie hintreffen wollen. Ob sie irgendwie halt dieses oder jenes auch so machen, wie der damalige Stand des Wissens war.
Sebastian Wie hast du denn angefangen? Also, erst mal muss ja auch bei dir, das ist ja bei jedem so, Irgendwann muss die Erkenntnis kommen, ich mag da was und es hat einen Namen und du konntest nicht googeln.
Matthias Viel schlimmer, viel schlimmer, ich wusste schon mit etwa fünf Jahren, dass bei mir was anders ist. Meine Eltern hatten ein Lexikon, ein zweibändiges, das war von dem Herder Verlag, einem christlichen Verlag. Und dort waren in diesem Lexikon auch alle möglichen bildenden Künstler dargestellt und derjenige, der das Buch zusammengestellt hat, hat ein Faible gehabt für heilige Bilder mit dem heiligen Sebastian. Der heilige Sebastian wird immer dargestellt, irgendwie ganz lasziv an einen Pfahl oder an einen Baumstumpf gebunden und mit Pfeilen durchbohrt. Und das fand ich damals so, bin ja auch katholisch aufgewachsen, fand ich sehr faszinierend, hab mich da auch hineinfantasiert in diese Rolle des Heiligen Sebastian und fand das sehr aufregend, wusste aber gleich, da kann ich mit niemandem drüber reden. Und dann hab ich aber so, nachdem ich dann lange Jahre gedacht habe, so Berufswunsch Märtyrer wäre eigentlich ganz cool, hab ich dann so mit der Pubertät festgestellt, Nö, ich würd doch lieber die andere Seite nehmen. So. Jetzt hab ich anhand eines SM-Pornoheftes mitgebracht, das mein Bruder aus Schweden mitgebracht hat. Wo es einmal eine Session gab, also eine Szene gab, wo Frauen und Männer aus dem Pseudomilitär irgendwie einen Mann gequält haben und einmal die andere Seite rum. Und da hab ich dann festgestellt, also das Quälen des Mannes, das find ich letzten Endes doch nicht so aufregend. Ich fand das viel cooler irgendwie, was da mit dieser Frau passiert ist. Und seitdem hatte ich dann irgendwie lustige Fantasien. Und in den 70er Jahren war halt einiges, was man heutzutage kaufen kann, noch nicht zu kaufen oder nur unterm Ladentisch. Und es gab einen Comicladen hier in Hamburg. Der hatte ein Hinterzimmer und in diesem Hinterzimmer gab es halt Bodagehefte und SM-Comics. Und die haben mich sehr fasziniert. Und da dachte ich mir so, das ist schon alles sehr spannend. Das ist aber alles ziemlich derbe und deswegen ist eigentlich mein Interesse eher dahingehend, dass ich die Frauen, mit denen ich was laufen habe, fesseln möchte. Also um es schlicht auszudrücken. Wir Männer ticken ja manchmal relativ schlicht. Ans Bett binden und durchficken. Und das hat aber viele Jahre gedauert, bis ich dann endlich jemanden hatte, der auf die Frage kann ich dich nicht mal irgendwie ans Bett binden, mit einem irgendwie positiven, positiver Resonanz halt reagiert hat. Ich hatte zweimal vorher Situationen, wo die Frauen dann gesagt haben, aus Liebe, okay, können wir ja mal machen, dann sind die Frauen irgendwie abgegangen in dieser Situation wie eine Rakete, was überhaupt nicht zu ihrem eigenen Selbstbild passte und damit war das Thema dann jeweils immer tabu. Da war eigentlich, wie gesagt, also Bondage war für mich so das Thema, ne, Fesseln. Und hab dann irgendwie im Mai 1990 eine Koinzidenz gehabt. Und zwar hatte ich einmal, da hab ich in einer schwulen WG gewohnt, und ein Freund von dem Vermieter in dieser schwulen WG, der hatte irgendwie einen Kumpel, der irgendwie so eine Veranstaltungsreihe So linksalternativ Macht, Gewalt und Herrschaft und da sollte es um das Thema Sadomasochismus gehen. Und da brauchten sie irgendwie einen Kassettenrekorder, der auch aufnimmt und ich hatte gerade einen. Das heißt, die Musik dafür wurde aufgenommen und ich wurde eingeladen dorthin. Parallel dazu hatte ich auf eine Kontaktanzeige geantwortet, die ich faszinierend fand. Da schrieb eine Frau, dass sie jemanden sucht, der bereit ist, mit ihr ihre Grenzen auszuloten. Es klang für mich spannend. Und auch gleichzeitig in dieser Woche, und das ist besonders absurd, ich hab über viele Jahre irgendwie die Kondome in einem schwulen Buchladen gekauft, wo ich die Leute lange schon kannte. Und bin halt also regelmäßig da gewesen, um neue Kondome zu kaufen, hier mal ein bisschen in die Bücher zu gucken und so weiter. Und in diesem Laden habe ich in dieser Woche festgestellt, die haben da so ein Magazin, das heißt Schlagzeilen. Und da liegen die ersten sechs Hefte rum. Ich hab mir dieses Hefte gekauft und hab dann irgendwie mich mit der Frau getroffen, der ich auf die Kontaktanzeige geschrieben habe und mit der hab ich über sexuelle Fantasien geredet. Und die hat dann gesagt, das ist ganz klar, du bist ein Sado. Und ich so, was, wie, Satist, wa, wie? Ich war völlig fasziniert von der Veranstaltung, zu der ich eingeladen war und die Schlagzeilen haben irgendwie, das ist ja komplett was anderes als das, was ich sonst so vom Erotikmarkt kenne. Das schreiben irgendwie normale Leute schräge Geschichten, die irgendwie wirklich einen erotischen Benefit haben und setzen sich irgendwie auch mit dem Thema SM auseinander und schreiben über Sachen, wie man bestimmte Sachen richtig oder sicher macht und so weiter. Und dann habe ich mich hingesetzt und an die Schlagzeilenredaktion sowohl einen langen Leserbrief geschrieben, als auch das Angebot, dass ich gerne bei ihnen mitarbeiten würde. Schließlich hatte ich zu der Zeit schon unter anderem zwei Bücher veröffentlicht bei Rowold.
Sebastian Bücher zum Thema?
Matthias Nee, das eine Buch ist die ungleichen Brüder, ein Buch über das Verhältnis zwischen Schwulen und Heteromännern. Und das andere war käufliche Träume, ein Buch über Erfahrung mit Pornografie. Das sind beides Sammelbände, wo ich verschiedenste Autoren und Autorinnen gesucht habe, wo ich selbst relativ viele Texte auch drin habe. Das Pornografiebuch ist durch die Decke gegangen, also es hat sich sehr gut verkauft. Das andere Buch kam leider zu einem historisch ungünstigen Zeitpunkt raus. Das war nämlich gerade der Höhepunkt der ersten Zeit der Aids-Krise. Da haben die Schwulen gesagt, was interessieren mich die Heteros? Ich habe andere Sorgen. Und die Heteros haben gesagt, oh Gott, mit Schwulen, irgendwie, ne, da kriegt man Aids.*mit verstellter, entsetzter Stimmlage Deswegen ist das Buch leider etwas gefloppt. Jedenfalls habe ich denen das angeboten und dann kriegte ich irgendwie halt den Anruf, soll mal vorbeikommen. Das Lustige an der ganzen Geschichte ist, das Bewerbungsgespräch für die Redaktion fand hier in dieser Wohnung statt.
Sebastian Weil die zu dir gekommen sind?
Matthias Nein, weil in dieser Wohnung wohnte meine jetzige weibliche Kompagnette, also meine Mitbesitzerin des Verlages. Inzwischen sind wir nur zu zweit, der dem Laden gehört. Der gehörte die Wohnung und da saß ich dann irgendwie auf der schwarzen Leder-Besetzungs-Couch und wurde irgendwie ein bisschen so ausgefragt und seitdem mache ich dann halt bei den Schlagzeilen mit.
Sebastian Lass mich nochmal so ein bisschen zurückspulen. Diese Erkenntnis, das hat einen Namen, das macht mir Spaß und ich kann was lernen. Ich hab immer so das Gefühl, in dem Moment, wo ich rausgefunden hab, ah, was ist das eigentlich, was ich da mache, in dem Moment konnte ich es erst so richtig genießen und dann musste ich noch rausfinden, was genau kickt mich daran. Also ist es dieses, dass du vielleicht talentiert bist mit Seil umzugehen oder ist es der Sadismus oder eher die Reaktion deines Gegenübers, also was hast du gemerkt, ist das, was dir was gibt und ist das überhaupt sexuell besetzt?
Matthias Also das Spannende ist, ich habe das große Glück gehabt, also im Mai hatte ich mein Coming-out und am letzten Tag des Augusts habe ich meine zukünftige Frau kennengelernt. Als die mich kennenlernte mit meinen Fesselkünsten, da sagte sie, es ist ja alles ganz schön und nett, aber ein bisschen Hauen müsste schon auch drin sein. Und ich so, ach du Scheiße, ach du Scheiße, das kam ja irgendwie in meinem Portfolio nicht so richtig vor. Und meine Frau hat mir dann hinterher erzählt, dass sie gesagt hat, ach du Kacke, ein Nachwuchssado, dem muss ich ja alles beibringen. Hat sie dann auch gemacht. So. Auf meine Fahne schreibe ich mir, ich habe mich nicht davon frustrieren lassen, dass sie mir irgendwie über Monate immer wieder gesagt hat, der Rohrstock, du musst den Rohrstock richtig halten, du musst den Rohrstock, jetzt hast du ihn wieder zu lang, jetzt ist er wieder zu kurz. Jetzt kommt er nicht parallel auf beiden an und so weiter und so weiter. So, und das hat dazu geführt, dass ich ganz vernünftig mit dem Rohrstock umgehen kann inzwischen.
Sebastian Ja, ich hab die früher immer kaputt gehauen. *Matthias: Ja, hast du was falsch gemacht. Ich dachte, das ist halt ein Verbrauchsgegenstand. Inzwischen weiß ich, das geht auch anders. Aber ich hab die gleiche Erfahrung gemacht. Ich bin zum Stammtisch gegangen, 2007 etwa, und dann hat das gar nicht lang gedauert und plötzlich hatte ich jemanden, mit dem ich spielen konnte. Und das war großartig, aber die hatte halt schon 20 Jahre Erfahrung, ich sag mal, und das ist natürlich so ein Ding, und ich so mit so, hm, ich hab schon ein bisschen probiert, ne? Ich muss aber sagen, das war mit das Beste, was mir hätte passieren können, weil ich halt in ein paar Wochen echt wie blöde gelernt habe, weil da einfach jemand genau wusste, das macht der gut oder nicht gut, der geht mehr oder nicht mehr. Und ich glaube nicht, dass es einen schrecken sollte. Ich würde das als Top auch immer eher als Ressource sehen. Im Gegenüber mit Erfahrung nicht abschrecken lassen, das ist genau das Richtige.
Matthias Ja, meine Frau hatte zu der Zeit schon fünf Jahre Erfahrung in der SM-Szene und wusste halt eine ganze Menge. Und hat, wie gesagt, also ich bin sehr glücklich und sehr froh, dass sie mir diese Gelegenheit gegeben hat und nicht irgendwie nach einem Vierteljahr, als sie es immer noch nicht begriffen hat, gesagt hat, ja schon gut, Alter. Insofern, also...
Sebastian ...du dürftest es lernen. Es gab schon eine Szene, als du rein bist.
Matthias Nein, es gab noch nicht wirklich eine Szene. Es gab zu der Zeit 1990, gab es irgendwie ein, zwei Stammtische, es gab irgendwie halt den Klüngel um die Redaktion der Schlagzeilen? Es waren da mal deutlich mehr Leute. Es gab in Berlin ein regelmäßiges Treffen, Stammtisch ähnlich, in einer Bar, die hieß Domina Bar. Das Lustige an der ganzen Geschichte ist, das hatte nichts mit Domina zu tun, sondern da hing ein Bild des weiblichen weißen Clowns und der natürlich, weil der männliche weiße Clown heißt Domino und der weibliche heißt halt Domina. Also hatte eigentlich nichts mit dem Thema zu tun, passte aber ganz gut und es gab irgendwie so eher geheime Treffen, die also nicht in irgendeiner Form öffentlich waren. Und es hat bevor meiner, bevor ich irgendwie in der Redaktion da aufgetaucht hat, hat es hier in Hamburg in einer Galerie, die irgendwie in den Hafenstraßenhäusern war, Galerie Abriss, eine Ausstellung gegeben einer lesbischen Künstlerin, die aus dem SM-Bereich kam, eine Fotoausstellung. Und das war wohl dann im Rahmen dieser Vernissage für diese Ausstellung, war das wohl so die erste mehr oder weniger öffentliche SM-Party Hamburgs. Und wir haben dann quasi angefangen mit Öffentlichkeit, weil wir haben 1991 im Januar die erste SM-Party, die ganz normal für alle offen war, angefangen. Das ist eine Partyreihe, die ist irgendwie bis vor vier Jahren gegangen etwa. Parallel dazu hat sich dann so in den verschiedenen Großstädten oder größeren Bereichen haben sich SM-Vereine bzw. SM-Stammtische entwickelt. Und wir standen irgendwie mit den Schlagzeilen letzten Endes in einer historisch günstigen Situation da. Es wäre eigentlich die Zeit reif, so was zu machen. Es gab auch vergleichbare Sachen in Österreich. Hätte auch jemand anders machen können. Also dass wir es jetzt gewesen sind, die dann irgendwie die Schlagzeilen gemacht haben, ist halt so. Aber ich sehe das nicht als Verdienst an. Wir haben die Gunst der Stunde halt gehabt. Wir hatten dann auch eben halt ganz viele Gespräche eben halt darüber, weil ich hatte ziemlich viele schwule Freunde. Mein einer Mitredakteur hatte viel irgendwie mit schwulen Leuten zusammen zu tun gehabt, der wusste natürlich auch relativ genau, wie die schwulen Kodizes waren. Der Old Guard, also der alten, die alten Spielregeln, da gab es nix irgendwie switschen oder wieß der Geier. Da gab es dann auch einen klaren Rechts-Links-Code, also den Rechts-Links-Code von irgendwie... Irgendwelchen Ringen oder irgendwelchen, im schwulen Bereich waren es häufig irgendwie Taschentücher verschiedener Farben. Der ist irgendwie halt, den haben wir in die Heteroszene mit übernommen, das gab es vorher nicht.
Sebastian Da hast du was, Heteroszene. Ich habe so ein bisschen das Gefühl, die letzten Jahre gehabt, und das bestätigt sich auch so ein bisschen, dass es immer noch so eine Trennung gibt, BDSM, hetero und schwul. Da scheint einfach so ein Graben zwischenzulegen. Ich hab inzwischen mit einem schwulen Pärchen auch mal eine Folge aufgenommen. Das war sehr spannend, weil die auch mal ein bisschen mir Einblicke gegeben haben. Aber es vermischt sich noch nicht so richtig. Da gibt's so zarte Bestrebungen. Aber es ist immer noch irgendwie voneinander getrennt. War das damals so? Auch schon so? Oder haben die Heten sich abgespalten, sag ich mal?
Matthias Also wir haben damals die Party immer offen, als offene Party für alle. Wir hatten auf unseren Partys auch einen relativ großen Anteil an schwulen SM-Leuten und auch SM-Lesben. Also die schwule Hardcore-SM-Szene in Hamburg hatte einen eigenen Verein. Da haben wir dann auch mit denen gerne mal Partys gemacht. Das war dann so eine Sondergeschichte. Also die Frauen dürfen mal in die schwule Location. Und das ist so die Zeit, aber gleichzeitig gewesen so die Mitte der 90er Jahre, wo immer mehr Leute aus der schwulen Szene, da gab es noch nicht diese Behandlungsmöglichkeiten für Aids, die es inzwischen gibt, verschwanden, also starben. Und das hat in Hamburg dazu geführt, also über Pi mal Daumen, dass von der schwulen SM-Szene ungefähr ein Drittel gestorben ist. Also von den Hardcore-Leuten, mit denen wir zu tun hatten.
Sebastian Krass.
Matthias Ein Drittel ist irgendwie ins Private zurückgegangen, so nach dem Motto, wir wollen gar nicht irgendwie raus mehr mit anderen Leuten. Und ein Drittel hat sich irgendwie neu orientiert Richtung Berlin oder Köln.
Sebastian Okay, das heißt, die Heteropartys sind übrig geblieben.
Matthias Die nicht mehr ganz so gemischten Heteropartys sind dann übrig geblieben. Wir hatten aber auch dann auch so die Erfahrung gemacht, ich erinnere mich noch, die eine Party, die wir gemacht haben, das war schon irgendwie so 2012, 2013, also relativ spät schon, wo dann sich Leute beschweren, wir hatten zwei schwule Paare auf unserer Party, sich Leute beschweren und sagen, dass da so viele Schwule sind, das wäre ja unerträglich.
Sebastian Nein. *lacht
Matthias Und wir haben gesagt, tschüss, tschüss, dich brauchen wir nicht, wollen wir nicht haben. Weil unser Ansatz ist halt, wir haben immer schwule Freunde aus der SM-Szene, lesbische Freunde aus der SM-Szene gehabt und für uns war es eigentlich immer, letzten Endes egal, wenn du dich an die Spielregeln hältst, die wir auf unseren Partys hatten, ist es egal, ob das nun irgendwie Mann, Frau, Trans, was auch immer ist, sind alle herzlich willkommen.
Sebastian Was waren denn die Spielregeln? Vielleicht kann man mal so ein bisschen vergleichen. Ich weiß nicht, wie lange deine letzte Party jetzt her ist. Wir haben ja jetzt noch mal Covid auch am Hals. Das verzerrt eh ganz viel. Aber gibt es da große Unterschiede, wie die Leute sich verhalten oder was sie erwarten?
Matthias Das Lustige ist, wir haben damals diese Spielregeln für unsere Party gemacht. Die haben dann viele von den Partyveranstaltern gefragt, Könnt ihr uns das mal rüberschicken? So, das heißt, ein Großteil der Partys sind quasi mit Kopien oder leicht abgewandelten Regeln gelaufen, wie wir sie damals hatten. Und uns ging es in erster Linie eben halt darum, irgendwie so Basics festzulegen, dass die Leute, wenn irgendwie halt eine Situation aus dem Ruder läuft und jemand Nein sagt, dann ist es halt ein Nein-Punkt, ne? Oder eben sein Codewort sagt. Dass es nicht erlaubt ist, dass professionelle Sexworker ihrer Arbeit auf diesen Partys nachgehen. Das war eine Sache, die uns irgendwie halt sehr schnell von der zuständigen Behörden gesagt wurde, dass das... Unsere Party würde dann geschlossen werden, ne? Weil wir dann ja irgendwie einen Rahmen für Anbahnung oder weiß der Geier bieten würden. Und wir hatten eben halt auch so ... Also, in den Spielregeln stand eben halt drin, dass wir irgendwie halt erwarten, dass die Leute die Spiele anderer respektieren. Dass wir erwarten, dass die Leute nicht irgendwie, ohne zu fragen, in irgendwelche Spiele reingehen und so weiter. Also, es ist einfach eigentlich ein Benimmcode mit Selbstverständlichkeiten, aber das ganze noch mal aufgeschrieben.
Sebastian Ja, aber also im Prinzip das, was auch heute noch gilt. Genau, genau. Ich mag so ein bisschen noch mal gucken, weil mir ist irgendwann mal ein Buch aus irgendwie Mitte der 90er in die Hände gefallen. Da stand da so drin, wenn ihr jetzt eine Party besuchen wollt, dann rechnet mal mit Folgendem. Und dann kam eine Aufzählung. Erstmal 200 Kilometer ist ganz normal, so viel gibt es nicht. Rechnet mal mit so 200, 250 Mark pro an Eintritt und ihr denkt an den strengen Dresscode und das und das bedeutet das und das. Und das war so das erste Mal, dass ich von einer Party hörte und dachte mir, okay, das ist ja ganz schön exklusiv, muss man sich auch erstmal leisten können dieses Hobby.
Matthias Ja, ja.
Sebastian Also gerade, und damals denke ich mir, wird es auch sehr viel schwieriger gewesen sein, ich sag mal, ein passendes Outfit zu kriegen. Da konnte man ja nicht irgendwo mal schnell auch eine Peitsche her besorgen. Es war nicht so leicht. Inwieweit war das wichtig, dass man sich in der Community aneinander anpasst? Also dass man zeigt, wir gehören zusammen, wir tragen Leder oder irgendetwas. Also war das überhaupt wichtig oder ging es erstmal darum, dass die Leute spielen können?
Matthias Also uns ging es in erster Linie darum, dass wir spielen können. Wir kamen natürlich geprägt von den Connections zur schwulen Szene, waren wir zum größten Teil in den ersten Jahren schwarz angezogen und trugen dann auch gerne schwarzes Leder. Mir passte das ganz gut in den Kram, weil zu der Zeit hatte ich auch ganz ohne SM eigentlich fast ausschließlich schwarze Lederklamotten getragen. Die Dresscode-Diskussion ist schon recht früh losgegangen, weil es gab Leute, die fanden das wichtig, dass die Leute entsprechend angezogen sind. Es musste nicht unbedingt Leder sein, sondern der berühmte Dresscode war irgendwie LLL, Lack, Leder, Latex. Und wir haben irgendwie immer wieder versucht klarzumachen, dass wir eigentlich erwarten, also in den letzten Jahren haben wir das irgendwie ganz klar, dass die Leute irgendwie kenntlich machen, dass sie zu etwas Besonderem gehen. Also die abgeschlurfte Jeans und die ausgelatschten Turnschuhe und das einfache T-Shirt, nö, das ist uns zu lieblos. Weil wir haben das immer noch als besondere Veranstaltung gesehen und dann sollten die Leute dann schon irgendwie sich, also die müssten aber nicht, müssten sich nicht schwarz anziehen. Wir hatten auch schon auf den ersten Partys hatten wir irgendwie ein befreundetes Mädelspaar, wo sie immer, die eine als schwarze Braut und die andere immer als weiße Braut kam. Wir hatten dann auch sehr hübsch eine ältere Frau damals, die irgendwie fast schon 60 war und die kam aus *überlegt* Hannover. Und die sagte irgendwie, ja, sie würde gerne mal zu so einer Party kommen, aber sie hätte kein entsprechendes Outfit und sie hätte eigentlich auch keinen Bock auf ein entsprechendes Outfit. Ob wir sie dann reinlassen würden. Die war irgendwie beim Telefon so süß, dass ich gesagt habe, ja, selbstverständlich. Ja, und dann hatten wir irgendwann an der Tür eine Dame irgendwie mit weißen Haaren und einem roten Strickkleid. Und ich bin die Ingrid. Darf ich rein? Da sag ich, ja klar, komm rein. Und da gab's natürlich Leute, die so, rotes Strickkleid *meckert undeutlich mit verstellter Stimme Genauso wie es Leute gab, also mein Mitredakteur, der hatte eine Husarenuniform. Das ist doch kein Fasching.*meckerige, verstellte Stimme
Sebastian Ja, das ist immer so die Frage, dieses, ich weiß auch nicht genau, warum man dann immer gucken muss, warum sich die Leute davon gestört fühlen können. Aber lasst mich mal was zu der Menge der Leute hören, jetzt habe ich so das Gefühl, also zum Beispiel in Hannover würde ich jetzt behaupten, da gibt es rund 1000 mehr oder minder aktive BDSM-er innen, so, die gibt es da irgendwo, dass die in die Szene kommen ist nochmal eine andere Sache, aber die gibt es erstmal und die können das Angebot nutzen. Wie nischig war das? Kannte man dann noch jeden? Waren das vielleicht hier in Hamburg 100, 200 Leute oder waren es mehr? Einfach, dass ich so ein bisschen, und ich höre auch gleich mit diesem ganzen Rückblick auf, aber das interessiert mich natürlich.
Matthias Also, das Lustige war, wir hatten irgendwie überhaupt keine Peilung, als wir eben halt in diesem denkwürdigen Januarabend, es war immer der erste Freitag im Monat, dann über viele Jahre, in einem Punkrock-Kellerlokal und wir sind völlig vom Sockel gefallen, als wir feststellten, der Laden ist knackevoll, 300 Leute sind da. Wo kommen die her? Warum kennen wir die alle nicht? *Sebastian staunt: Boah. Und ich habe eigentlich in den letzten Jahren aber festgestellt, dass die Erwartungen der Leute sich sehr verändert haben. Also wir haben dann irgendwie, was haben wir genommen, ich glaube 20 Euro Eintritt. Und dann stehen Leute an der Tür und fragen, welche Musik spielt ihr denn? Hallo, ist keine Tanzparty, ist eine SM-Party. Oder was kriegt man denn für die 20 Euro geboten? Gibt's dann auch ein Buffet? Nein. Ich denke, hey, das ist eine Spielparty, ist halt Spielparty angekündigt. Und das ist aber was gewesen, wir haben das über die Jahre festgestellt, dass immer weniger Leute auf dieses Angebot einsteigen. Das ist aber nicht nur ein Phänomen bei unserer Party gewesen, sondern das haben wir auch von anderen Veranstaltern gehört, dass so die SM-Spielparty, wenn sie dann nicht unter einem Motto steht, also wie Nacht der O oder. Closed female, angezogene Frauen, nackte Männer oder so, irgendwie nicht mehr so läuft. Diverse von denen sind eingestellt worden, von diesen Partys. Und ... Wir haben eigentlich immer die Party so gemacht, wie wir gewollt haben, dass die Party ist, wo wir halt auch hingehen würden. So.
Sebastian Ist immer die Frage der Erwartung. Also, die Leute erwarten ... Ich nenn es immer Animation. Ja. Also, Regeln, ne? Da gibt's ja dann den roten Teppich und die Regeln für Subbies und Tops und dann gibt es noch viel drumherum, weil alles andere kann ich offenbar auch zu Hause haben. Ich hab auch so dieses Gefühl, wenn ich eine Party besuchen will, dann wär's schön, ein paar schöne Spiele gehabt zu haben. Das müssen nicht irgendwie abgeschlossene Räume sein, öffentlich ist okay. Aber ich brauch keine Regeln, ich brauch einfach nur jemanden, mit dem ich dann da bin und dann haben wir irgendwie Spaß. Und dann sind da noch ganz viele Leute, die man kennenlernen kann, die man wiedersehen kann, die man treffen kann, mit denen man ein bisschen quatschen kann und denen man hinterher vielleicht noch einen Absacker ertrinkt und man erlebt spannende Sachen. Und mich persönlich stört eigentlich immer so ein Rahmen, der sagt, jetzt haben wir den Tagesordnungspunkt, dann den, dann den. Aber ich hab auch den Eindruck, vielleicht sollte ich mich mal drauf einlassen und das einfach mal ausprobieren, denn offenbar geht da so ein Trend hin. Also es hat, kann man sagen, es hat früher, es hat gereicht zu sagen, hier sind Spielgeräte, hier ist Platz und hier sind die Leute aus der Community, weil die konnte man ja sonst nirgendwo treffen.
Matthias Ja, also ich hab mich gefragt und auch andere Leute, die schon lange in der Szene sind, was irgendwie wohl am meisten eine Rolle spielt. Man muss dazu sagen, so als wir angefangen haben mit den Partys fingen in ganz Deutschland dann auch Partys an und man ist eigentlich permanent am rumreisen gewesen, nicht für 250 Euro Partys, sondern am rumreisen, weil oh, da ist jetzt auch eine Party, da wollen wir auch mal hin und so und was heute anders ist, damals war man hungrig. Heute ist es so, es gibt ein Überangebot an Partys, die irgendwie einen sexuellen Kontext haben. Es gibt viele Leute, die sagen, was soll ich denn irgendwie auf so eine eng gestrickte SM-Party gehen. Auf der Swinger-Party kann ich auch mal ein paar Partner verhauen. Die haben auch immer so Spielräume in den Clubs teilweise und so weiter.
Sebastian Meinst du wirklich, dass das ein Überangebot ist? Ich glaube, es gibt so viele BDSMer, dass wenn die alle weggehen wollen, dass die keine Chance haben, überall einen Platz zu kriegen.
Matthias Das Problem ist, dass die eben keine Hunger haben, deswegen gehen sie nicht immer weg. Das heißt, die sitzen zu Hause und sagen sich, ah ja, morgen ist irgendwie die Respekt-Party, so hieß unsere Party in den letzten Jahren. Ja, hätte ich eigentlich Bock drauf, aber nee, irgendwie, ach, heute, nee. Also irgendwie war ich da schon so eine anstrengende Woche. Nee, gibt's ja in zwei Monaten wieder.
Sebastian Ach so.
Matthias Also es treibt die Leute nicht raus, so nach dem Motto, yeah, Leute treffen, die irgendwie auch so drauf sind wie ich. Weil es irgendwie für viele Leute selbstverständlich ist. Also du hast die Möglichkeit, wenn du willst, dann musst du sie auch nicht unbedingt wahrnehmen. Es reicht ja zu wissen, dass du die Möglichkeit hast.
Sebastian Verstehe, ja. Und die Leute, mit den Leuten in Kontakt zu bleiben, ist auch einfacher. Dafür haben wir soziale Netzwerke, es geht, ne? Okay, hm. Ja, aber das ist ja, ist das schlechter oder ist das einfach eine Weiterentwicklung?
Matthias Ist anders, ist anders. Also ich meine, es gibt viele Leute, die halt sagen, nee, also ich will grad sowieso nicht auf so eine Party gehen, aber ich hab da so einen Freundeskreis und mit dem treffen wir uns regelmäßig. Und bei den einigen Leuten, wo wir uns treffen, die haben irgendwie einen Partykeller. Und bei anderen Leuten, wo wir uns treffen, da machen wir das immer so, dass wir irgendwie eine SM-Location mieten. So SM-Apartment mäßig. Oder was auch immer. Oder ich mag's sowieso nicht, wenn mir andere zugucken. Ich mag die Distanzlosigkeit von manchen Leuten nicht. Also, wir hatten bei uns im Spielkeller ... War so die Spielregel, dass ab 1 Uhr durften nur noch Paare runter und die direkt von ihnen als Freunde bezeichneten Leute. Also der Soloherr, der dann irgendwie lieblos zwischen seinen Beinen rumfummelt, während er irgendeine Session beobachtet, der war bei uns nicht erwünscht. Wir hatten auch eigentlich immer irgendwie Security in dem Bereich, die erkennbar war. Also nicht irgendjemand, der rumgeschlichen hat und geguckt hat, dass alles in Ordnung ist, sondern Leute, die ein Namensschild hatten und zum Team gehörten. Wir hatten im Spielkeller eigentlich ... Lange Jahre war das meine Frau, später war's dann meine Partnerin. Ähm, weil Andrea hatte dann nicht mehr so viel Nerv drauf. Jemand, der eigentlich mehr oder weniger dauerhaft unten im Spielkeller den Dungeonkeeper machte. Und auch darauf achtete, dass irgendwie ... Die Leute korrekt miteinander umgehen. Also, dass es nicht toll ist, wenn du gerade in einer intensiven Session bist und neben dir steht irgendwie, ja, hast du schon mitgekriegt, diese Veränderung im Gebrauchtwagenmarkt? Also, ich bin da ja neulich am überlegen, ne? *Sebastian lacht. So.
Sebastian Dann sitzt da dieser festliche Rahmen, sag ich mal, ne?
Matthias Ja, also ich weiß halt so, ich bin auch verdorben, weil wie gesagt, das ist ein abgeranzter Laden gewesen, die Klos waren irgendwie spätestens nach einer Stunde überschwemmt, weil das alles irgendwie sehr wackelig war, was dieser Laden hatte. Das Putzlicht sollte man auch nicht anmachen, aber es hatte Atmosphäre und ich bin in dieser Atmosphäre aufgewachsen. Wir haben dann später eine andere Location gehabt, die Prinzenbar, und die Prinzenbar ist ein ehemaliges Kinofoyer, wo in den Zeiten, als der große Raum Kino für die Allgemeinheit war, war dieses Foyer irgendwie für die etwas feineren Herrschaften. Da gab es dann ein Kristalllüster unter der Decke und so. Und das war eines der allerersten Kinos in Deutschland. Und da, wo wir die ersten Partys gemacht haben, das ist ein Teil eines Bunkers gewesen, der damals im Krieg, also für St. Pauli gebaut wurde.
Sebastian Das hat immerhin den Charme, dass in dem Bunker der Deckenhaken auch hält. Richtig. Und zwar ganz sicher. Ich habe momentan, sehe ich, gerade bei Twitter sehe ich, dass ganz viel da ist. Und wir haben so eine Diskussion, oh, du hast ja BDSM entdeckt, wunderbar, jetzt musst du erst mal ganz viel Theorie pauken und dann, wenn es dann losgeht, muss man auch ganz viel Konsens schaffen. Und sonst kann man ja nicht vernünftig BDSM betreiben. Und da bin ich immer nicht so sicher. Auf der einen Seite, es ist natürlich vernünftig, erst mal ein bisschen zu kapieren, dass ich natürlich nicht mit dem Rohrstock auf die Nieren rumhau. Also es ist klar, dass die Leute das erstmal lernen müssen. Aber ich hab das Gefühl, das ging ja vorher auch ohne. Also woran liegt das, dass wir momentan so ein bisschen in der Community, zumindest nehme ich das jetzt im Moment so wahr, dieses wir brauchen Wissen, damit wir sicheres BDSM machen können. Haben wir früher so viel Mist gebaut einfach und das war halt so und versuchen das jetzt besser zu machen oder ist das so eine Art, wie soll ich das sagen, Bürokratisierung von BDSM?
Matthias Also, du wirst lachen. Es gab irgendwie sehr früh, als es die ersten Newsgroups gab, eine sehr große Newsgroup, die hieß alt-Sex-Bondage. Das war die SM-Newsgroup. Und die bestand zum großen Teil auch aus Sicherheitshinweisen. Weil es sehr früh den Leuten klar war, man kann relativ schnell richtig Scheiße bauen. Die Leute, habe ich eher so das Gefühl, sagen, ja, was soll ich mich denn irgendwie, das sagt mir doch mein normaler Menschenverstand, was geht und was nicht geht. Und dann spricht man irgendwie mit einem Arzt, der relativ häufig Leute aus der SM-Szene behandelt, weil er in der SM-Szene bekannt ist, ein Berliner Arzt, und der dann so aufzählt, ja, also in den letzten drei Jahren hatte ich so und so viel irgendwie geplatzte Trommelfell von Ohrfeigen. Ich hatte das, ich hatte das. Irgendwie ein unkontrollierter Schlag mit der Hand. Irgendwie Jochbeinbruch und so weiter und so weiter und so weiter. Und da denke ich mir, Ja ne, das scheint ja nicht zu klappen mit dem gesunden Menschenverstand. Also ich meine, ich, seit ich, also dazu muss man vielleicht sagen, wenn man meine Berufskarriere anguckt, Ein erster Beruf ist Krankenpfleger gewesen, ein zweiter Beruf ist Sozialarbeiter gewesen. Und das Wissen um Anatomie und auf welche Sachen man achten muss und nicht und das Wissen um Kommunikation und worauf man irgendwie emotional reagieren muss und wie man damit umgeht, das ist der Sozialarbeiter. Und wenn du dir das SM-Handbuch anguckst oder andere Bücher, die ich geschrieben habe, da tauchen diese beiden Teile auf, weil das war mir schon immer wichtig.
Sebastian Ja, die sind gespickt mit allem möglichen. Also ich glaube im SM-Handbuch war das auch, wo man dann wirklich mal so eine Silhouette sieht, wo dann mal eingezeichnet ist, da kann es einen hauen, da eher nicht. Und ja, es ist eigentlich eine ganz simple Logik, dass man das irgendwie mal aufschreiben muss. Gab es vor dem SM-Handbuch, gab es sowas schon davor?
Matthias Es gab irgendwie, natürlich die amerikanische SM-Szene ist immer schon etwas weiter als wir gewesen. Das heißt, es gab irgendwie mehrere gute englischsprachige Bücher und als ich das SM-Handbuch geschrieben habe, habe ich natürlich auf alt-Sex-Bondage-Newsgroup Infos zurückgegriffen. Ich habe irgendwie zurückgegriffen auf Bücher aus der Zeit, die es gab. Wunderschöner Titel von dem einen Buch. Screw the Roses, Send Me the Sorms. Es gab irgendwie halt relativ früh schon Handbücher aus der Schwulen- und auch aus der Lesbenszene in den USA. Die auch so quasi so sagten, da muss man aufpassen, da muss man aufpassen usw. Und das ist halt dann so was gewesen, was ich zusätzlich zu meinem Wissen, was ich sowieso irgendwie über medizinische Zusammenhänge habe, mit halt reingenommen habe.
Sebastian Warum hast du es geschrieben?
Matthias Weil ich das Gefühl hatte, dass ich auf den Partys Sachen gesehen habe, wo ich gedacht habe, ey Leute, ist irgendwie nicht so cool. Fängt bei so banalen Geschichten an. Meine Partnerin Nicole erzählt immer gerne die Geschichten, als sie irgendwie Dungeonkeeper war unten auf der Party. Sie sieht, wie ein Typ irgendwie mit einem relativ schweren, ledernen Schlaginstrument einer Frau immer auf die Nieren haut und sagt dann zu dem Typen irgendwie, ey, du haust ja immer auf die Nieren, das ist nicht cool. Wieso? Ich hau ja doch nicht auf die Nieren. Und dann stellt er sich halt raus, der hat anatomisch überhaupt keine Peilung gehabt, der hat die Nieren an einer ganz anderen Stelle verortet. Und das ist eben halt das Problem, dass viele Leute nicht genau wissen, wo was ist, worauf man achten muss. Ich vermute mal, dass du auch nicht den Begriff Karotis-Sinus-Reflex kennst.
Sebastian Bitte was?
Matthias Es gibt irgendwie halt unter anderem bei den Halsschlagadern gibt es irgendwie einen Nervenpunkt, also einen Knoten, Nervenknoten und dieser Nervenknoten hat letzten Endes den Job, den Blutdruck zu messen und zur Not zu sagen, okay, wir regeln den Blutdruck jetzt runter, weil er zu hoch geht. Wir regeln den Blutdruck rauf, weil er.... Typischer Fall ist irgendwie, du drückst jemand die Halsschlagader ab, dann versteht der Nervenpunkt, ups, der Blutdruck geht hoch, ich muss runtergehen. Hast du eine Person, die irgendwie sowieso schon mal nicht so einen hohen Blutdruck hat und der du diesen ganzen Druck mit einem Seil um den Hals, das du oben festgemacht hast, heißt, dann hast du irgendwie eine ohnmächtige Person, die irgendwie an ihrem Hals hängt, so.
Sebastian Ja, ich überlege gerade, aber ich will ja eigentlich, wenn ich was am Hals mache, dann will ich ja diesen Punkt, ich sag mal, toschieren. Genau. In einem sicheren Rahmen, aber nicht versehentlich.
Matthias Ja, na, das ist ja an sich auch nicht wirklich ein Problem, wenn du halt weißt, was passieren kann und du die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen hast. Also wenn du irgendwie meinst, du müsstest unbedingt das mit einem stehenden Partner oder stehenden Partnerin machen, dann solltest du dafür Sorge machen, dass sie dir nicht irgendwie in das Seil, was du hier hast, reinfallen kann. Es ist auch sehr viel schlauer, das Ganze irgendwie in einer Situation zu machen auf einem Bett, wo wenn die Person dann ohnmächtig wird, dann irgendwie weich fällt.
Sebastian Ja, das muss man wirklich erstmal aufschreiben, weil ganz ehrlich, wo soll ich das auch sonst herkriegen? Im Lexikon wird es nicht stehen. Wie viele Auflagen gibt es von dem Buch inzwischen?
Matthias Frag mich nicht. Weiß ich nicht. Also wir haben irgendwie witzigerweise, witzigerweise haben wir inzwischen eine Gesamtauflage von dem SM-Handbuch von über 80.000, und vom Bondage-Handbuch auch über 80.000. *Sebastian staunt: Wow. Dazu muss man sagen, das SM-Handbuch ist von 1996 und das Bonnish-Handbuch ist glaube ich von 1999.
Sebastian Okay, meine Frage ist die, da sind ja Veränderungen drin, kam immer nur was dazu oder hast du auch mal festgestellt, das muss ich in der nächsten Auflage ändern, weil das stimmt so nicht, also oder gab's Dinge, die du vielleicht an Praktiken, die du erwähnst, ganz rausnimmst, weil ist eh zu gefährlich oder?
Matthias Ich meine, ich mache ganz bewusst keine Workshops, bin diverse Male angefragt worden, keine Workshops zum Thema Atemreduktion und Strangulationsgeschichten und so weiter, weil ich finde, die Sachen sind sehr gefährlich und die funktionieren eigentlich nur halbwegs sicher, wenn du halt eine Person hast, die du sehr gut kennst, wo du die Reaktionen sehr genau einschätzen kannst und nicht auf diese dumme Sache reinfällst, die viele dieser Leute, die auf sowas stehen haben, dieses weitermachen, weitermachen, weitermachen. Sondern dass du so viel Ahnung und Wissen hast, dass du ihm dann nicht weitermachst.
Sebastian Ist das nicht mehr Teil im Buch dann? Oder war es nie Teil?
Matthias A3 Das war nie Teil im Buch, das hab ich ganz bewusst... Also es taucht irgendwie im SM Handbuch Spezial auf. Da gibt es einen sehr sachlichen Artikel mit Infos zum Thema Würgespiele von der inzwischen schwierig zu findenden Seite Datenschlag. Die halt alles mögliche an Recherchen gemacht hat, unter anderem auch mal eine größere Online-Befragung in den 90er-Jahren. Und das dann verglichen hat mit irgendwie ähnlichen Befragungen, die irgendwie im normalen Feld-, Wald- und Wiesenzusammenhang gestellt wurden. Und das einzige, was rausgekommen ist, ist letzten Endes der Unterschied zwischen SM'ern und Nicht-SM'ern ist, dass die ein bisschen mehr Einfühlungsvermögen haben.
Sebastian Das höre ich ja immer wieder gern. Das höre ich ja gern zu dieser Gruppe.
Matthias Gut, du hast mich ja gefragt, ob ich irgendwas im Laufe der Jahre verändert habe.
Sebastian Genau. Oder sogar gestrichen, ne?
Matthias Ich habe irgendwie halt beim Bondage Handbuch diverse Sachen verändert. Das sieht also schon relativ anders aus als die erste Auflage. Weil einige Sachen haben sich als sinnvoller erwiesen, fesseltechnisch, als andere. Und sind dann einfach nicht mehr der Stand der aktuellen Forschung, wenn man so will. Nachdem ich das beim Bondage Handbuch gemacht habe, habe ich gedacht, mein Gott, dieses uralte SM Handbuch, das guckst du dir jetzt mal an und siehst das mal so durch und guckst, ob du da irgendwie was ändern musst. Dann habe ich halt festgestellt, dass das, was ich da 1996 geschrieben habe, immer noch hochaktuell ist, mir ist aufgefallen, es hat keiner bemerkt, dass ich zwar irgendwie über weibliche Brüste und männliche Schwänze geschrieben habe, aber nicht über die Möse. Dieses Kapitel habe ich dazu geführt, einiges habe ich noch ein bisschen ausführlicher beschrieben, aber ansonsten ist das Buch nicht viel anders als vorher. Das einzige, was anders ist, die Bilder sind nicht scheiße so 90er, wie die Leute in den Amazon-Kritiken immer gerne geschrieben haben, sondern die sind eben halt dann aktuell.
Sebastian Wird das vielleicht nochmal umbenannt in das BDSM-Handbuch?
Matthias Nein, ganz sicher nicht.
Sebastian Ganz sicher nicht.
Matthias
Sebastian Okay, aber warum nicht? Also bei SM ist als Begriff ja irgendwie gefühlt verschwunden.
Matthias Nee, nicht bei uns. Also ich bin mit dem Wort SM groß geworden und finde das auch nach wie vor gut, weil das, was wir damals unter SM verstanden haben, war immer der große Schirm, unter den irgendwie alles passt, was irgendwie nicht so recht in das Normschema passt. Da gehörten die Kleppermäntel-Fans dazu, da gehörten irgendwie, gab es auch bei uns in der Redaktion einen, da gehörten die Gummi-Leute dazu, ich rede jetzt nicht von den Fetisch-Outfit-Leuten, die ja eher das aus Modegründen tragen, sondern ich rede jetzt also von den Leuten, für die das echt der Fetisch war. Da gehörten für uns auch die Adult-Babys dazu, da gehörte eigentlich alles dazu, was ... Wir haben das als großen Schirm gesehen, und ich sehe das nach wie vor als großen Schirm. Und man kann natürlich irgendwie sagen, ja, aber dieser große Schirm, der benennt mich nicht richtig. Ja, kann man machen, aber ich sehe für mich nicht wirklich einen Anlass. Ich benutze zwar häufig inzwischen das Wort BDSM, weil im Rahmen des ganzen Medien-Hypes habe ich mühselig versucht, den Medien, mit denen ich zu tun hatte, die korrekte Bezeichnung mit der korrekten Erklärung nahezubringen, inklusive der Sachen wie SSC, also Safe, Sane, Consensual oder Risk, Aware, Consensual, King. Das hat auch ganz gut geklappt. Also es haben immer mehr Medien dann, wenn sie das... Darüber schreiben und nicht gerade mal wieder bestimmte Medien, es gibt es immer noch den sadistischen Lustmörder, der natürlich mit Sadismus in unserem Sinne nichts zu tun hat, aber das wird gerne dann vermixt. Für mich funktioniert dieser Begriff immer noch.
Sebastian Das ist immer die Frage, wen meine ich, wenn ich einfach alle meine, wobei mir wird immer schwindelig, wenn dann irgendein Magazin schreibt Sado Maso, dann weiß ich schon in etwa, was der Redakteur sich dabei gedacht hat. Ich hab ja hin und wieder jetzt auch mal gelegentlich so Anfragen, so das Medien irgendwie sagen, ach komm mal zu uns im Podcast, das mach ich natürlich immer gerne, wobei es fällt mir immer sehr schwer das runterzubrechen auf, das muss ja von der Masse auch verstanden werden, das ist wirklich schwierig. Aber wie sind denn in den letzten 30 Jahren Medien mit dir umgegangen? Was wollten die überhaupt wissen? Wollen die immer dasselbe wissen und du kotzt langsam? Und wie viel Vorwissen bringen sie auch mit rein? Also wie gehen Medien mit SMern um oder wie gehen sie mit dir um?
Matthias Also es ist sehr spannend. Es gibt Leute, die in Interviews oder Filmchen mit einer guten Vorrecherche reingehen. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist ein Interview der Süddeutschen Zeitung mit mir, was bei mir immer noch auf der Webseite, also der Bondage Webseite, zu finden ist. Die Frau hatte wirklich sich vorher ernsthaft mit dem Thema auseinandergesetzt und hatte dann auch dementsprechende Fragen gestellt. Und es gibt eben halt Medien, die irgendwie irgendwo gehört haben, dass dieser Matthias Grimme was zu erzählen hat und wo ich als allererstes sagen muss, damit du ungefähr eine Idee hast, was ich bin, geh mal auf Wikipedia, damit du so ein bisschen was weißt. Also die überhaupt keinerlei Vorrecherche gemacht haben. Es gibt halt Medien, ich hatte irgendwie mit dem Stern mal ein Interview zu bestimmten Sachen aus dem SM-Bereich und sagte dann, also ich halte es für sinnvoll, dass du mir das, was du dann aus diesem Gespräch mit mir halt rausgezogen hast, dass du mir das zur Sicherheit nochmal zu lesen gibst, damit ich sagen kann, da hast du da was falsch verstanden oder so. Daraufhin sagte der Redakteur vom Stern, es gibt da die journalistische Freiheit, das brauche ich nicht.
Sebastian Ja, die Freiheit Quatsch zu erzählen, ne?
Matthias Da war ich dann doch etwas irritiert, als eine Woche später kriegte ich irgendwie von diesem Redakteur eine Mail, wo dieser Artikel irgendwie war und ich solle doch bitte mal drüber gucken.*lacht
Sebastian Okay, aber wie positiv geht man da ran? Also ich hab immer Angst, das ist so Richtung, oh die perversen und jetzt zeigen wir sie, dass es in die Richtung geht oder wollen Medien inzwischen aufklären und sagen hallo Leute das ist entspannt das könnt ihr machen hier ist mal jemand der hat Erfahrung, lasst euch sagen das ist okay. Also ist das so der Tenor oder geht es immer noch in die Schlagzeilenrichtung?
Matthias Also, es geht doch häufiger in den letzten Jahren eben halt darum irgendwie, dass man mich als, oder Leute, es gibt ja noch andere Fachleute, die irgendwie angesprochen werden von Medien, dass man die als Fachleute haben will und nicht, um sie in irgendeiner Form zu verheizen und bloßzustellen. Also, sogar die Bild-Zeitung hat es immer wieder geschafft, Leute aus der Szene irgendwie halt als Fachleute vorzustellen und nicht irgendwie, hä, ist der perverse oder so. Also das ist schon auch eine Entwicklung. Das heißt natürlich nicht, wenn die Bild-Zeitung mal irgendwie positiv über SM berichtet, dass sie nicht morgen irgendwie auch wieder irgendwie anders berichtet. Das ist ja egal. Jedenfalls, also die Bereitschaft, sich irgendwie etwas, ich sag mal, weniger effektheischend mit dem Thema SM auseinanderzusetzen, ist deutlich gestiegen in den letzten Jahren. Es gab ja irgendwie Anfang der 90er Jahre, es gab es ja einen Sterntitel, großes Trara. Irgendwie das erste Mal in einem breiten Publikumsorgan eine Frau auf dem Titel, die sagt, ich bin Masochistin.*Sebastian:Super!
Sebastian Riesenaufschrei.
Matthias
Sebastian Von wem?
Matthias Ja unter anderem von Alice Schwarzan, ne?
Sebastian Ja, okay.
Matthias Gut, aber die ist ja nicht neutral.
Sebastian
Matthias Auch von diversen anderen Leuten. Die Frau hat dann auch irgendwie mehrere Bücher zu dem Thema geschrieben, die irgendwie ganz gut gelaufen sind. Wenn man irgendwie in der Geschichte graben will, kann ich nur sagen Sina Aline Geissler.
Sebastian Die war's, genau richtig. Von der hab ich sogar ein Buch bei mir liegen.
Matthias Siehst du?
Sebastian Noch mal das zweimal das Buch jetzt, weil das hat mir jemand geschickt mit dem Auftrag, ich möge sie finden und mit ihr mal eine Folge aufnehmen. Ich finde sie nicht.
Matthias Nee, ich auch nicht. Wir hatten eine Zeit lang Draht miteinander irgendwie. Ich habe mich mit ihr auch mal so getroffen. Sie hat uns bei den Schlachtzeilen auch mehrmals besucht. Und wen man heutzutage auch gar nicht mehr findet, ist Heidemarie Emmermann, die auch ziemlich durch die Presse ging, weil die war irgendwie eine Theologin, die als Domina in der Herbertstraße gearbeitet hat.
Sebastian Ja, natürlich geht das durch die Presse.
Matthias Das war natürlich, wow, ne? Eine ziemlich kluge, eigentlich ganz witzige Frau. Ich meine, die, unsere Gesellschaft ist über Jahre an vielen Ecken liberaler geworden. Was ich aber jetzt feststelle in den letzten Jahren, ist, es wird schon wieder einiges zurückgedreht. Und ich kann mir gut vorstellen, wenn das so weitergeht, Das sind auch wieder irgendwie die Perversen als...
Sebastian Wir sehen es ja selbst in Europa jetzt, dass das langsam überschwappt. Es fängt immer an mit dem Jugendschutz. Man muss die Jugend vor Sexualität und vor allem vor anderer Sexualität unbedingt beschützen um jeden Preis. Ich weiß auch nicht genau, wie man sich dagegen stemmen kann. So ein neuer Konservatismus scheint irgendwie gerade zu entstehen. Und ich habe wirklich keine Ahnung, was man da machen soll. Boah, vielleicht ist es auch so ein Generationenwechsel, ne? *Matthias: Ich glaube nicht.
Matthias Nein, nein, nein. Das hat natürlich was damit zu tun, dass bestimmte Kräfte, also in den USA sieht man das sehr klar, jetzt diese veränderten Gesetzeslagen für Schwangerschaftsabbruch... Und dieses höchste Gericht dort in den USA ja auch mal ungefragt noch ein paar andere Sachen gekippt hat.
Sebastian Ja das ist gerade eine Woche her jetzt, gerade top aktuell für Menschen, die das jetzt in ein paar Jahren hören. Wir sind gerade, verdauen das gerade noch.
Matthias Und ich meine, wenn du dir jetzt, brauchst du gar nicht so weit zu gucken, wir grenzen an das Land, Polen, da müssen die Schwulen, wenn sie irgendwie CSD machen, aufpassen, dass sie nicht auf die Fresse kriegen von christlichen Polen, weil diese ganze christlich-konservative Schiene, die hat in bestimmten Teilen dieser Welt relativ viel Macht, immer noch. In der Türkei braucht es irgendwie gar nicht irgendwie die religiösen Rechte, sondern da reicht es schon, dass die Polizei das Scheiße findet und dann gibt es in der Türkei irgendwie entweder ein Verbot und wer doch auf die Straße geht, wird zusammengeknüppelt. Also CSD in der Türkei, ne? Nächster Punkt.
Sebastian Ja.
Matthias Ich habe immer so geguckt, was passiert in der Schwulenszene, wie sind die Rechte der Schwulen, welche Möglichkeiten haben sie, was hat sich verändert? Und da habe ich immer über viele Jahre gesagt, naja, die SM-Szene hängt irgendwie immer fünf Jahre hinterher.
Sebastian Ich würde sagen 20.
Matthias 5 Jahre hinterher.
Sebastian Okay.
Matthias Und das heißt, man kann sich jetzt angucken, wenn jetzt irgendwie halt, das gibt diese Tendenz ja schon länger, dieses, wir wollen gar nicht mehr auffällig sein als SMer, wir wollen eigentlich, ich sag mal, the 50s back. Es gibt ja ganz viele irgendwie Leute, die irgendwie ihr SM runterbrechen auf irgendwie, wir machen jetzt die Geschlechterrolle wie irgendwie in den 50er Jahren.
Sebastian Das ist ja ein eigener Kink offenbar, ne?
Matthias Für einige Leute ja.
Sebastian Oder ist es eben ungewollt. Wobei ich habe das Gefühl, auf dem Land ist das noch ganz viel so. Ja, das ist ja sowieso. Das merkt man, wenn man Kinder in der Grundschule hat, dann fragt man sich auch bei jedem Elternabend um Gottes Willen, wo sind die letzten 70 Jahre Emanzipation eigentlich hin. Boah, oh Gott. Pass auf, wir schweifen total ab.
Matthias Ja, also ich wollte nur sagen, also was mir wichtig ist, ist zu sagen, dass man schon heutzutage sehr achtsam sein muss, dass wir nicht über kurz oder lang auch Stress kriegen.
Sebastian Ja, also die Frage, je normaler BDSM wird, desto weniger auffällig es ist, desto weniger ist es ja auch medial sichtbar und je weniger sichtbar ist, desto schneller ist es wieder pervers. Oh Gott, also normal zu sein, also im Strom der Gesellschaft mitzuschwimmen und zu sagen BDSM ist was völlig normales, ist vielleicht da auch eher eine Gefahr.
Matthias Auf eine Art schon, ja.
Sebastian Fürchterlich. Na gut, dann mach ich halt weiter Podcast. Aber sag mal, die ganzen Medienmenschen, gibt's was, was die alle immer wissen wollen, immer wieder? Und wie erklärst du dem BDSM oder SM?
Matthias Die Frage immer, und was halten Sie oder Du, je nachdem, von Shades of Grey? Das war so eine Frage, wo ich irgendwie innerlich gleich irgendwie jedes Mal gedacht habe, boah.
Sebastian Soll ich dich das jetzt fragen?
Matthias Nee, macht es lieber nicht. Also, und ich, meine Antwort dazu war eigentlich immer, ich, das Buch hat nicht wirklich was mit SM zu tun. Es behandelt keine irgendwie vernünftige Beziehungsform. Es hat aber einen Vorteil, die Leute reden über dieses Buch und in dem Moment, wo sie darüber reden, reden sie auch über eigene sexuelle Fantasien. Und da die Menschen sowieso viel zu wenig miteinander reden, ist es immerhin ein Schritt. Ich meine, ich bewege mich ja nur lange in allen möglichen Bereichen, die was mit SM zu tun hören und wenn ich dann so lustige Geschichten höre, dass ein Paar sieben Jahre verheiratet ist, schlechten Sex hat, sich überlegt scheiden zu lassen und dann irgendwie nach sieben Jahren sagt sie dann zu ihm, weißt du, vor der Beziehung mit dir, war ich mit so einem Typen zusammen, so mit Hauen und Fesseln, das war ziemlich cool und ihm alles aus dem Gesicht fällt und er sagt, ja, war ich auch in so einer Beziehung. Dann denke ich mir, zum Glück haben sie jetzt nicht sich gegenseitig vorgeworfen, dass sie sieben Jahre irgendwie damit nicht rausgekommen sind, sondern haben gesagt, okay, dann müssen wir jetzt Gas geben. Und solche Sachen sind eben halt ganz viel. Die Leute reden nicht miteinander. Und auch die Leute, die irgendwie halt, ich meine, ich habe ja nun über Jahrzehnte irgendwie Telefonberatung gemacht, Wird ja kaum noch genutzt, weil die Leute lieber irgendwie ihre Fragen im Netz stellen und dann sich das raussuchen, was ihnen passt, weil da kriegen sie dann 20 verschiedene Antworten, von denen mindestens 18 kompletter Unsinn sind.
Sebastian Ja gut, aber das können sie ja dann nicht beurteilen, das ist doch super, man sucht sich raus, was passt oder?
Matthias Ja, das ist fein. Genau, super. Jedenfalls ist immer die Frage, ich hab festgestellt, ich stehe auf das, was so unter dem Begriff BDSM halt interessant ist und ich hab da so einen Partner oder eine Partnerin, die liebe ich und ich möchte die Beziehung nicht gefährden. Wie gehe ich damit um? Und meine Sache war, du hast eigentlich letzten Endes drei Möglichkeiten. Die erste Möglichkeit ist irgendwie, das alles für dich immer versteckt zu halten. Dann wirst du in deinem Inneren langsam immer pissiger auf deinen Partner. Dann hast du irgendwann, wirst dem Gegenüber aggressiv. Und der kann auch nicht mal was dafür, weil du nicht in der Lage warst, darüber zu reden, dass du permanent ein Bedürfnis in dieser Beziehung unterdrückst, was du hast. Die andere Möglichkeit ist zu sagen, ich sage das meinem Partner. Dann gibt es bei dem auch verschiedene Möglichkeiten. Nämlich, dass der sagt, geil, ich auch. Oder dass der sagt, das ist ja völlig krank, ich lasse mich von dir scheiden. Oder, dass der sagt, ja sorry, aber das kann ich dir nicht bieten, such dir irgendwie jemanden, mit dem du das erleben kannst.
Sebastian Ja, das ist ja immer dieser Punkt. Ich glaube, was man wirklich falsch machen kann, ist, wenn man sich dann erstmal über fünf oder zehn Jahre Fantasien und Wissen herangeschafft hat, und dann fängt man an, an einem Abend dem Gegenüber all das zu präsentieren und dann zu sagen, ja oder nein. Ja das ist natürlich, also dieses Fingerspitzengefühl muss schon sein. Ich meine, dass die Quote der Menschen, die dann am Ende besser fahren, wenn sie sagen hier Partner, Person, so und so, können wir da mal was probieren oder das finde ich interessant, allein schon dieses, das finde ich interessant, man kann ja eigentlich nur gewinnen, weil im schlimmsten Fall weiß man wenigstens woran man ist und hat nicht diese Hoffnung, die nie zufällig irgendwie erfüllt wird. Ich finde auch das ist ja schon eine Erkenntnis, aber das ist so ein ewiges Thema und ich habe eine Folge gemacht zum Thema, wenn das nicht gelebt werden kann. Weil Partner, weil Gesundheit, weil dies, weil das, weil jenes. Das ist mit die Folge, die am meisten gehört wird. Scheint also wirklich einfach unfassbaren Bedarf zu sein. Also sie kommt gleich nach der Folge, die betitelt ist mit Femdom. *lacht Natürlich. Aber man merkt, es gibt viele Menschen, die sagen, ich sehe da keinen Ausweg. Es geht halt nicht, es ist ja nur meine Sexualität. Das finde ich halt schwierig, weil ich setze das einfach höherwertiger an, also mir persönlich ist es wichtiger. Auf der anderen Seite, man kann ja auch niemandem verbieten, unglücklich zu sein.
Matthias Ja, ja, ja, also meine Leute setzen ja sehr viel Energie da rein, irgendwie unglücklich zu sein. Also ich denke halt, dass es wichtig ist, miteinander zu quatschen und das gilt natürlich nicht nur für den gesamten SM-Bereich, sondern das gilt natürlich irgendwie ganz allgemein in Beziehungen. Es gibt einen sehr bekannten Sexologen in Deutschland, Volkmar Sigusch, der vor einigen Jahren ein Buch geschrieben hat, wo er genau dasselbe gesagt hatte, was ich irgendwie im Jahr vorher in einem Artikel gebracht habe, nämlich irgendwie, wir leben auch nach der dritten sexuellen Revolution in Deutschland immer noch in einem Land, wo guter Sex Mangelware ist. Weil die Leute nicht reden miteinander. Wenn man sich fragt, irgendwie, es gab vor einigen Jahren eine Untersuchung, welches Land irgendwie halt ganz vorne ist bei der Sex ist gut, der gefällt uns, dann ist es, ich lasse dich jetzt nicht raten, ich sag's dir einfach, Kuba.
Sebastian Warum Kuba?
Matthias Weil die kubanischen Frauen irgendwie sagen, was sie wollen. Und die Männer mit an die Brust nehmen und den Männern irgendwie sagen, okay, jetzt will ich von dir auch wissen, was du willst.
Sebastian Ich hatte eh schon immer den Eindruck, dass der Kommunismus besseren Sex produziert. Weil weniger Religion, weniger du darfst nicht, also weniger Moral. Sebastian fragt: Geht's vielleicht daran? Weiß ich nicht genau. Okay.
Matthias Also ich hab das nur gehört, ich kann das nicht beurteilen, ich kenne nicht wirklich wissentlich irgendwelche Kubanerinnen und Kubaner, aber es bringt es eigentlich auf den Punkt. Ich meine, ganz banal gefragt, wenn du einen Mann fragst, wann hast du das letzte Mal deiner Partnerin gesagt, wie du jetzt gerne heute deinen Schwanz angefasst haben möchtest, dann wird der sagen, äh, weiß ich nicht, weiß ich nicht, ich glaube, ich habe das noch nie gemacht. Wenn du eine Frau, eine exbliebige Frau fragst und sagst, wann hast du deinem Partner gesagt oder deiner Partnerin gesagt, wie du gerne möchtest, dass deine Klitoris und deine Brustwarzen berührt werden sollen oder eben nicht berührt werden sollen.
Sebastian Ja gut, aber das ist ja ein Punkt, da haben wir jetzt ein Riesenvorteil. Das Publikum ist ja BDSM-affin. Das heißt, ich gehe davon aus, die quatschen schon alle eine ganze Menge drüber. Die wollen ja auch Spaß haben und das funktioniert halt nicht, wenn ich nicht sage, wie es geht. Ich bin ja selber ein sehr komplizierter Mensch und das Podcastsubbie, so wie ich die Frau ja hier liebevoll nenne, ganz ehrlich, die hat es schon schwer mit mir und ich bin ein komplizierter Mensch, aber sie macht das sehr, sehr gut. So, ich muss sie auch gelegentlich mal loben.*lacht
Matthias Aber das bringt mich noch zu einer wichtigen Sache, also auf jeden Fall möchte ich gerne noch was reinbringen, was man gerne... Nicht wirklich bedenkt. Punkt eins ist, es heißt ja in safe, sane, consensual, also einvernehmlich. Und Einvernehmlichkeit ist ja das Stichwort immer wieder, wenn man SM betreibt. Und es gibt halt die einfache Form der Einvernehmlichkeit. Ich frag dich, ob ich dich hier unter die Decke hängen kann. Und die informierte Einvernehmlichkeit, ich halte dir einen kurzen Vortrag darüber, was passieren kann, wenn ich dich unter die Decke hänge und frag dich dann. Und letzten Endes ist es so, dass wir juristisch beim Fesseln zum Beispiel, Freiheitsberaubung, oder beim, wir verhauen unseren Partner mit einem Rohrstock oder ähnlichen Schlagwerkzeug, gefährliche Körperverletzung, Das sind Offizialdelikte und jeder weiß eigentlich, dass die informierte Einvernehmlichkeit nur dann gewährleistet ist, wenn einem der Arzt vorher diesen Zettel hinlegt und sagt, hier sind so, da nehmen wirklich, liest das mal durch, wenn du irgendwie Fragen hast, kannst du Fragen stellen. Der Piercer einem so einen Zettel hinlegt und sagt, liest dir das mal durch, wenn du Fragen hast, ne, ne, ne und Tätowierer genauso und so weiter. Das heißt, es ist Voraussetzung für die korrekte Form der Einvernehmlichkeit immer, dass du informiert bist. Sonst ist es lala. Wenn du jetzt, wenn ich dich jetzt fragen würde, irgendwie du sagst, ja, häng mich mal hin, Dann würde ich sagen, ne, mache ich nicht, weil du weißt ja gar nicht, was du dich einlässt. Das ist der eine Punkt, der mir wichtig ist, dass man den immer wieder erwähnt. Und der zweite Punkt ist, ich habe vor einiger Zeit mal in einem amerikanischen Artikel gelesen, Einvernehmlichkeit ist nicht genug. Und ich dachte, was will der Artikel sagen? Der Artikel sagte dann etwas, was für mich völlig selbstverständlich ist, aber scheinbar erwähnt werden muss. Eine Session ist nur gut, wenn beide sich hinterher gut fühlen und nicht, Wenn einer sich nicht geliebt fühlt oder scheiße oder nicht gesehen fühlt oder weiß der Geier, dann kann die Session noch so kunstvoll und noch so fantasievoll sein, dann ist die Session letzten Endes… *Sebastian fragt: Aber wer ist denn dafür verantwortlich? Beide. Immer beide.
Sebastian Das ist glaube ich die Sache. Ich habe hier tatsächlich so einen Punkt, den habe ich so in Klammern gesetzt, der nennt sich Systemvoraussetzung BDSM. Ich hab manchmal das Gefühl, dass da noch dieses alte Paradigma, top oder aktive Person, ist verantwortlich. Und ich genieße das ja auch, dieses, ich bin verantwortlich, ich habe die Situation unter Kontrolle und genieße natürlich diesen Machtrausch. Auf der anderen Seite habe ich aber auch schon mehrmals gehabt, dass ich gegen eine Wand rennen würde oder von einer Klippe fallen würde, wenn nicht mein Gegenüber dann auch kommunizieren würde und da wäre. Ich finde das immer sehr schwierig, weil als Top hat man im Moment diesen... Diese Consent-Religion. Du musst den Consent herstellen. Informierten Consent, das hast du sehr schön ausgedrückt. Und da gibt's momentan die Bestrebung, immer wieder auch während der Session zu fragen, ist das jetzt okay, ist das jetzt okay, kann ich jetzt das machen und jetzt das. Und da hab ich das Problem, dass ich sage, das ist zwar sehr informiert und sehr viel Consent, aber diese ganze, ich sag mal, geile, dreckige Romantik.
Matthias Romantik, darauf wollte ich gerade hinaus.
Sebastian Die kill ich in dem Moment. Ja, logisch. Das finde ich sau schwer, da einen Mittelweg zu finden. Wenn ich einen Partner Jahre kenne, dann kann ich eine Menge machen. Aber ich kann nicht ständig immer fragen, ist das okay, wenn ich jetzt das Schlagwerkzeug wechsle? Nein, natürlich frage ich das nicht. Sondern ich halte es hin und gucke mir die Augen an. Und dann gucke ich mal, was da kommt. Aber auch da kann ich natürlich daneben liegen. Also ich habe immer dieses Risiko. Und ganz ehrlich, ich will dieses Risiko auch gar nicht ausschließen. Sondern ein gewisses Risiko gehe ich nun mal ein. Auch das macht Teil des Kicks aus. Die Frage ist nur einfach, kann ich dann damit leben, was hinterher dabei rauskommt. Aber dieses Risiko vermeiden zu wollen bei BDSM, *seufzt. ich weiß nicht, dann ist es doch kein BDSM mehr. Dann handelt doch eine Person und die andere handelt auch und man manipuliert einander am Körper herum und dann ist halt gut. Also was macht gut ein SM aus? Also für mich ist das immer schmutzig.
Matthias Also, für mich ist eigentlich guter SM irgendwie eine Sache, da bin ich anders als so Leute, die in den Kategorien von Top und Sub denken. Für mich ist guter SM immer auf Augenhöhe, weil ich will die Augen sehen, ich will sehen, was passiert. Eine Person, der ich irgendwas antue und die irgendwie genervt die Augen verdreht oder überhaupt nicht reagiert, Das ist kein Spielpartner oder keine Spielpartnerin für mich, sondern ich lebe letzten Endes von den Reaktionen. Ich bin ein Reaktions-Junkie.
Sebastian Okay, also das ist dein Kick?
Matthias Mein Kick ist eine coole Reaktion, ja. Also, es gibt halt, gerade bei Bondage, ich mache ja japanische Bondage und japanische Bondage hat natürlich eine eigene Ikonografie geschaffen in Japan und auch bei den Shows.
Sebastian Kannst du Ikonografie kurz erklären in einem Satz?
Matthias Eine eigene Bildsprache. Also dass der meistens männliche Fessler quält eine Frau, die mit geschlossenen Augen, gesenktem Haupt vor sich hin leidet. Wenn du dich umguckst irgendwie in den Bondage-Foren und dir Bondage-Bilder anguckst, dann siehst du, dass irgendwie 95 Prozent der Bilder die Frauen geschlossene Augen haben.
Sebastian Okay, pass auf, wir machen jetzt aber den Schwenk, also wir haben das Thema Bondage jetzt bewusst vermieden, jetzt gehen wir mal voll rein. Also geschlossene Augen geht nicht, ja?
Matthias Also geschlossene Augen geht für mich nicht, weil ich nicht mehr weiß, das ist dann, das sind dann zwei Filme. Ich brauche den gemeinsamen Film. Also auch wenn ich jemanden haue, ist es mir zum Beispiel lieb und ich weiß, dass es viele Leute kickt, dass die Leute sehen, welches Gesicht ich mache, wenn ich sie verhaue. Das ist halt schwierig, wenn du keinen Spiegel hast und stehst hinter der Person. Also siehst du die Freude bei dem Partner oder siehst du sie nicht? Wenn du sie nicht sehen kannst, dann ist für mich Kacke. Meine Frau hat mal vor vielen Jahren gesagt und den Satz habe ich für mich entdeckt, es hat eigentlich immer Gültigkeit, wir haben nur fröhliche Gefangene. Soll heißen, mir ist es allemal lieber, eine Session zu machen, richtig derbe sein kann und hinterher irgendwie in breites Grinsen zu gucken.
Sebastian Pass auf, ich provozier jetzt mal ganz bösartig. Bondage, da muss man ein bisschen üben, man muss diese gänzen Knoten können, da hat man eventuell Schwielen in den fingern, man hat Verantwortung, man kann irgendwas kaputt machen, tausend Möglichkeiten die irgendwie blöd sind, und bestenfalls hängt dann das Gegenüber in den Seilen und man muss hinterher wieder alles los machen, warum sollte man Bondage machen, so kannst du mich überzeugen. *lacht und entschuldigt sich
Matthias Also nee, das ist völlig in Ordnung, das ist völlig in Ordnung. Also unter dem Aspekt, du hast da was reingebracht, was ich auch sehr sinnvoll finde, die Sache mit dem Hängen. Die Sache mit dem Hängen ist nämlich die, ein von mir sehr geschätzter japanischer Fessler hat mal gesagt, Hängen ist für die Bühne und für Angeber. Ich selbst habe dazugefügt in meinen, wie soll man sagen, also Grundprinzipien japanischer Fesselei, dass natürlich jeder das Recht hat auf diese Erfahrung. Aber im Großen und Ganzen ist Hängen komplett überbewertet, nach meiner Ansicht.
Sebastian Aber bei Shows machst du das auch.
Matthias Ja, ja, ja, klar, weil ist ja Bühne. Also ist ja ganz einfach, wenn du irgendwie auf der Bühne stehst und auf dem Fußboden fesselst, sehen dich die ersten zwei Reihen. For what. Dann brauch ich nicht auf die Bühne gehen. In dem Moment, wo ich will, dass alle mich sehen, muss ich halt da fesseln.
Sebastian Okay, ich nehme mal den Begriff Bunny. Du hast da jetzt jemanden und fesselst. Du kennst die Person vielleicht vorher nicht, das kommt ja auch vor. *Matthias grummelt nachdenklich- Nee, kommt nicht mehr vor?
Matthias Nee. Also ich hänge niemanden hin, den ich nicht kenne. Also zumindestens muss ich den soweit kennen, dass ich vorher irgendwie lange mit dem gesprochen habe. Also wenn so Bondage-Modelle, angehende Bondage-Modelle zu mir kommen, Dann ist es im Allgemeinen so, man sitzt irgendwie mindestens eine Stunde in der Küche und bekaspert dieses und jenes und guckt, wie weit man Draht miteinander hat. Und wenn ich irgendwie anfange, diese Person zu fesseln und weiß, dass die das total kicken würde, wenn sie auch mal hängen würde, dann würde ich irgendwie halt, meistens dauert bei mir eine Session, eine Bondage Session irgendwie circa eine Stunde, dann würde ich irgendwie eine dreiviertel Stunde irgendwie auf dem Fußboden rumfesseln und zum Schluss irgendwie so als Bonbon irgendwie die Person hinhängen.
Sebastian Okay, vielleicht mal da so den Vergleich, weil die Menschen, die dich gesehen haben auf der Bühne, die dich fesseln gesehen haben, ja, da machst du eine Show. Oder das ist dann zum Zeigen. Aber du machst das ja auch privat. Also, was ist für dich persönlich anders? Also, was ist so der Unterschied für dich auch in der Motivation und im Spaß? Ich glaube, beides macht dir Spaß, aber ich glaube, die Motive sind einfach andere.
Matthias Drei verschiedene Sachen. *Sebastian staunt: Drei? Ja, das ist einmal natürlich das Schmutzfesseln zu Hause im Bett. Das ist die eine Geschichte. Das ist auch relativ egal, ob das besonders toll aussieht alles. Soll das tun, was es machen soll. Es gibt die Situation, ich meine, ich mache jetzt seit über 20 Jahren Bondagefotos. Und da ist es halt so, das ist manchmal einfach nur hübsch. Okay, das ist eigentlich nicht das, worauf ich hin will, sondern ich möchte eigentlich, dass irgendwie Energie fließt. Und das ist halt das Reizvolle, dass ich halt merke, dass es die Person kickt. Ob es sie genital geil macht oder auch nicht, ist mir gar nicht so wichtig, es muss hier im Kopf was passieren. Und dann passiert auch bei mir im Kopf was.
Sebastian Wie kann das passieren? Also wenn ich jetzt zum Beispiel, es gibt ja auch so, bei uns auf dem Stammtisch mal den Bondage-Abend einmal im Monat, da wird da gefesselt. Da merke ich mal, okay, der die Riggerin ist da ganz kunstvoll am Machen, es ist eine ruhige Stimmung und die gefesselte Person, die ist ganz still und da habe ich immer so das Gefühl, ein bisschen mehr Miteinander, ein bisschen mehr Interaktion.
Matthias Würde mir genau so gehen.
Sebastian Also ich hab zum Beispiel seltenst gesehen und das fand ich immer toll, wenn dann versucht hat das Bunny sich dann da rauszuwinden mal zwischendurch zu sagen, ne jetzt versuch ich mal ne und dann muss der Rigger dann quasi dann auch ein bisschen dagegen arbeiten und dann merke ich, okay dann spielen sie miteinander, aber wenn eine Person hält still und der andere macht und dann sind sie fertig, ich weiß nicht, da fließt für mich als Zuseher gar keine Energie und das ist, vielleicht fehlt mir da auch einfach der Sinn dafür das zu sehen. Oder übersehe ich das dann?
Matthias Nein, ich glaube, für viele Leute ist Bondage auch ein Kunst-um-der-Kunst-Willen. Es ist meiner Ansicht nach ganz häufig so, dass zwei Leute zusammen anfangen zu fesseln und dann geht jeder in seinen Film. Der eine will zeigen, wie toll er fesseln kann und wie gut es aussieht und so weiter. Und die andere Person sagt, ich bin einfach in diesem Kokon aus Seilen gehalten und lass mich da jetzt reinfallen und genieße es irgendwie, wenn ich hänge zu schweben und so weiter. *Sebastian: Das ist doch toll. Das sind zwei verschiedene Geschichten. Ich bin ja wie gesagt jemand, der irgendwie das ein bisschen anders sieht. Ich habe vor vielen Jahren die Gelegenheit gehabt, eine sehr bekannte Truppe aus Brasilien, moderner Tanz, bei mir in einem Privatworkshop zu haben. Und auf den japanischen Bildern und auch auf den sehr traditionellen Shows ist es so, das Modell hängt. Also man hängt es so hin, dann hängt es auch so. Und diese brasilianischen Tänzerinnen und Tänzer, kaum dass sie gehangen haben, haben sie geguckt, was sie noch tanzen können. Und dann habe ich irgendwie zu meiner Partnerin gesagt, Nicole, du bist irgendwie halt Tanzschullehrerassistentin, du hast tausend Jahre in deinem Leben getanzt, sieh mal zu, dass du deinen Arsch bewegst, weil dieses schlappe Rumhängen ist Kacke. Du bist auch kein toter Fisch. Und deswegen will ich halt Bewegung haben. Guck, was du kannst. Das verstehen viele Leute nicht, weil es eben halt nicht der, eben halt dieser japanischen Ikonografie entspricht. Und ich gehe nicht auf die Bühne und mache eine Show. Ich gehe auf die Bühne, schon seit vielen Jahren, irgendwie eigentlich fast ausschließlich mit einer Person, nämlich meiner Partnerin. Und ich weiß im Vorwege, wie sie drauf ist. Ich weiß im Vorwege, also sie weiß im Vorwege, wie ich drauf bin. Und dann kann diese Bühne zu einem Ort meditativ, romantischer, schmusiger Fesselei werden, weil wir gerade beide so drauf sind. Es kann aber eben halt auch sein, dass Nicole mir das Seil aus der Hand reißt und sich mal eben selbst hinhängt. Und dann muss ich damit dealen. Oder, das hat sie auch schon gemacht, dass sie irgendwie das Seil, was irgendwie vor ihren Füßen liegt, mir mal eben kurz mit dem Kick ihres Fußes irgendwie ins Gesicht knallt. Oder es kann auch sein, dass sie irgendwie, wenn sie noch ein Bein am Boden hat und das andere ist in der Luft und der Oberkörper hängt auch schon, sich mit dem freien Fuß irgendwie so in Bewegung bringt, dass sie mich über die Bühne jagen kann. Das ist eben halt alles möglich und das hängt eben halt von unserer Stimmung ab.
Sebastian Okay, aber das kann jetzt der Veranstalter nicht bei dir buchen?
Matthias Der kann nicht bestimmte Sachen bei mir buchen, der kriegt das, was wir gerade stimmungsmäßig haben. Wir haben keinen echten Plan. Also ich hatte jetzt auf der Passion hatte ich einen Plan von einer Situation. Es gibt so eine Situation, wo Nicole Kopf überhängt und dann gibt es ein großes japanisches Messer, was nicht mehr rasiermesserscharf ist, sondern die ganz scharfe Kante habe ich gebrochen. Und da stecke ich Nicole irgendwie in die Möse. Nicole muss es halten. Wenn sie es nicht hält, dann steht es direkt auf dem Muttermund. Das ist nicht so toll. Und ich habe mir gedacht, gut, die Leute schnallen irgendwie häufig gar nicht, dass es sich um ein echtes Messer handelt und dass dieses Messer auch das tut, was Messer tun, nämlich schneiden. Also bringe ich mir auf die Bühne irgendwie einen kleinen Teller und einen Apfel. Und während sie so kopfüber hängt und der Arsch so hübsch einen Platz bietet, um da einen Teller hinzustellen, schneide ich mir den Apfel auf und fange an, den Apfel zu essen.
Sebastian
Matthias Auf der Boundcon haben wir auch diese Nummer gemacht, da gab es sogar Zwischenapplaus, weil irgendwie die Leute das als lustige Idee empfanden. Das war aber das einzige, was wir geplant haben. Ansonsten machen wir irgendwas. Und wir sind in der günstigen Situation, dass wir sagen, irgendwie, wir brauchen niemanden mehr zu beweisen, was wir alles können an Bondage-Tricks, sondern es reicht einfach, dass wir auf der Bühne da sind und wenn du dir, das kannst du leider nicht in dem Podcast zeigen, aber wenn du dir das Bild da anguckst, dann siehst du, um was es eigentlich geht.
Sebastian Weißt was, ich kann das doch zeigen, denn ich kann ja Kapitelmarken und Shownotes mit Bildern bestücken, das heißt, wenn du mir das Bild gibst, baue ich das gerne ein, du meinst das Bild, ne? Einfach zwei glückliche Menschen, Punkt.
Matthias Ja, richtig.
Sebastian Also so würde ich es beschreiben, sie lächelt und ist einfach nur glücklich und grinst und da sieht man noch ein paar Robemarks am Oberarm und sie wird im Arm gehalten und ja, einfach ein glücklicher Mensch, Punkt. Also das Gegenteil von der japanischen Ikonografie. Lass mich mal fragen, warum Japan?
Matthias Ja, das ist irgendwie eine etwas schräge Geschichte. Ich bin irgendwie in den 90er Jahren in einem modernen Theaterstück gewesen, einer der großen Aufbühnen hier in Hamburg, Kampnagelfabrik. Und da zeigten irgendwie drei Schauspieler, fünf Schauspieler, bestückt mit Elektro-Winschen, die oben durchliefen. Wie man eine sechste Schauspieler-Person wie eine Marionette in der Luft bewegen kann. Ich war völlig geflasht davon und fand das mega toll. Und hab dann überlegt, zu der Zeit wohnte ich noch in einer 30-qm-Wohnung eines sehr alten Hauses. Also eines der ältesten Häuser hier auf St. Pauli. Und es war halt klar, da kam ich keine Chance, irgendwie da Elektro-Winschen in diesen Wänden anzubringen, weil die würden mir sofort rausfallen. Und hab dann aber Andrea, also meine Frau, davon berichtet, wie toll ich das gefunden habe. Und dann waren wir irgendwie, ein, zwei Jahre später, waren wir in Amsterdam und Andrea und ich machen das gerne auch so auf Reisen, dass wir mal so sagen, ja, ich will mal allein ein bisschen durch die Stadt brummeln und so. Und dann kam Andrea von so einem Alleinspaziergang wieder und sagte irgendwie, ich glaube, das, was du suchst und was sie mir mitgebracht hat, ist, sie, ist ein Heft gewesen mit japanischer Hängebondage. Und ich sagte, oh. Dann habe ich angefangen zu recherchieren, ob es irgendwie irgendwelche Infos darüber gibt, wie man das macht. Und das war irgendwie Ende der 90er Jahre sehr schwierig. Ich bin zum Glück auf eine Seite gestoßen, die es leider heutzutage nicht mehr gibt, wo zwei verschiedene Fesselkünstler irgendwie so Schritt-für-Schritt-Anleitungen gezeigt haben mit englischem Text. Und die Quelle dieser Infos war dann auch das, was irgendwie an japanischer Bondage ursprünglich im Bondage-Handbuch drin war.
Sebastian Gibt's also, ist japanische Bondage, ist das einfach eine Kunstform oder hatte das vielleicht mal einen Sinn im Kaiserreich? Gibt's irgendeinen Ursprung dazu, weißt du da irgendwas?
Matthias Es gibt irgendwie jede Menge lustige Sachen, die erzählt werden. Es gab irgendwie bei den Ninja, und auch so gab es Seil als Waffe, um Leute irgendwie schnell aus dem Verkehr zu ziehen. Es gab i n der traditionellen japanischen Theater, wo die Frauenrollen auch von Männern gespielt wurden, gab es immer irgendjemanden, der irgendwie gefangen genommen wurde und dann in Seile gepackt irgendwie über die Bühne geschleppt wurde. Die Japaner selbst haben auch ein sehr dezidiertes Verhältnis zum Thema Seil. Also die ganzen Shintoistischen Tempel haben irgendwie Seil am Eingang hängen. Das kann man nicht zum Bondage benutzen, weil das ist irgendwie, weiß ich nicht, 20 Zentimeter Durchmesser oder 15 Zentimeter Durchmesser.
Sebastian Also ich hätte jetzt Seefahrt gedacht oder irgendwas.
Matthias Nee, überhaupt nicht. Also mir wurde mal gesagt, es liegt unter anderem daran, der Blick auf das Seil hätte auch ein bisschen mit was zu tun, dass die Eisenerzvorkommen in Japan, was sich ja lange abgeschottet hatte, irgendwie relativ gering waren im Vergleich zu anderen Ländern. Die Japaner sind auch in der Lage, statt in eine Eierpappe zu packen, irgendwie ein Seil einzupacken. Und natürlich lag es nahe, das Seil auch irgendwann in einem erotischen Kontext zu benutzen. Das hatte, wenn man sich die Bilder von damals anguckt, das sind Holzschnitte, dann hat das nicht wirklich mit dem zu tun, was man heute an japanischer Fesselei sieht. Die Chinesen fesseln manche Sachen ähnlich. Aber man darf den Japanern nicht sagen, dass sie es von den Chinesen übernommen haben, weil dann sind sie traurig. Weil wenn du irgendwie chinesische Delinquenten, die irgendwie zum Tode verurteilt werden und durch die Stadt geführt werden, siehst, die sind ganz häufig mit Seil gefesselt. Und das ist eine Technik, die aus dem, in Japan dann aus dem Bereich, wir fesseln eine Person so, dass sie da nicht rauskommt. Im militärischen Sinne, aber auch im Bestrafungssinne. Also es gab früher irgendwie halt aufwendigste Fesselungen dieser Art für Adelige und für den einfachen Bauern irgendwie weniger aufwendige Fesselungen. Es gab verschiedenfarbige Seile, an denen man erkennen konnte, hat der einfach nur ein Brot geklaut oder hat der irgendwie anderen Unsinn gemacht.
Sebastian Okay, also da haben wir ja schon irgendwo einen Sinn, dass man einfach den gesellschaftlichen Stand auch anzeigt und auch einfach der, ich weiß nicht, Henker, der ist es ja nun gerade nicht, aber der, der es macht, ich hab mal gehört, dass Japaner alles, was sie haben, das wollen sie, wenn man einen Meister in seinem Fach hat, dann wird der auch immer in den Bereich Kunstfertigkeit mit reingehen. Und das einfach besonders gut machen, weil das auch ein Stück Ehrbarkeit darstellt. Das wäre so meine Idee, wo ich mir das herleiten könnte.
Matthias Und dann hat irgendwie, also die eigentliche japanische Bondage-Kultur ist irgendwie Mitte, Ende der 60er-Jahre entstanden, wo irgendwie sich Leute getroffen haben. Kitan Club, die Spaß dran hatten irgendwie damals noch in erster Linie bezahlte Modelle, die meistens keine Japanerinnen waren, sondern irgendwie Koreanerinnen, weil die in der Zeit viel in der Erotikbranche gearbeitet haben.
Sebastian So spät erst.
Matthias Spannend. Ja, genau. Und daraus hat sich dann so nach und nach irgendwie halt bestimmte Techniken entwickelt, die mehr oder weniger auf eine Art standardisiert nicht. Die verändert sich eigentlich im Laufe der Jahre immer noch. Und ich bin zu dem Zeitpunkt, also im Jahr 2000 zu dem Zeitpunkt nach Japan gekommen, wo irgendwie es schon sehr ausgeprägte Sets gab, also so eine bestimmte Oberkörper-Bondage, die mehr oder weniger ähnlich immer so gemacht wurde, eine bestimmte Unterkörper-Bondage, die auch mehr oder weniger so gemacht wurden und so weiter und so weiter.
Sebastian Im Moment, aber du kriegst in Amsterdam das Heftchen in die Hand. Dann sage ich doch nicht, okay, ich fliege jetzt mal nach Japan und dann suche ich mir jemanden, der mir das zeigt. Ja, nee, natürlich habe ich das nicht gesagt.
Matthias * Wie hast du das hingekriegt?
Sebastian
Matthias Also die japanische Kultur habe ich mich schon immer interessiert und nicht nur bezogen aufs Fesseln, sondern ganz allgemein. Ich hatte einen Journalisten aus Japan, der mir für die Schlagzeilen ein Letter from Tokyo geschrieben hat, weil der als Journalist halt auch irgendwie im Rotlicht, weil in Japan ist das halt Rotlicht, im Rotlicht irgendwie recherchiert hat, Fotos gemacht hat, von Leuten berichtet hat, von bekannten Fesslerinnen und Fesslern. Und mit dem hatte ich Kontakt wegen diesem Letter from Tokyo. Dann sagte er so, ja, komm doch mal vorbei. Und ich so, er ist ein bisschen teuer, Japan, ne? Und dann sagt er, nee, also weißt du was, du musst den Flug bezahlen, du kannst bei mir pennen und die Nudelsuppe an der Ecke kostet genauso viel, wie wenn du die in Hamburg bestellen würdest. Was ist das Problem? Und dann bin ich 2000 dann das erste Mal da gewesen.
Sebastian Okay, du kommst da an und ja, also ich frage mich, also die Leute stehen ja nicht im Telefonbuch.
Matthias Nein, die stehen nicht im Telefonbuch, aber Steve war auch jemand, der selber gerne fesselte und der hatte irgendwie Kontakt zu eine ganze Menge Leuten aus der Szene durch diese journalistische Arbeit. Und ich hatte dann am zweiten Tag, stand ich dann auf der improvisierten Bühne in der Location, die Steve gehörte und sollte dann irgendwie erstens mir einen Performance-Abend gönnen, der dann passierte und auch selbst schon irgendwas zeigen.
Sebastian Okay, also das gab's da schon als Performance auch. *Matthias: Ja, ja, gab's.* War das eher Kunst oder war das eher Erotik? Also es schließt sich ja nicht aus, aber in welchem Konsens war das?
Matthias Das war eher künstlerische Erotik, würde ich so sagen. Das ist ja immer, wie du deinen eigenen Ansatz hast. Ich sehe japanische Bondage, wie ich sie betreibe, nicht als Kunst, sondern ich sehe sie eher als Erotik. Aber es hat natürlich auch was Künstlerisches für viele Leute, wenn sie da zugucken.
Sebastian Ich stelle mir vor, du gehst da hin und sagst, hallo, ich bin Matthias aus Deutschland, zeig mir das. Das machen die ja nicht.
Matthias Nee, so ist es nicht gewesen. Man fand mich sehr faszinierend, der Deutschen, der sich für japanische Fesselei interessiert. Zu dem Zeitpunkt war ich quasi der zweite Europäer, der sich mit dem Thema japanische Fesselei direkt in Japan auseinandergesetzt hat. Ich hatte dann in den zweieinhalb Wochen, die ich da war, die Möglichkeit irgendwie mehrere von den bekannten Meistern irgendwie zu sehen und mir genau anzugucken, was die da wie machen und hab dann natürlich irgendwie Fragen gestellt und mit Steve hatte ich eben halt einen der japanischen Sprache mächtigen Übersetzer, dem konnte ich dann die Frage stellen, der hat sie dann halt weitergegeben und die fanden mich irgendwie scheinbar ganz cool. Ich hatte dann gleich, quasi in dieser Woche, lernte ich eine Domina kennen, die der Meinung war, sie müsste unbedingt meine Sklavin werden, hatte dann irgendwie so eine nette Flirt-Geschichte. An dem ersten Performance-Abend hatte ich dann von Seiten der... Kunden die dort waren also diese performance gebucht haben gleich zwei oh man hast du nicht lust mal mitzukommen ich zeig dir meinen Lieblingsbondageclub hast du nicht lust mitzukommen ich zeig dir auch mal.
Sebastian Es gab Bondageclubs?
Matthias Ja es gibt Bondageclubs.
Sebastian Okay. Also. Entschuldigung das.
Matthias Das sind letztendlich.
Sebastian Ich bin nicht gut vorbereitet heute.
Matthias Bondagebars das ist da arbeiten irgendwie halt professionelle Frauen im Allgemeinen. Und da kriegst du dann auch manchmal eine Show zu sehen, häufig von Frauen, also es ist anders als hier im Westen, wo irgendwie sich das so mehr oder weniger herauskristallisierte, dass in erster Linie Männer Frauen fesseln, aber in den Clubs werden in erster Linie Männer gefesselt von Frauen.
Sebastian Sieht man auf den Bildern jetzt nicht.
Matthias Ja, lustig. Das hat aber seinen Grund, weil, wie sagten das mehrere japanische Dominas, die ziemlich gut in Fesseln waren, wer will dann sowas sehen? So, deswegen gehen die Frauen, wenn die auf die Bühne gehen, im Allgemeinen mit Frauen auf die Bühne in Japan.
Sebastian Okay. Ich hätte da jetzt so ein Patriarchat tatsächlich erwartet.
Matthias Ja, das Patriarchat ist da immer noch ziemlich da, aber in dem Zusammenhang eher nicht. Und ich kann die Mädels verstehen, weil irgendwie die Männer im Allgemeinen das nicht drauf haben, sich auf eine hübsche Art und Weise zu schämen. Man sieht ihnen immer nur an, dass es ihnen ein bisschen peinlich ist. Das sieht natürlich nicht gut auf der Bühne aus.
Sebastian Hat da was von Karaoke, ne?
Matthias Ja, ein bisschen was von Karaoke. Und die Mädels sind halt Profis, mehr oder weniger. Die sind halt Leute, die irgendwie das gelernt haben, das zu tun, was die Kundschaft irgendwie erwartet. auf eine schöne Art und Weise zu leiden und sich zu schämen.
Sebastian Ja, okay, aber jetzt hast du ja diesen Punkt, du lernst da was, du kriegst das beigebracht.
Matthias Nee, ich hab's nicht beigebracht gekriegt, ich hab mir das angeguckt. Es gibt eine in Japan sehr interessante, es gibt einmal die Lehrmethode, die du vorhin schon so mehr oder weniger beim Thema Kunstfertigkeit angedeutet hast. Es gibt da die... Sache von der Pike auf, also zuallererst ist dein Job hinterher, die Seile aufzuwickeln. So, und das machst du relativ lange und dann darfst du vielleicht auch mal dich fesseln lassen. Und dann darfst du vielleicht auch mal irgendwie ein Seil an einer Person benutzen, ne?
Sebastian Also über viele Jahre und viel Zeit, aber die Zeit hattest du jetzt noch nicht.
Matthias Nein, die Zeit hatte ich nicht. Es gibt eine andere Technik, die irgendwie die Japaner gerne selbst anwenden. Das ist Stealing the Knowledge. Das Wissen klauen. Das heißt, die Japaner sind ja auch irgendwie nicht bei schottischen Whisky-Distillerien in die Lehre gegangen, sondern die sind irgendwie halt nach Schottland gegangen und haben diverse Führungen dort machen lassen, haben sich alles genau angeguckt, alles genau angeguckt und dann sind sie zurück und haben gesagt, wir machen hier doch besseren Whisky als die Schotten. Das klappt übrigens ziemlich gut. Und ich hab's eben halt umgekehrt gemacht, als Fessler nach Japan. Und für mich war relativ klar, bestimmte Sachen an der japanischen Fesselkultur, die ich da so mitgekriegt habe, fand ich irgendwie dead boring, fand ich langweilig, als ich eben halt mitgekriegt habe, dass da nicht wirklich Authentizität in der ganzen Geschichte drin ist, weil ich hab dann auch ein Jahr später mit zwei japanischen Modellen irgendwie Shows gemacht. Und die eine, mit der ich irgendwie relativ viel gemacht habe, sagte zu mir vor der ersten Show, wie möchtest du es denn haben? Und ich so, was? Ja, soll ich eher einen neutralen Gesichtsausdruck auflegen oder soll ich eher einen leidenden Gesichtsausdruck auflegen? Da dachte ich mir, okay, ein neutraler Gesichtsausdruck ist ja auch doof, dann mach mal leidenden. Und das hat sie dann auch sehr gut gemacht.
Sebastian Das muss für dich ja tödlich langweilig gewesen sein.
Matthias Nee, das war, ich mein, das erste Mal in der Japanerin auf der Bühne stehen, das ist schon irgendwie ziemlicher Hype gewesen und wenn als dann noch aus dem Publikum irgendwie eine Domina gekommen ist und gesagt hat, irgendwie Schülerdomina würde gerne sich auch mal von mir hinhängen lassen, das fand ich natürlich noch mehr spitze, ne?
Sebastian Okay, ja aber du musst dich ja erstmal emanzipieren, du gehst da hin, weil du das dort faszinierend findest, du schaust dir das an und kriegst dann aber auch damit, ja die geschlossenen Augen, der leidende Blick, das gehört ja irgendwie auch mit zu dem, was du an Wissen dort erstmal aufsaugst. Und dann musst du entscheiden, ja ich nehm das mit, ich bring das jetzt mit nach Deutschland, aber bitte nicht das mit dem passiven Püppchen, sag ich mal.
Matthias Das ist nicht ganz so einfach gewesen, weil ich habe natürlich schon, ich stand sehr unter dem Einfluss dieser japanischen Ikonografie, das heißt in den ersten Jahren, wenn ich meine Modelle fotografiert habe, habe ich immer die Bilder, wo sie breit grinsen, rausgeschmissen, und nur wo sie ernst gucken, drin gelassen. Da hab ich aber irgendwann festgestellt, dass ich das eigentlich ziemlich doof finde.
Sebastian Aber ist das dann auch richtiges Japan-Bondage? Du hältst dich gar nicht an in die Regeln.
Matthias Das ist mir sowas von egal. Es gab eine lange Diskussion immer wieder zum Thema, wer darf das, was er macht, Shibari nennen. Das ist der japanische Ausdruck für das Binden mit Seil und der Mindset, der es dazu braucht, ist irgendwie Kimbakko und darf ich das machen und so und ich hab überhaupt keine Lust gehabt, mich mit diesen affigen Diskussionen auseinanderzusetzen und hab deswegen das, was ich mache, japanisch inspirierte Fesselei genannt.
Sebastian Was sagen denn die japanischen Bondage-Menschen zu dem, was du machst? Oder wissen die das alles gar nicht?
Matthias Doch, doch. Also ich meine, ich bin ja dann im Laufe der Jahre, also die ersten Jahre war ich alleine da und dann bin ich irgendwie mit Nicole und noch einem zweiten Modell da gewesen und später dann mit Nicole alleine. Die haben Schwierigkeiten zu verstehen, was wir da machen. Gehabt. Also als wir 2003, die erste große Show auf einer großen Party gemacht haben, es sollte eigentlich eine reine Promo-Veranstaltung für einen East-Meets-West-Abend in einem anderen Club sein, hat die Veranstalterin gesagt, sorry, es mag ja Promo gewesen sein, aber für so eine Show bezahle ich Geld.
Sebastian Das ist okay.
Matthias Fanden wir auch okay. Wie gesagt, die japanischen Customer wussten nicht so genau. Ich stecke Nicole ne Nadel in die Brust und Nicole freut sich. Was nun? Ist die Nadel nicht echt? Die einzigen, die es geschnallt haben, sind die Frauen. Die haben gesagt, man sieht schon, dass ihr euch liebt. Und ich habe zehn Jahre später, obwohl es nicht wirklich gut bezahlt war, also normalerweise hätte ich mir dafür nicht mal die Schuhe zugebunden, auf derselben Party wieder Show gemacht. Und bei der Performance, also zehn Jahre später, kamen ungefähr zwei Drittel der Partybesucher. Da dachte ich, ah, jetzt haben die es geschnallt, was wir da machen.
Sebastian Vielleicht, Shibari, also 2000, als du das erste Mal da warst, hatte das eigentlich was mit SM zu tun? *Maththias bestätigt: Ja, ja, ja.* Okay, also das gehörte schon zusammen damals?
Matthias Ja, also es gab ja auch in Japan damals eine Art Schwesternzeitschrift der Schlagzeilen SM Sniper. Und jede Woche wurden irgendwie, weiß ich nicht, 20 bis 30 neue Japan-Bondage-Magazine, Wo irgendwie halt, in Japan aufgrund der Zensur konnte man ja einiges nicht sehen, aber man sah schon, dass da irgendwie der Einlaufschlauch aus dem Arsch kam oder, dass sonst irgendwelche lustigen Sachen gemacht wurden. Also jede gute Fotosession hatte irgendwie den Dildoman, der irgendwie dann neben anderen Hilfsdiensten auch den Dildo zum Einsatz brachte.
Sebastian Okay, also die Verbindung war aber auch wirklich schon da.
Matthias Ja, Japaner sehen es schon als eine erotische Veranstaltung, beziehungsweise es ist nicht umsonst Rotlicht. Die meisten Mädels, die in dem Bereich professionell arbeiten, sind halt Leute aus dem Rotlichtbereich, die auch als Pornomodell arbeiten.
Sebastian Mich beschäftigt die Sache mit dem Sex da immer wieder. Also auch generell auf SM-Partys in Deutschland, aber Bondage und Sex, also Sex im Sinne von Koitus. Das scheint so ein Ding zu sein, wo sollte sagen, nee, also wenn ich da hänge, dann will ich jetzt nicht noch gevögelt werden.
Matthias Dazu kann ich nur sagen, ich hab das natürlich ausprobiert mit dem Vögeln, entweder einen halben Zentimeter zu tief oder einen halben Zentimeter zu hoch.
Sebastian Also braucht man doch die Winde.
Matthias Ist voll scheiße.
Sebastian Oder ein kleines Podest für dich dann mit der halben Zentimeter.
Matthias Also ich mach's lieber, wenn die Person im Bett liegt oder auf Fußboden liegt oder weiß der Geier. Nee, also es ist schon irgendwie als was Sexuelles so. Und es gibt eben halt auch, es gab zum Beispiel den von mir sehr geschätzten einen Fessler, der hat in seinen Filmen über kurze Zeit lang, taucht, spielt ja auch immer seinen Schwanz mit. Verpixelt zwar, aber.
Sebastian Gut, also das, was verpixelt ist, man wird es erkennen. Genau.
Matthias Das hat mir gut gefallen, weil der irgendwie dieses, dieses, es geht hier um Geilheit und Sex drinnen gelassen hat und viele andere haben denn jetzt nur die Frau als Sexualobjekt, ohne dass der Mann wirklich was macht. Aber das ist halt eine Möglichkeit.
Sebastian Oder lass mich nochmal, weil ich ja nun mal jetzt hier bei dir sitze, das ist einfach die Gelegenheit. Gibt ja dieses, die Frage stelle ich in allen Folgen immer wieder, ist BDSM für dich etwas Sexuelles? Die stelle ich immer wieder und kriege höchst unterschiedliche Antworten. Für manche ist, ja natürlich, wenn wir BDSM machen, dann muss dabei auch gevögelt werden, Orgasmus. Und für andere, nein, überhaupt nicht. Und das ist so ein Punkt, wo ich immer denke, im Grunde ist es egal, ob man es macht oder nicht, aber oftmal kann man die Menschen da irgendwie in zwei Lager einteilen. Und das finde ich immer extrem spannend, weil so BDSM schafft ja Gelegenheiten sexuell spannende Dinge zu machen, muss ich da nicht gebrauchen, aber diese Positionierung finde ich immer wieder spannend. Dass Menschen sich da rein positionieren und ganz klar sagen, ja oder nein und so ein, ja manchmal kann das schon Spaß machen und so, das höre ich dann doch eher seltener. Hat das einen Erziehungsgrund innerhalb der Szene?
Matthias Weiß ich nicht. Also für mich ist ganz klar, das ist auch die Absprache, die ich irgendwie mit Nicole habe. Wir sind inzwischen dienstältestes Profi-Bondage-Paar weltweit. Hähä. Fast 22 Jahre. Wir machen das, solange wir Spaß dran haben. Und solange wir Spaß dran haben und ich noch einen sicheren Griff habe, gehen wir auf die Bühne. Wenn der Griff nicht mehr sicher ist, ist es zu gefährlich, auf die Bühne zusammen zu gehen. Und Workshops machen wir, solange wir Spaß dran haben. Und zu Hause machen wir irgendwelchen Unsinn. Ob dabei der Bondage vorkommt oder nicht, das sei dahingestellt, mal ja, mal nein. Für mich hat Bühne, obwohl es ja keinen direkten genitalen Kontakt gibt, auch was sehr Erotisches. Das ist aber eine Erotik, die allein im Kopf passiert. Für mich hat auch irgendwie das Fesseln von Menschen, auch wenn ich mit denen nicht ein sexuelles Verhältnis habe, auch was sehr Erotisches. Auch das ist etwas, was im Kopf passiert. Also ich hab keinen Bock mit jemandem zu fesseln, wo ich so merke, da hab ich überhaupt gar keinen... Es ist einfach nur ein hübsches Wesen, mit dem ich hübsche Fotos mache. Gut, ich hab irgendwie zwei, drei Modelle im Laufe der Jahre gehabt, die sind einfach nur hübsch. Aber ich guck dann immer so... Also ich hab ja immer so Zettel, den die Modelle kriegen, wo sie irgendwie ankreuzen können. Ja, das darf er, das darf er nicht, das darf er, das darf er nicht, das darf er vielleicht, da müssen wir noch drüber reden, bla bla bla. Und also es ist schon so, dass ich dann, wenn das stimmungsmäßig passt, irgendwie schon auch den Mädels irgendwie zwischen die Beine fasse. Oder irgendwie, wenn, da muss aber noch eine ganze Menge mehr passiert sein, dass ich, wenn sich das ergibt, wir auch direkten sexuellen Kontakt miteinander haben.
Sebastian Ja, man muss ja nicht alles ausschließen, ne? Auch da geht's ja auch darum, dass es, du sagst, man muss Bock drauf haben, es soll ja Spaß machen, warum soll ich mir denn mal alles verbieten?
Matthias Genau, also wichtig ist irgendwie immer, dass hinterher irgendwie, wie ich schon sagte, irgendwie hinterher beide irgendwie mit so breitem Grinsen in der Küche sitzen und sagen, cooler Abend, ich komm gern wieder.
Sebastian Dieser schöne Drogenrausch, ne? Lass mich nochmal so ein bisschen in die Workshop Richtung gucken. Du gibst Workshops, ich glaub nächste Woche sogar auch in Hannover, wenn ich das richtig verstanden hab.
Matthias Jetzt am Wochenende, ja.
Sebastian Ja, okay. Da hätte ich gar nicht herfahren müssen, aber die Tour war schön. Was sagst du denn den Leuten, was sie erwartet oder was sie hinterher können oder worum es eigentlich geht, weil es gibt so viele Workshops in die verschiedensten Richtungen. Funktionsbondage, Bondage die soll wehtun, Bondage zum Hängen und zum irgendwas. Also was kriegt man bei dir oder wo, du kannst ja nicht alles machen, also du musst dich auf irgendwas einlassen, du musst das Thema ja begrenzen. Was gibst du Anfängern mit?
Matthias Was ich, wenn ich, wir haben ja verschiedene Formen von Workshops. Wir haben einmal die Abendworkshops, wie es ähnlich in Hannover stattfindet. Wobei der Sonntag fällt aus, weil irgendwie dann doch irgendwie jemand sich getrennt hat von den Paaren und das eine Paar irgendwie dann doch festgestellt hat, der Termin ist nicht günstig und so. Also das ist dann eben halt so. Jedenfalls, da geht es mir oder uns geht es da eigentlich darum, den Leuten so ein paar Basics in die Hand zu geben. Ein paar Standards irgendwie zu zeigen, die man dann miteinander variieren kann. Und von diesen Standards ausgehend, wenn man die Grundprinzipien, kriegen die Leute auch ein Handout, ne? Ist ja nicht so. Wenn man diese Grundprinzipien im Kopf hat, dann kann man einfach anfangen, das, was ich eigentlich immer am wichtigsten finde, mit Seilen zu spielen. Also nicht, das muss jetzt so genau und dann muss das Seil darum und dann muss das Seil darum und so, sondern eben halt wirklich, ich guck mal, wo mich das Seil hinführt. Für mich war so einer der entscheidenden Momente in meiner Fesselkarriere, dass besagter von mir sehr geschätzter Bondagemeister, nachdem ich ihm was vorgefesselt hatte, und er sagte, ja, sieht alles professionell und ordentlich aus, aber mach das mal alles wieder ab, hier hast du ein Seil, zeig der Frau, was du willst. Und ich so, äh, Moment, das ist jetzt ganz was anderes. So, dann bin ich hinterher zurück, Nicole war im Studio von Steve noch, Und dann sage ich, Nicole, wir müssen auch von vorne anfangen. Die Leute glauben immer, sie lernen bei uns Technik und sie lernen bei uns irgendwie Umgang miteinander und Spaß miteinander. Und dass es der Anfang ist von einem Abenteuer. Das heißt, wenn sie irgendwie halt, dass bei uns irgendwie so einmal im Kurs waren und danach nie wieder Bondage machen, dann haben sie das Abenteuer halt abgebrochen.
Sebastian Gut, aber dann haben sie im schlimmsten Fall einen schönen Abend miteinander gehabt.
Matthias Genau, genau, genau. Also wir haben eigentlich die Erfahrung gemacht, wir haben ja, Unser Ansatz sowieso ist ja immer, nicht nur wir bringen den Leuten was bei, sondern die Leute bringen uns ja auch was bei. Das heißt, wir lernen von den Leuten, ist diese Erklärung, funktioniert diese Erklärung, die wir bei bestimmten Sachen machen. Wenn sie nicht funktioniert, müssen sie uns was anderes überlegen, bis wir irgendwie halt dann eine Erklärung haben, die die meisten verstehen. Wir müssen aber die anderen noch im Petto halten, weil es gibt immer welche, die diese Erklärung dann nicht verstehen, aber wir müssen ihnen dann noch mehrere anbieten können, damit sie es dann doch verstehen.
Sebastian Gibt's irgendwas, was Menschen, die jetzt anfangen oder die bei null anfangen, was eigentlich alle Leute intuitiv immer wieder falsch machen wollen?
Matthias Ja genau, das ist das typische ist irgendwie, die machen zuerst die Hände zu fest, die Hände sind die ersten, die meckern beim Fesseln. Da wird was taub, kribbelt was. Also Spielregel, ganz anders, Hände locker fesseln. Macht nichts, dass die Person da theoretisch raus kann, weil wenn du weiterfesselst, musst du da so festfesseln, dass die Person da eben nicht mehr raus kann. D.h. eine der wichtigsten Sachen, denen wir die Leute beibringen, ist, fessel den Oberkörper so, dass er wirklich eng gefesselt ist. Weil nur dann funktioniert das mit den Nervenpunkten, die dazu führen, dass dieses Wohlgefühl kommt. Wir haben irgendwie hier an den Außenseiten der Oberarme und auch hier in dem Bereich.
Sebastian Du hast jetzt im Bereich Brustaußenseite gezeigt. Das hat bestimmt einen richtigen Namen.
Matthias Ja, also es ist... *sucht nach Worten
Sebastian Rechte Seite, Rumpf oben.
Matthias Es gibt ja diese Technik, die man mit kleinen Kindern macht, die viele Naturvölker auch gemacht haben. Man wickelt die Kinder eng ein. Es gibt diese komplett unterschätzte Technik, die jetzt im Rahmen von Corona irgendwie eher schlechten Ruf gekriegt hat, Umarmung. Es gibt diese Umarmung, wo du denkst, das hätte man sich auch schenken können. Es gibt diese Umarmung, wo du so merkst, oh, da nimmt dich jemand richtig in den Arm, da fühle ich mich wohl. Das ist eine richtige Umarmung, die stimuliert genau diese Punkte, die zu einer Ausschüttung von Dopamin und so. Das heißt, du musst den Körper fest fesseln. Ich stelle immer wieder fest, die Leute befesseln eben halt natürlich trotzdem mal zu locker, weil wir wollen es ja nicht zu fest machen. Ich sage dann immer Mensch, mach es mal so fest, dass dein Gegenüber sagt, oh das ist jetzt zu fest und dann gehen wir es ihm wieder mit der Kraft runter. Aber nicht irgendwie anfangen mit, ist es jetzt zu fest, ist es jetzt zu fest? Weil diese Frage wirst du dir hinfort immer im Kopf haben und du wirst über kurz oder lang einen Partner oder eine Partnerin haben, die sagt, frag mich nicht immer, ich sage dir, wenn es zu fest ist.
Sebastian Okay, aber da ist wieder die Kommunikation, die auch von beiden Seiten kommen muss.
Matthias Genau.
Sebastian Okay, mit den Händen, muss ich mal fragen. Also es gibt eine Fesselung, eine, die meine ich zu können, also die funktioniert. Das ist dann mit den Handgelenken, man legt ein paar Mal über beide Handgelenke locker drüber und dann fängt man an in der Mitte nochmal so rum zu gehen.
Matthias Das ist leider amerikanisch, hat mit japanisch nichts zu tun.
Sebastian Ja, damit nix zu tun. Aber da ist so die Frage, ich halte das immer noch so für die Variante, da kann ich nicht allzu viel falsch machen.
Matthias Doch, du kannst das Ganze zu eng machen, wenn du das falsche Seil nimmst. Und dann hast du Probleme mit den Händen.
Sebastian Okay, ich halte mich vom Seil wirklich fern. Ich hatte jetzt gehofft, dass ich wenigstens eine Sache kann.
Matthias Ja, also wenn du da ein kuscheliges Baumwollseil nimmst, hohl geflochten, bist du genau richtig damit.
Sebastian Ich finde, also die Frau sagt immer, mach mal ganz locker. Und dieses ganz locker, Hinterher kommt sie trotzdem nicht mehr raus. Ganz locker, zu fest wird es ja dann hinterher, dass man dann nochmal da so drum rum wickelt. Das finde ich halt so, da ist nicht mal ein richtiger Knoten mit bei, vielleicht ist das einfach mein Ausweg. Ich kann es mir einfach nicht merken. Ich weiß, dass das hier völliger Frevel ist, bei dir hier zu sitzen.*Matthias: Nein, überhaupt nicht.*
Matthias Die Leute, das ist so ein Mythos. Oh, diese Knoten bei japanischen Fesseleien. Es gibt letzten Endes eine Standardwicklung. Diese Standardwicklung heißt irgendwie doppelt gelegtes Seil, zweimal um die Handgelenke, dann fängt man die obere Doppellage ein.
Sebastian Davon brauche ich dann ein Bild.
Matthias Und dann macht man zwei normale, einfache Knoten, die jeder von uns kann. Und das ist dann letzten Endes eine Fesselung, eine Hand, zwei Hand, ein Fuß, zwei Füße, irgendwie die Taille, was auch immer, eine Fesselung, die dazu führt, dass diese sich nicht enger zieht, wenn man an dem Seil zieht.
Sebastian Du hast jetzt auf jeden Fall eine Sache geschafft, nämlich, also für mich war ja Bondage immer bisher, auch wenn mir Menschen sagen, das Gefühl ist wichtig, das Seil redet mit Das sind Sachen, die kann ich dann zwar nachvollziehen, auch das Motiv verstehen, aber ich hab natürlich in meinem Kopf trotzdem dieses, ich möchte mein Gegenüber am Abhauen hindern. Also ich hab die Funktion im Zweck, damit ich dann was machen kann. Vielleicht, ich ticke einfach so im Hirn.
Matthias Am Abhauen hindern ist doch ganz einfach. Ich sag dann immer, willst du gefesselt werden oder nicht. Wenn du gefesselt werden willst, dann bleibst du gefälligst zum Komplizen. Und ein Komplize versucht nicht einfach abzuhauen, es sei denn er kriegt den Auftrag.
Sebastian Liebes Publikum, wir haben eine kleine Pause gemacht und jetzt wechsle ich dann doch mal das Thema wieder weg von den Seilen, noch mal zurück zu den Schlagzeilen. Relativ einfach, es ist ein Magazin, es erscheint alle zwei Monate oder ich glaube sieben Ausgaben im Jahr waren es, ne? Genau. Und die gibt es seit, auch das habe ich gegoogelt, 1988, also war noch bevor du dazu kamst, aber es gibt sie bis heute. Und für mich waren sie eben so ein Medium, ich hatte das Abo mal, ich glaube 2001 müsste das gewesen sein, da konnte ich mir das schwerlich leisten, aber ich hatte es so ein Jahr lang. Und das war so eine Quelle für mich. Da waren Geschichten drin, die waren ganz spannend, da waren Kontaktanzeigen drin, die waren damals noch ein bisschen anders als heutzutage. Zum Teil mit sehr viel Mühe und zum Teil sehr fürchterlich. Und da waren, glaube ich, auch die ganzen Events mit abgedruckt. Das war aber so ein, ah, ich hab grad als junger Mensch, grad aus der Schule raus, nicht die finanziellen Mitteln in der Szene irgendwie groß was zu machen, aber ich hab hier so, ich hab einen gewissen Kontakt. Und das fand ich immer sehr schön und es gibt sie heute noch und die Frage ist, was ist da drin, soweit ich weiß, werden Geschichten einfach geschickt und dann druckst du sie halt einfach ab oder ihr, da sind Bilder drin, die sind manchmal ziemlich schick, muss ich ja zugeben, aber also warum gibt's die Schlagzeilen noch, denn heutzutage haben wir doch eigentlich alles online, ich hab keine online PDF-Version gefunden.
Matthias Nein, es gibt keine Online-PDF-Version und es wird auch keine Online-PDF-Version geben, weil es gibt kaum eine gute Möglichkeit, eine Zeitung wie die Schlagzeilen so zu machen, dass sie halt so ist, wie wir sie haben wollen. Also wir sind eigentlich relativ traditionell. Es gibt nämlich auch kein PDF beziehungsweise kein E-Book von einem SM-Handbuch, von einem Bondage-Handbuch und so weiter. Ich finde, SM hat was mit Sinnlichkeit zu tun. Und Sinnlichkeit ist irgendwie Sachen, die man anfassen kann, die man riechen kann, die man spüren kann, die ein Gewicht haben. Und das ist das Virtuelle eben nicht. Also eine neue Schlagzeile riecht nach einer neuen Schlagzeile.
Sebastian Das tut sie. Sie kommt ja auch eingeschweißt. Der Geruch bleibt konserviert.
Matthias Ja, nun gut, aber sie kommt eben halt aus einer Druckerei, seit vielen Jahren aus einer Druckerei, die absolut 100% grün ist. Sprich, die verbraucht ihr eigenes Wasser und recycelt das und wird ganz normal mit Farben gedruckt und nicht irgendwie im Offset-Druckverfahren, im Digitalverfahren, weil Digitalfarben lassen sich eben nicht aus dem Papier rauslösen. Jedenfalls die Schlagzeilen haben natürlich noch eine ganze Menge mehr als irgendwie Geschichten, Bilder, Kontaktanzeigen, die immer weniger werden und Hinweise auf Termine und eine aktualisierte Gruppenliste, wo gibt's Gruppen in Deutschland. Sie haben eben halt auch immer eine Kolumne. Wir haben immer ein Kunstspecial, wo wir irgendwie einen Fotografen oder einen Illustratoren, eine Illustratorin vorstellen. Das ist meistens ein Zehnseiter mit einem Kurzinterview mit standardisierten Fragen. Wir haben irgendwie immer einen vierseitigen Comic, zur Zeit von zwei verschiedenen Comiczeichnern mit sehr unterschiedlichen Stilen. Ist dann lustig, wie dann der eine sagt, also das finde ich ja total scheiße, was der Comiczeichner macht, aber das andere finde ich total toll und dann gibt es wieder welche, die es genau umgekehrt sagen. Wir haben halt Leserbriefe, wir haben halt Kolumnen, die einmal als Kolumne Kolumne kommen und einmal irgendwie unter einem leicht anderen Namen, aber wir haben einiges an redaktionellem Inhalt. Und wir haben eigentlich immer das Vorweg und das Vorweg ist eine Kolumne meistens von mir. Ich muss euch sagen, Leute, wenn man halt über 30 Jahre zum Thema SM schreibt, ist das ein echter Angang, sich wieder irgendwas Neues aus den Rippen zu schneiden.
Sebastian Zu der Kolumne, nein, ich fang mal beim Redaktionellen an. Ich glaube, das unterscheidet das auch so ein bisschen. Es gibt ja alle möglichen Magazinen, die zum Teil auch kostenlos verteilt werden. Die sind natürlich die Leben von der Werbung, das tun die Schlagzeilen zum Teil auch. Aber ich finde den Werbeanteil gefühlt sehr gering und den redaktionellen Beitrag, also, dass da jemand etwas geschrieben hat, sehr hoch. Und das ist eben nicht das, was woanders in anderen Medien ist, in irgendeiner Zeitung oder in einer Zeitschrift, wo immer BDSM neu erklärt wird, sondern das ist ja für die Zielgruppe. Und das hat auch den Podcast hier so ein bisschen inspiriert, zu sagen, nein, wir machen jetzt keinen BDSM-Erklär-Podcast, sondern wir machen hier einen Podcast von und für BDSMer. Dann kann man sich nämlich auch ein bisschen weiterentwickeln und fängt nicht immer an, auf Seite 1 zu erklären, BDSM ist Doppelpunkt. Und ich habe echt überlegt in den letzten Tagen, das gibt es so relativ selten. Man hat man welche Models werden vorgestellt irgendwelche Leute und irgendwelche Firmen und ich weiß nicht was aber im Grunde so das Thema um sich ein Thema mal rauszupicken zu sagen wir haben Punkt x und dann schreibt da jemand etwas Redaktionelles zu. Ich finde das ist im BDSM-Bereich sehr selten.
Matthias Ja also ich meine letzten Endes ist, haben wir von dem was wir veröffentlichen ja in den letzten, 30 Jahren nicht so irrsinnig viel gelernt okay das Kunstspecial ist neu, die Comics sind neu wir haben irgendwann gesagt natürlich ich meine Geschichten gibt es irgendwie zum saufüttern Bilder gibt zum saufüttern wir müssen irgendwas machen was die Leute sagen das finden sie nicht mal eben im Netz. So und deswegen haben wir auch ganz bewusst relativ großen redaktionellen Teil dann zu dem Thema Anzeigen das sind fast immer Austauschanzeigen das Gros, das heißt wenn wir eine Anzeige von Marquis drin haben, dann haben wir auch in Marquis eine Anzeige von uns drin und wenn wir eine Anzeige von der Party haben, dann ist es, von der Messe haben, dann ist es eine Messe, wo wir deswegen den Stand preiswerter kriegen und so. Also irgendwie alles so Deals. Also das, was normalerweise Magazine machen, dass sie sagen die Werbung, die Anzeigen müssen quasi die Herstellungskosten bezahlen, das hatten wir nie und das finden wir eigentlich einerseits doof, aber andererseits finden wir das auch gut so.
Sebastian Ich habe gesehen, ich könnte mir sogar eine Anzeige leisten, habe ich gesehen, also die sind nicht überbordend teuer, aber darum geht es ja gar nicht, aber tatsächlich dieser redaktionelle Anteil, der ist wirklich das, was spannend ist. Ich muss mal, liebes Publikum, ich muss das jetzt mal ganz kurz hier reinquatschen. Ich habe letztes Jahr den Abo-Modus offenbar nicht verstanden und dann kamen die Schlagzahlen einfach nicht mehr. Was daran liegt, dass das Abo von selbst offenbar endet und ich hätte was tun müssen. Dann muss ich wieder was machen jetzt.
Matthias Ja, also es ist relativ einfach. In dem Augenblick, wo man eine Einzugsermächtigung hat, passiert das automatisch. Und man kriegt natürlich trotzdem die Information, das Abo ist ausgelaufen. Hast du ein Problem damit, dass wir das weiter verlängern, dann darfst du ja oder nein sagen. Aber irgendwie, wenn das immer extra überwiesen werden muss, dann ist es halt... Unpraktisch für den User. Wir haben auch noch, das hab ich jetzt gar nicht erwähnt, wir haben eigentlich in jeder Ausgabe irgendwie immer einen Schwerpunkt, wo es um bestimmte Sachen geht. Also von irgendwie ... Wie ... Wie ist das mit SM-Männern? Oder wie leben Leute SM? Wo man dann grade besonders gut sehen kann, wie unterschiedlich die Art und Weise, SM zu leben, ist. Oder wir haben irgendwie jetzt in der nächsten Ausgabe, die nächste Woche erscheint, haben wir das Thema SM und Fetisch, wo es um die unterschiedlichsten Fetische gibt, was natürlich nie wirklich, wie soll man sagen, so viele Texte hat, dass man einen Überblick über alle Fetische hat, sondern immer nur das, was uns die Leute schicken über ihren Fetisch. Wir haben irgendwie einen ganz süßen Text von einem schon recht älteren Herrn, der irgendwie über seine Ponyboy-Geschichten, also seinen Ponyboy-Fetisch erzählt und wie man, worauf er geachtet hat, als dieser Pony, der Sulky für ihn gebaut wurde und so weiter und so weiter. Also es ist schon irgendwie immer relativ viel zu lesen und wir wissen eigentlich aus Erfahrung, dass die meisten Leute, die fangen dann mit meinem Vorwort an, also dem sogenannten Vorweg, um dann irgendwie hinzugucken, was habe ich denn als Nachwort geschrieben, um dann irgendwie Leserbriefe zu lesen und dann irgendwie andere Kolumnen oder je nachdem den Schwerpunkt un