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Sebastian
(Podcastintro) Hallo und herzlich willkommen zu Folge 86 der Kunst der Unvernunft.
Hier sprechen Menschen über BDSM, wie sie das Leben gelebt haben und was sie
daran so sehr fasziniert, dass sie sogar in einem Podcast darüber sprechen.
Wie immer stelle ich mich auch ganz kurz vor. Mein Name ist Sebastian Stix,
Anfang 40 und seit ewigen Zeiten versuche ich mich als Dom des Podcastsubbies.
Gerade war sie halbwegs artig, so konnte ich z.B. diese Folge mit Stephan aufnehmen.
Er ist BDSM-er und Teil des Arbeitskreises BDSM und Christsein.
Es wird heute also ein bisschen religiös, philosophisch und auch ein klein wenig provokant.
Dieser Arbeitskreis gibt BDSM in Glaubenssachen und im kirchlichen Umfeld ein
Gesicht und diskutiert, ich glaube ziemlich lebhaft, ob Glaube und BDSM vereinbar
sind und wo die Grenzen liegen.
Die Hauptfrage ist natürlich: "Glaube und BDSM" - ist das vereinbar?
Mit Stephan diskutiere ich nicht nur über Gott und ob sie das gut finden kann,
sondern auch über Akzeptanz innerhalb der eigenen Gemeinde, den Stand des Arbeitskreises
auf dem Kirchentag, ja den gibt es wirklich, und wir schauen,
wie sich das alles entwickelt hat und entwickeln wird.
Ich weiß, dass diese Folge für euch ein bisschen schwerere Kost ist und ich
verspreche euch, dass sie nicht nur dann interessant ist, wenn ihr regelmäßig in die Kirche geht.
Denkt zum Beispiel mal an die Inszenierung von Ritualen. Da ist Kirche ja doch
ziemlich gut drin, muss ich ja zugeben.
Religion kann Hoffnung geben, Perspektiven aufzeigen und Antworten formulieren,
wenn ich zum Beispiel mit meiner atheistischen Logik einmal nicht wirklich weiterkomme.
Ich glaube deshalb fest daran, dass diese Folge für alle hörenswert ist und
schließlich wollen wir doch auch alle wissen, inklusive mir,
ob ich denn nun in die Hölle komme.
Genug Vorwort, fangen wir einfach mal an mit Folge 86 mit Stephan.
(Podcastintro)
Liebes Publikum, es ist Mittwochmorgen, 10:05 Uhr, das hier ist die früheste
Aufnahme überhaupt, aber ich habe einen guten Grund, um diese Zeit wach und
fit zu sein, denn mir gegenüber sitzt. Stephan, hallo.
Stephan
Ja, hallo.
Sebastian
Ich stelle dich kurz vor, aus Hamburg, schon seit gefühlten Ewigkeiten dem BDSM
verbunden und in etwa in meiner Alterskategorie und ja,
wir werden heute nicht nur über BDSM sprechen, sondern auch über das Christsein
und BDSM, weil du da, ja ich sage mal, Anleihen hast in der Beratung.
Stephan
Ja.
Sebastian
Natürlich fangen wir so ein bisschen mit dir an, denn ja, du bist selbst BDSM-er.
Erzähl doch mal ein bisschen was von dir.
Stephan
Ja, also ich bin 1999 in die BDSM-Szene gekommen, als ich nach Hamburg umgezogen bin.
Ja BDSM-Interesse habe ich eigentlich schon seit ich denken kann,
also schon als Kind im Kindergarten oder so die ersten BDSM-Fantasien.
Und dann war es aber für mich lange Zeit so, dass ich gedacht habe,
das ist mein Thema, aber das werde ich nie ausleben.
Das ist halt irgendwie ja, spannend, interessant, schöne Fantasien,
aber nichts, was sozusagen mit dem realen Leben zu tun hat.
Ich habe viele Bücher zu dem Thema gelesen, die auch für mich wichtig waren und so.
Und als ich dann nach Hamburg umgezogen bin, gab es da halt schon die ersten
offenen Stammtische, sage ich jetzt mal so. Damals den Smalltalk vom Schlagwerk schon.
Und da war es für mich plötzlich möglich, eben wirklich Gleichgesinnte kennenzulernen.
Und dadurch hat sich bei mir viel geändert, dass ich dann eben wirklich die
Perspektive hatte, dass man auch mit diesem Thema eben ne Partnerin,
Partner finden kann und das auch wirklich ausleben kann.
Aber das hat auch eine Weile dann für mich gedauert.
Und ja, das Thema ist seitdem interessant geblieben.
Sebastian
Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir jetzt dein persönliches BDSM-Leben
und Erleben nicht im Detail auseinandernehmen, aber natürlich mag ich schon
so ein bisschen, wo würdest du dich verorten?
Was ist so das, was an BDSM für dich das Spannende ist?
Stephan
Also ich sehe mich selber so ein bisschen als BDSM-Romantiker eigentlich.
Also für mich hat das mit Hingabe und Unterwerfung und so eine ganz starke, ja romantische Komponente.
Ich bin mehr auf der aktiven Seite, dominant sadistisch, wobei Dominanz für
mich so die Schiene ist, ja wo eigentlich vorher schon klar ist sozusagen, wer gewinnen wird.
Also so einen typischen Kampf, das ist nicht so mein Ding, sondern ich mag es
gerade am BDSM, dass man sich die Rollen aussuchen kann, dass man die Rollen
vorher absprechen kann und im Grunde genommen schon vorher feststeht sozusagen,
wer gewinnen wird und sich dann eben entsprechend auch in die Rolle.
Reinfallen lassen kann, sie wirklich genießen kann.
Für mich hat BDSM eben ganz viel mit Einvernehmen zu tun. Das war auch das,
was ich erst lernen musste, dass es wirklich Frauen gibt, die das wirklich wollen.
Ja, weil das war für mich lange Zeit so ein Selbstbild, so nach dem Motto sadistische
Fantasien, Wünsche haben ist in Ordnung,
aber es wird keinen geben, der das wirklich mit einem macht und irgendwann dann
eben durch reale Kontakte dann die Erkenntnis, oh es gibt Menschen,
die wollen das wirklich.
Ich selber kann Schmerz überhaupt nicht erotisieren,
also auf der Schiene bin ich nicht, sondern ich liebe Experimente und so und liebe es eben,
wenn Frauen das können und erfüllen dann gerne Wünsche und sehe mich in der
dominant-sadistischen Rolle eigentlich so ein bisschen als den Wünscherfüller,
der quasi das spielt,
was die andere Seite haben möchte, nach eigenen Spielregeln,
aber eben schon immer mit einem ganz großen Augenmerk darauf,
was die andere Seite sich wünscht, möchte.
Und ja, zieh daraus auch selber meinen Kick, wenn die andere Person eben da
richtig abgeht mit dem, was mir Spaß macht.
Sebastian
Du hast eben ganz am Anfang kurz gesagt, ja, ich hatte da so Ideen und Fantasien,
aber ich wäre nicht drauf gekommen, das selbst auszuleben oder dass man das ausleben kann.
War das für dich schwierig zu sagen, ich habe da einen Drang,
ein Bedürfnis und muss es mir aber verbieten, weil es gesellschaftlich nicht funktioniert?
Stephan
Nein, also ich hatte mit meinen eigenen Bedürfnissen, ich hatte schon ein bisschen
erwähnt, dass ich hatte die ganz ganz früh.
Also schon im Kindergartenalter hatte ich solche Fantasien und die waren damals
auch noch völlig in Ordnung.
Und ich habe dann irgendwann im Grundschulalter so gelernt, dass man nicht alles
ausleben kann und darf, weil andere da manchmal drauf komisch reagieren.
Aber die Tatsache, dass andere manchmal komisch drauf reagieren,
hat mich nie zu dem Ergebnis kommen lassen, dass man das nicht darf oder dass
das nicht in Ordnung ist.
Für mich waren dann, ja zu den ersten Büchern, die ich gelesen habe,
gehörten dann die Werke von "Marquis de Sade" wirklich,
"Die 120 Tage von Sodom", eigentlich ein ganz schreckliches sadistisches Buch, war für mich aber,
wie soll ich sagen, eine lehrreiche Lektüre, in dem Sinne, dass ich vorher noch
diese Angst hatte, dass das irgendwie in Extreme abgeleitet.
Das haben wir, glaube ich, ganz häufig, dass Menschen denken,
wenn ich mich auf so was einlasse, dann wird das immer schlimmer.
Und dadurch, dass der Marquis de Sade in den 120 Tagen von Sodom den Sadismus
wirklich ganz kontinuierlich steigert, also er versucht quasi von Tag zu Tag
bei diesen 120 Tagen immer schlimmer zu werden.
Hat das auch ganz gut hingekriegt, nur am Ende wird es zu einer Aufzählung und
ich habe damals aus diesem Buch gelernt,
dass eben solche Fantasien nichts ins Unendliche verwachsen und sich weiterentwickeln,
sondern dass man da irgendwann immer an eine Grenze kommt und dann quasi wieder bei Null anfangen kann.
Das heißt, ich habe also auch bei meinen autoerotischen Fantasien oder so dann
immer gemerkt, wenn du einen gewissen Level erreicht hast, dann kannst du wieder
sozusagen bei Null anfangen und dann ist das auch wieder spannend und interessant.
Sebastian
Ja, das ist ja DAS Ding beim BDSM, dass man nie fertig wird.
Man kann immer sich ein neues Thema suchen und dann fängt man im Grunde wieder
von vorne an und das ist spannend.
Also die Liste, die das Podcastsubbie und ich auch haben mit Dingen,
die man unbedingt noch ausprobieren muss oder die man dann auch verfeinern kann,
die ist gefühlt unendlich, muss ich ja sagen.
Vielleicht mag ich das Publikum nochmal ein bisschen vorwarnen.
Wir werden heute relativ viele Bücher erwähnen, weil du da auch mit zu tun hast.
Stephan
Ja.
Sebastian
Ich werde sie versuchen alle zu verlinken oder zumindest die ISBNs in den Shownotes
mit rein zupacken, dass man sich da so ein bisschen lang hangeln kann.
Magst du erwähnen, was du mit Büchern zu schaffen hast?
Stephan
Ja, also ich bin ein sehr buchaffiner Mensch, bin von Beruf auch Buchhändler,
war aber immer im Bereich Fachbuch unterwegs, also nicht so sehr Belletristik,
obwohl mich die natürlich auch interessiert, sondern was mich an Büchern vor
allen Dingen immer fasziniert hat, ist eben,
ja, das Wissen eben da in einer Quelle zu haben, die man wirklich für sich nehmen kann und so,
dieses Kulturgut "Buch" war für mich immer faszinierend, weil man da eben was daraus
lernen kann und sich weiterentwickeln kann.
Ich bin selber ein sehr philosophischer Mensch und gerade im BDSM-Kontext war
für mich die Philosophie auch immer ganz wichtig, also mir selber klarzumachen,
was will ich da eigentlich, warum will ich das?
Und ja, für mich selber auch dann festzustellen, dass es gut und in Ordnung ist, das, was ich mache.
Und deswegen ist für mich BDSM-Ethik, sage ich es jetzt mal so,
ein ganz wichtiges und auch elementares Thema.
Sebastian
Du bist relativ früh schon zu einem Arbeitskreis gekommen, nämlich "BDSM und Christsein".
Stephan
Ja.
Sebastian
Das wird heute auch unser Hauptthema.
Es gab in der Kunst der Unvernunft schon einige Folgen, wo es um Glaube und Religion geht.
Da erwähne ich mal die Folge mit Daniel oder die Folge mit Dilara.
Und dann gab es auch noch Live-Folgen, wo Menschen darüber gesprochen haben.
Was aber nicht so bekannt ist, dass ich zu diesen Folgen doch...
Vermehrt Feedback bekommen habe, weil offenbar ganz viele Menschen einen Zwiespalt
haben und sagen, wie bekomme ich denn mein Glauben und BDSM unter einen Hut?
Das scheint doch ein, da sind Konflikte, da sind Widersprüche.
Ich habe das versucht, in den Folgen jeweils so ein bisschen aufzugreifen und zu klären.
Aber du natürlich, in deiner Funktion bei dieser Gruppe kannst mir natürlich
noch einen viel tieferen Einblick geben.
Und ich erhoffe mir, dass die Menschen, die da noch Fragen haben oder die mit
sich selbst ein bisschen kämpfen, dass sie vielleicht heute eine kleine Orientierung
bekommen können, was man denn da, ich sag mal, denken, machen, tun kann.
Was ist denn das für ein Arbeitskreis und was machst du dort?
Fangen wir erstmal damit an, was du dort machst.
Stephan
Ja, also es ist richtig, ich bin in den Arbeitskreis BDSM und Christsein sehr
früh dazu gekommen. Also quasi als der noch in der Gründungsphase war.
Ich habe damals für das Schlagwerk in Hamburg, also ein BDSM-Verein in Hamburg,
Themenabende moderiert und da ist die Gründerin des Arbeitskreises,
quasi habe ich das schon von meinen Themenabenden her gekannt und die hatte
mir dann schon erzählt, dass sie so was gründen will.
Entstanden ist die Geschichte Arbeitskreis "BDSM und Christsein" durch ein Inserat
in den, oder einen Artikel in den Schlagzeilen, also dem BDSM-Magazin,
wo sie einfach dann geschrieben hat, ich bin Christin und lebe BDSM und suche
halt andere Christen, bei denen das auch so ist.
Und wir haben damals dann mit E-Mails und mit Briefen damals noch ganz viel,
weil noch nicht jeder Internet hatte, angefangen uns auszutauschen zu allen möglichen Themen.
Es hat sich relativ schnell raus kristallisiert,
weil es von Anfang an ein bundesweiter Arbeitskreis dann war.
Dass man sich so zweimal im Jahr trifft und dann immer über ein ganzes Wochenende,
weil halt die Anreise für die Beteiligten doch immer recht weit war.
Und wir hatten dann immer auch mal zusätzlich noch regional Treffen,
dass man also, was weiß ich, alle, die im Hamburger Raum oder so gelebt haben,
dass man sich da auch mal dann auf einem Nachmittag oder so treffen konnte.
Und in der Anfangszeit eben auch regen Austausch über Briefe und E-Mails noch,
dass man dann auch Rundbriefe erstellt hat und so,
also die noch mit der Papierpost verschickt wurden und eben über E-Mail ganz
viel verteilt wurde und man sich einfach ausgetauscht hatte und das war für
mich, also ich bin zum Arbeitskreis nicht dazu gekommen,
weil ich da irgendwie einen Konflikt für mich gesehen hatte,
sondern für mich war das immer ganz selbstverständlich,
dass ich meinen christlichen Glauben habe und BDSM lebe.
Aber einfach weil ich das Thema spannend fand, eben hatte ich ja schon so erzählt,
BDSM-Ethik war für mich immer spannend und interessant und christliche Ethik eben auch.
Und zu gucken, wo sind da die Parallelen, wo könnte es vielleicht auch Konflikte
geben, war für mich eben intellektuell sehr, sehr spannend und schön war es
halt, wie bei Stammtischen oder so auch, da ganz viele Menschen kennenzulernen und zu treffen.
Vielleicht noch zum Namen, weil es wichtig ist. Arbeitskreis fand ich von Anfang
an einen genialen Titel auch für das Projekt.
Im Grunde hätte man auch sagen können Stammtisch oder so was,
aber dass wir uns wirklich das als Ziel gesetzt hatten,
auch Ergebnisse zu haben und wirklich mit dem Thema arbeiten zu wollen,
hat dem Ganzen auch eben so ne gewisse Disziplin gegeben, dass man nicht,
wie das kennt wahrscheinlich jeder von Stammtischen oder so,
dass man hinterher feststellt, wir haben über alles Mögliche gesprochen,
aber eigentlich nicht über BDSM.
Dass bei allen Treffen, die wir hatten, uns so immer klar war,
wir wollen eben zu diesem Thema reden und nicht zu irgendwas.
Und ja, auch sich eine gewisse Arbeitsstruktur, also dass man versucht hat,
Ergebnisse festzuhalten oder zumindest eine Struktur zu haben im Sinne von;
Wir haben immer ganz viele verschiedene Meinungen, auch zu allen Themen, das ist auch normal.
Aber man kann auch das als Arbeitsergebnis einfach festhalten,
dass man eben zu verschiedenen Themen verschiedene Meinungen haben kann und
da auch eine wunderbare Vielfalt abbildet.
Sebastian
Jetzt bist du schon darin, wie wird da gearbeitet, aber vielleicht ist erst
mal meine Frage die Themenwahl, also über was wird gesprochen und wer überhaupt, weil Christsein,
das kann ich jetzt so und so auslegen, das heißt ja nicht BDSM und die Katholiken,
sondern es ist ja das Christsein genommen, das schließt natürlich den Islam
aus, wobei es da die Frage, inwieweit das noch aktuell ist, das muss man alles noch besprechen.
Aber die Frage ist erstmal, jetzt warst du schon in der Arbeit drin,
was macht ihr, wie haltet ihr euch dazu an, dass ihr auch etwas tut,
dass ihr die Arbeit im Arbeitskreis auch verrichtet?
Aber wenn ihr euch da getroffen habt, über was habt ihr gerade am Anfang gesprochen?
Was waren Themen, was waren vielleicht auch Grundsätze, die erst mal,
ich sag mal, untereinander geklärt werden mussten und wo man vielleicht auch
einen gewissen Konsens finden musste?
Stephan
Also das Thema ist natürlich eben BDSM und Christsein.
Wir haben auch immer Menschen im Arbeitskreis und da kommen auch immer neue
dazu, die da auch einen Konflikt drin sehen.
Also diese Frage ist, ist das Christentum nicht eigentlich sexualitätsfeindlich
oder so, das kommt natürlich immer mal wieder oder gibt oder dass es auch einen
Konflikt geben kann zwischen BDSM und Christsein ist immer wieder Thema.
Der Austausch über die Gemeinsamkeiten ist sicherlich sehr, sehr wichtig.
Also wo gibt es auch Überschneidungen?
Zum Beispiel, dass das Thema Rituale sowohl im christlichen Kontext als auch
im BDSM-Kontext eine Rolle spielt.
Oder allein die Bezeichnung "Herr" wird sehr häufig schon als so Thema genommen,
was auch für manchen ein Konflikt darstellen kann.
Sebastian
Da muss ich kurz einhaken, also gerade Rituale. Wenn ich das erlebt habe in
der Kirche, wie ein perfektes Ritual geht,
wenn ich das sehen will, dann gehe ich in eine Messe und gucke mir an,
wie wunderbar das seit Jahrhunderten durch choreografiert ist und wo alles auf
dem Punkt ist und wo man einfach merkt, welche Macht ein Ritual ausüben kann.
Selbst wenn man nicht glaubt, ganz ehrlich, diese Magie springt dann doch über dieses Ritual.
Also da muss ich neidlos anerkennen, dass da die Kirche einen Monopol auf das
perfekte Ritual offenbar hat.
Ich kann mir das kaum besser vorstellen.
Stephan
Das perfekte Ritual bin ich mir eigentlich gar nicht so sicher.
Vielleicht als Insider merke ich auch immer, was fehlt sozusagen im Verein Kirche.
Aber ich bin von meinem Christsein her auch da eher so der Aktive,
der Macher, der sagt, wenn mir irgendwas noch nicht perfekt ist und ob man Perfektion
als Mensch erreichen kann, bin ich mir nicht so sicher.
Aber das, ich sag mal, das was man hat immer noch weiter zu perfektionieren
und zu weiterzuentwickeln, finde ich ganz super.
Und das Schöne am Arbeitskreis ist ja auch, dass wir von Anfang an auch immer
mindestens eine Andacht oder oft auch einen Gottesdienst gefeiert haben und so.
Und da auch die christlichen Rituale so gestaltet haben, wie die uns dann zusagten
und wie wir sie schön fanden.
Ein heikles Thema, mit dem wir uns öfter beschäftigt haben, ist auch die Frage,
BDSM als Seelsorge, geht das oder geht das nicht?
Also sprich, wie weit kann man sozusagen diese beiden Welten miteinander verbinden?
Sebastian
Jetzt ist quasi die direkte Frage, was ist denn damit gemeint BDSM als Seelsorge?
Stephan
Ja, also BDSM als Seelsorge. Das war damals, wo es richtig gut gelaufen ist,
so gemeint, dass ein Diakon aus Hannover das Thema als eigene Fantasie vorgestellt
hat, dass er davon träumt,
dass ihm jemand quasi in einer seelsorgerlichen Situation ganz viel Aufmerksamkeit gibt,
aber eben auch mit Elementen aus dem BDSM-Kontext.
Das ist von der Person auch schon jemand, der sich mit Seelsorge und Liturgie
wirklich sehr, sehr gut auskennt und der eben in beiden Welten zu Hause ist
und diesen Wunsch einfach geäußert hat, dass er das erleben möchte.
Und wir an der Stelle dann auch ganz viel darüber gesprochen haben,
Wo sind die Gemeinsamkeiten? Wie weit kann da gehen?
Also quasi wie so ein Brainstorming, wo man sich mal erstmal alles anguckt, was man machen könnte.
Ganz offen ran gegangen sind.
Sebastian
Okay, das überschreitet ja mehrere Tabuschwellen.
Stephan
Genau.
Sebastian
An der Stelle ist aber wichtig, dass er die Seelsorge empfängt.
Stephan
Genau.
Sebastian
Und aus der Perspektive das sieht.
Stephan
Richtig und wir hatten wie gesagt das zweite Treffen auch gehabt,
wo eben dann die Profis unter uns, also hauptsächlich die Theologen,
dann auch ganz klar die Grenzen aufgezeigt haben, eben die unterschiedlichen
Rollen im BDSM und in der Seelsorge und gesagt haben, man kann das nicht so einfach vermischen,
weil dann kommt was bei raus, was was man nicht wirklich wollen kann.
Sebastian
Ich finde das spannend, dass das genau der Raum ist, wo man über so was mal diskutieren kann,
weil das betrifft ja jetzt mehrere Tabus, also einen ganzen Haufen von Tabus,
die einfach miteinander verwoben sind und einen Raum zu schaffen,
wo man auch in einem Amt quasi hingehen kann und sagen kann,
pass auf, das habe ich in meinem Kopf und jeder Mensch, der irgendeiner Tätigkeit
nachgeht, wird natürlich auch den sexuellen Kontext damit verbinden.
Also Menschen, die im Büro arbeiten, werden tendenziell auch Fantasien haben
im BDSM-Bereich, wo irgendwas im Büro stattfindet vielleicht, ne?
Also da ist natürlich auch die Frage, welche eigene Lebenswelt habe ich?
Und dann binde ich das natürlich da immer auch mit ein.
Stephan
Finde ich ein sehr gutes Stichwort, weil das ist genau auch das,
was für mich der Arbeitskreis in allererster Linie ist.
Eben ein Raum, wo man solche Dinge einfach diskutieren kann,
wo man die Offenheit hat, weil ganz viele von den Mitgliedern auch im Arbeitskreis, die haben halt,
ich sag mal so die zwei Welten, die haben die BDSM-Welt, wo sie auch irgendwelche
Stammtische besuchen oder so und über SM reden können und ihre Kirchenwelt,
wo sie über Religion und Glaube reden können und der Arbeitskreis ist für solche
Menschen häufig eben der Raum, wo man beides kann,
wo man wirklich nicht nur eben, dass das offen erzählen können ist die eine
Seite, aber eben auch auch Menschen treffen,
die auch beide Seiten teilen.
Also die müssen ja nicht alle Ansichten teilen, aber dass man zumindest Menschen
hat, die auch in beiden Welten zu Hause sind und wo man sich dann einfach austauschen
kann und weiß, man wird mit beiden verstanden.
Sebastian
Jetzt ist aber das Ergebnis in diesem Fall gewesen, dass dann auch quasi eine
Entscheidung getroffen wurde.
Ist das denn statthaft oder nicht?
Stephan
Das ist ja, im Grunde genommen sind wir so was wie ein Debattierklub und was
ich jetzt aufzeigen wollte, ist, dass wir zwei Treffen zu dem Thema hatten,
zu dem gleichen Thema, mit einem gewissen Zeitabstand, auch mit völlig unterschiedlichen Ergebnissen.
Das heißt, bei dem einen Treffen, Bundestreffen war das, haben wir so gesprochen,
was alles möglich ist und da eine riesen Bandbreite aufgezeigt.
Und bei dem anderen Treffen haben wir quasi gesucht, was alles nicht möglich ist.
Das heißt also, auch wenn wir zweimal das gleiche Thema im Arbeitskreis bearbeiten,
kann es sein, dass wir zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen kommen.
Einfach weil das auch nicht die gleichen Personen waren, natürlich,
weil man einfach in unterschiedlichen Rollen da war.
Und ja, ich meine, das kennt sicherlich jeder auch von einem Stammtisch oder so.
Da hat man auch manchmal mit ein paar Wochen Abstand das gleiche Thema und kommt
zu einem ganz anderen Ergebnis.
Und das ist auch gut so.
Sebastian
Ja, oder zum Beispiel diesem Podcast, wo es bestimmt schon zehn Folgen zum Thema gab "Bondage".
Und es ist doch immer wieder was anderes. Andere Intention, andere Menschen,
andere Herangehensweise.
Ja, ist spannend an der Stelle dann auch diese Möglichkeiten zu sehen und eben
auch den Raum zu haben, wo das geht.
Aber diese Trennung ist jetzt erstmal an der Stelle der Mehrheitskonsens.
Wobei natürlich das schon so ein bisschen, da sehe ich auch in meinem BDSM-Erleben dann dieses,
wenn man einen Faktor hat, wie wenn man ein Ritual hat, wie zum Beispiel eine
Strafe, dann ist das ja nicht nur dazu da, um dem Gegenüber wehzutun und Schmerzen zu verursachen,
sondern um dann auch zu sagen Und jetzt ist gut, die Sache ist jetzt erledigt.
Also da ist dann auch diese Vergebung, um mal im Vokabular jetzt zu bleiben,
Die ist natürlich auch ein wichtiger Teil davon, dass man hinterher sich geläutert
fühlt und dass das eben auch Teil des BDSM-Erlebens ist.
Da vermischen sich dann auch die Rituale schon wieder so ein bisschen,
auch wenn ich, ich muss es einmal hier heute nochmal sagen, ich bin der Logik
so sehr anheim gefallen, dass ich tatsächlich bekennender Artist sein muss,
weil nichts anderes für mich persönlich logisch ist.
Trotzdem interessiert mich das Thema ungemein, weil das für mich so wenig fassbar
ist und deshalb finde ich es auch toll, dass du da bist.
Ich versuche mir gerade nur mal den Arbeitskreis vorzustellen.
Ihr seid da, ihr bringt immer ein Thema mit, was dann diskutiert und erarbeitet
wird oder kommt das von alleine?
Stephan
Also bei uns kommen die Gespräche schon immer ganz schnell auch von alleine,
aber ich persönlich bin eigentlich immer bemüht, dass man auch ein Thema hat,
weil das schon alleine für die Einladung für so ein Bundestreffen,
und um das halt in irgendwelchen sozialen Medien zu veröffentlichen,
immer ganz wichtig ist, dass man ein Thema hat.
Mir persönlich ist auch immer wichtig, dass man in irgendeiner Form eine Bibelarbeit
zu dem Thema dann auch noch machen kann, wenn wir ein Treffen vorbereiten.
Aber ansonsten, die Themen sind schon sehr vielfältige und weil es da einfach auch ganz viel gibt.
Also das mit der Vergebung ist das, was mir im Moment noch so,
wie soll ich sagen, meine Fantasie im Moment bewegt, weil das wirklich so eine
für mich auch ganz starke Parallele ist, weil das eben auch so eine Machtbeziehung
mit hat oder so vergeben zu können.
Und wo ich auch gerade dann die Grenze sozusagen sehe, es zu vermischen.
Und ja, also das ist ein wirklich spannendes Thema.
Sebastian
Ja, wir kommen noch ganz viel Richtung Werte und philosophische Ansätze.
Ich mag noch mal so ein bisschen schauen, wie weit deine Kenntnisse da sind,
weil natürlich du hast eine gewisse Expertise, vielleicht fürs Publikum noch mal zum Einordnen,
Wie weit bist du beim Thema Religion, Christentum, Firmen?
Stephan
Also ich bin in dem Bereich wirklich Autodidakt und das auch glaube ich aus eigenem Wunsch heraus.
Also ich hatte nie die Absicht, aus diesem Interesse einen Beruf zu machen,
sondern mich hat das Thema einfach interessiert.
Und ich glaube, für mich war das Thema Glaube auch immer ganz stark verknüpft
mit Freiheit und ja und Lebendigkeit vor allen Dingen auch. Also ich bin...
Zum Glauben auch erst, ich sag mal so, als Schüler dann wirklich gekommen,
dass das Thema interessant wurde, also in der Oberstufe.
Weil für mich vorher als Jugendlicher oder so Konfirmation habe ich einfach
so mitgemacht und dann wurde es irgendwann wirklich spannend und,
ja ich habe in dem Bereich Freiheit gesucht und Freiheit gefunden und da kommt
man natürlich dann auch zu anderen Ergebnissen als vielleicht anderen Menschen,
die eher Verbindlichkeit suchen und Verbindlichkeit dann in diesem Kontext finden.
Ich bin aus eigener Überzeugung wirklich Protestant, obwohl ich mich für den
Katholizismus auch sehr interessiere.
Und ja genau, das hatte ich zum Arbeitskreis auch noch nicht gesagt,
das ist vielleicht ganz wichtig, dass es von Anfang an ein ökumenischer Arbeitskreis
war, also wie aus allen christlichen Bereichen da Menschen haben.
Für mich ist diese protestantische Haltung schon wichtig,
wobei so Sachen wie Beichte und Absolution eben für mich auch ein ganz spannendes
Thema zum Beispiel ist, die im Evangelischen teilweise ein bisschen zu kurz kommt.
Sebastian
Ich mag es mal so ein bisschen runter brechen.
Stephan
Ja, gerne.
Sebastian
Es gibt Werte, die Religion, die Glaube, die Kirche. Ich glaube Kirche an der
Stelle. Kirche vermittelt Werte.
Das ist ja auch mit deren Job an der ganzen Institution, auch Orientierung zu geben.
Jetzt habe ich BDSM, da brauche ich auch Werte.
Wir haben, ich sag mal so, ich glaube auch an Werte wie Konsens, an ein Miteinander, an Respekt zwischen Spielenden.
Das sind moralische Werte, die ich durchaus beim BDSM erwarte.
Das sind Werte, die ich kurzzeitig außer Kraft setzen kann, aber so richtig
auf lange Sicht Spaß macht das eigentlich nur, wenn ich mein Gegenüber eben
respektiere und darauf achte, dass ich auch morgen noch mit dem Menschen gut auskomme.
Also da merke ich, da gibt es Parallelen.
So, jetzt gibt es den Arbeitskreis und den gibt es jetzt seit, sind das schon 30 Jahre?
Stephan
Ne, 20.
Sebastian
20 sind es.
Stephan
Aber mehr als 20 schon.
Sebastian
Auf jeden Fall ist das eine ganze Menge. Es können sich Menschen an den Arbeitskreis
wenden, die, ja ich sag mal, Fragen haben.
Stephan
Ja.
Sebastian
Kommt, also, ja, was sind die, ich sag mal, Sorgen und Nöte der Menschen,
die sich direkt an euch wenden?
Stephan
Also ganz unterschiedlich.
Sebastian
Ich nehme Beispiele und Anekdoten, ich nehme alles.
Stephan
Ja, genau. Ich versuche jetzt mal zwei Beispiele zu finden, die so ein bisschen
das Spektrum abdecken von,
ich sag mal, auf der einen Seite Menschen, die wirklich sagen BDSM und Christsein,
dass das gar nicht zusammenpasst, Sexualität ist Sünde, BDSM ist Sünde,
kann man doch nicht leben.
Wieso gibt es euren Arbeitskreis überhaupt?
So ungefähr ist dann schon die grundsätzliche Anfrage.
Und die Art, wie wir damit umgehen, ist eigentlich, dass wir diesen Fragen,
die die Menschen dann haben, einfach zuhören.
Und eigentlich nur ein paar Informationen dann geben, ein bisschen was von uns erzählen oder so.
Weil die Entscheidung muss derjenige, der mit so einem Weltbild oder mit so
einer Vorstellung kommt, ja dann für sich selber treffen.
Die kann man ihm ja auch nicht abnehmen.
Und ja, oft ist es so, wenn Leute dann hören, ja BDSM kann einvernehmlich stattfinden,
kann wirklich schön und abgesprochen sein und so, dass sich dann vielleicht
was ändert oder auch nicht.
Natürlich gibt es auch immer Leute, die sagen, ich bleibe bei dem, was ich da meine.
Und wenn dann jemand für sich selber auch sagt, ich werde weiterhin auf BDSM
verzichten, weil ich es für Sünde halte, dann ist das auch legitim.
Häufig ist der Hintergrund dann auch, dass er für sich keine Chance sieht,
zum Beispiel so was in der Ehe zu leben.
Und das für viele Christen ja auch so ein Gesetzesding ist, Sexualität findet
nur innerhalb der Ehe statt.
Und da muss man natürlich auch erstmal ne Ehepartnerin sozusagen haben, die das Thema teilt.
Sebastian
Das sind also Menschen, die ganz konkret selber den Konflikt haben,
aber auch schon die vorgefertigte Meinung haben, es wird nicht gehen.
Dann entdecken sie euch und können sich gar nicht vorstellen,
das ist ja ungeheuerlich, dass da jemand versucht, das zusammenzubringen.
Stephan
Ja, genau.
Sebastian
Ist das tatsächlich so?
Stephan
Solche Menschen gibt es tatsächlich und ist sozusagen das, ich habe ja vorhin versucht zwei Seiten
zu beschreiben, das ist sozusagen das Extrem auf der einen Seite.
Sebastian
Wir bleiben mal dabei, weil das finde ich total spannend, weil die Menschen
sind ja selbst in der Not, ich habe Bedürfnisse,
ich sehe nicht, dass ich die ausleben kann und jetzt poltere ich bei den Menschen,
die mir vielleicht einen Rat geben können, erstmal rum und sage, was sollen das?
Ich finde die Perspektive ganz schön, ich sag mal unverschämt,
weil ich gehe ja auch nicht irgendwo hin und sage, helft mir,
aber ich finde euren Ansatz doof.
Also diese Schwelle zu überschreiten, sich an euch zu wenden,
ist das vielleicht ein moralisches Problem, was die Leute haben,
überhaupt den Kontakt zu euch erstmal aufzubauen und dann muss es halt erstmal...
Unschön sein, damit man erstmal ins Reden kommt?
Stephan
Ja, solche Menschen kommen ja häufig aus einem Hintergrund, wo es,
es wird ja meistens auch nicht mal gesagt,
dass man BDSM nicht leben darf, sondern wo es irgendwie so aus dem Kontext klar
ist, alles was Sexualität ist, ist irgendwie schmutzig und die einzige Ausnahme,
die eigentlich bei fast allen Christen, auch nicht bei allen,
aber bei fast allen eben der Konsens ist, wenn es innerhalb der Ehe und zum
Kinderkriegen ist, dann ist es in Ordnung.
Und aus meiner Sicht ist es menschlich völlig verständlich, dass jemand,
der aus so einem Hintergrund kommt, dann erst mal sagt, für mich war das ein
Leben lang selbstverständlich Sünde.
Die haben häufig auch ein Selbstverständnis. Es gibt halt Dinge,
auf die man verzichten muss.
Also für solche Menschen ist es meistens dann einfach eine Lebensaufgabe,
sozusagen, die man bekommen hat.
Ich habe da eine Neigung, ich darf sie nicht ausleben, also muss ich mich damit
arrangieren und das dann irgendwie hinkriegen.
Und das hat ja dann auch ganz viel mit persönlicher Leistung zu tun, das dann zu schaffen.
Und ich finde es auch legitim, wenn Menschen sagen, auf das und das möchte ich
verzichten oder so, weil das ist ja auch eine Lebensentscheidung,
was für mich selber nur immer wichtig ist, dass man solche Entscheidungen nicht
anderen aufdrückt und anderen sagt, du musst verzichten, weil,
sondern dass, wenn jemand für sich selber sagt, ich möchte auf BDSM verzichten,
weil mir das irgendwie nicht geheuer ist.
Ich hatte ja eingangs bei mir selber erzählt, dass ich auch mal in dieser Phase
war, bevor ich die Szene kennengelernt habe, dass ich gesagt habe,
das sind nette, schöne Fantasien, aber ich werde sie halt nicht ausleben.
Wobei das bei mir auch ohne jede Bitternis oder so war, weil das einfach geile
Fantasien waren, die ich als geile Fantasien auch genossen habe.
Und sie nicht ausleben zu können, war einfach mein Weltbild,
dass ich gedacht habe, es gibt keine Frauen, die das wirklich wollen.
Und bei mir war es sogar so, dass ich im Grunde genommen auf ner Party zwei
Männer beim BDSM-Spiel beobachtet habe und dann gemerkt habe,
der Masochist in diesem Spiel, der will das wirklich.
Der war halt einfach so in seinem Flow drin, dass ich gemerkt habe,
da ist jetzt nichts drin.
Und es war für mich auch dieser Punkt zu merken, da ist jetzt keine Frau,
die von einem Mann manipuliert wird, ist das richtige Wort.
Weil ich so dieses Bild hatte, ja wenn Frauen das machen, dann tun sie es nur,
weil irgendein Mann sie dazu gebracht hat, so ungefähr.
Das waren zwei Männer. Das heißt, dieses gewohnte Argument war dann schon mal falsch.
Das war sozusagen ein Mann, dem ich einfach, weil er ein Mann war,
unterstellt habe damals, der will das wirklich, was er macht.
Ab dem Moment war für mich selber auch erst klar, ja man kann BDSM leben,
es gibt das auch als einvernehmliche Variante.
Und ab dem Moment war für mich selber auch sofort klar, oh ja,
dann kannst du ja jetzt auf Partnersuche gehen und dadurch, dass es eine Szene
gibt, in der du ganz viele Menschen kennenlernen kannst, hast du auch eine reelle Chance,
ich sag mal, ne Partner/Partnerin zu finden und ich habe tatsächlich auch meine
Frau, mit der ich jetzt schon lange verheiratet bin, dann in der Szene kennengelernt.
Also insofern ist das zumindest bei mir auch aufgegangen und ich habe vor diesem
Hintergrund auch ganz viel Respekt vor Menschen,
die halt sagen, ne, werde ich für mich nie leben können, will ich für mich auch
nicht leben und finde es ganz wichtig,
dass wir auch als BDSMler eine solche Entscheidung dann respektieren und sagen
gut es gibt auch Leute die die haben die Neigung aber wollen sie einfach aus
welchen Gründen auch immer nicht nicht ausleben und das ist legitim.
Sebastian
Was sind denn Gründe warum sie es nicht ausleben? Also ja es ist Sünde.
Ganz ehrlich, ganz viele Sachen sind Sünde und die werden auch von gläubigen
Menschen nicht so genau genommen.
Bei dir war es diese Gewissensgeschichte oder dieser Irrtum,
es kann gar nicht sein, dass mein Gegenüber das auch wollen würde.
Du konntest vom Gegenteil überzeugt werden, zack, Problem gelöst.
Stephan
Ich bin quasi durch die Wirklichkeit vom Gegenteil überzeugt worden.
Und ich glaube, was ich mir vorher nicht vorstellen konnte und was für mich
ganz wichtig war, man hat ja als aktiver Part im BDSM-Spiel auch die Möglichkeit,
endlich mal das Gegenüber ganz genau zu beobachten.
Ich kann mich an meine allererste BDSM-Session erinnern, wo wir so eine Regel
hatten mit Nein und Stopp.
Also sprich, Nein durfte sie so oft sagen, wie sie wollte. Das kommt ja so als
Reflex manchmal rein und Stopp war sozusagen für mich ein Hinweis,
da ist was nicht in Ordnung.
Ich hatte, nachdem wir dann so voll im Spiel waren, hatte ich dann wirklich
nur das Bedürfnis, sie anzugucken und hörte dann von ihr den Satz, Nein heißt nicht Stopp.
Weil sie dachte wirklich so, ich hätte jetzt innegehalten, weil ich sozusagen
irgendwie, weil sie Nein gesagt hat oder so.
Tatsache war, ich habe sie einfach nur angeguckt, weil ich von dem fasziniert
war, was ich da sozusagen selber verursacht hatte, sozusagen durch eigentlich
sadistische Handlungen, sprich ich habe sie unter anderem geschlagen und vorher
gefesselt gehabt und so.
Und das war das, was ich mir vorher nicht vorstellen könnte,
dass dieses Zustimmen eben nicht nur verbaler Natur ist, sondern dass man wirklich
in der Beobachtung des Körpers, was man dann auch machen kann, der Atmung,
wie sie auf was reagiert und so dieses,
ja, sag ich mal, auf einer ganz sicheren Ebene, dann weiß, ja,
das ist jetzt wirklich so gewollt und das ist nicht vorgespielt und das ist nicht irgendwie,
ja, sprich, also die Art der Beziehung oder der Interaktion war, war in der Realität
dann viel klarer, als ich mir das vorher in meinen Fantasien ausgemalt habe.
Sebastian
Okay, jetzt hast du ja diese Erfahrung gemacht. Jetzt kommen Menschen zu euch
und sagen, das geht nicht für sie selbst, jetzt hast du ja im Prinzip die Möglichkeit,
deine Erfahrungen mit den Menschen zu teilen.
Also gelingt es dann auch den Menschen, die sagen, ich lehne das ab,
dass sie zumindest ein gewisses Verständnis erreichen?
Also bekommt ihr im Arbeitskreis die Gelegenheit, den Menschen ein bisschen
mehr mitzugeben? Und auch, was sind so die Top-Gründe, warum sie sagen,
das ist Sünde. Weil BDSM ist ja nicht an sich Sünde.
Es gibt ja meistens irgendwelche Dinge, bei dir war es das Gegenüber.
Als submissive Person habe ich vielleicht das Problem mit dem Konsens vielleicht gar nicht so sehr.
Da ist also die Frage, warum geht das nicht? Also was spricht denn bei den Menschen
dagegen, dass BDSM in Ordnung ist?
Stephan
Also es gelingt nicht immer, dass man andere davon überzeugen kann und der beste
und aus meiner Sicht glaubhafteste Weg ist eben, dass man von sich selber erzählt.
Ich habe jetzt selber so vor allen Dingen das Bild Kirchentag vor Augen.
Das heißt, wir haben schon mehrere Male auf dem Kirchentag einen Infostand gehabt.
Kann man sich so vorstellen, wie viele BDSM-Initiativen ja auf dem CSD oder
so einen Infostand haben, wo wir einfach über BDSM informiert haben.
Und da finden solche Gespräche, wie wir sie gerade beschrieben haben, eben auch statt.
Mit dem riesen Vorteil, dass es eben nicht per E-Mail oder per Telefon ist
oder wie sonst eben meistens, sondern wirklich dann real ist.
Und da habe ich die Erfahrung gemacht, wenn man sich wirklich die Zeit nimmt
und dem anderen auch im persönlichen Gespräch dann auch die Zeit gibt,
das, was man ihm erzählt.
Zu verstehen und zu reflektieren, dann überzeugt man, wenn man wirklich von
sich selber spricht und dass das einvernehmlich und schön ist,
also mit dieser ganzen Subjektivität, dass man wirklich von sich erzählt,
dann bewirkt man bei den Menschen eigentlich immer was.
Man schafft es nicht immer natürlich die Leute zu überzeugen,
aber man hat, ich sag mal als Christ auf dem Kirchentag häufig zumindest schon
mal eine gemeinsame Basis.
Ich kann mich an viele Gespräche erinnern, wo ebenso dies zu beten ebenso immer
der Minimalkompromiss ist, den man als Christ eigentlich immer hat,
dass es gut ist zu beten und man sich dann halt einfach annähert und wichtig
eben ist, den anderen zu respektieren,
wer es auch mit seinem Nein eben zu respektieren und dann eben ins Gespräch
reinkommen und einfach subjektiv und ehrlich und offen zu erzählen,
warum man selber irgendwann in seinem Leben zu einem Ja zu BDSM gekommen ist.
Sebastian
Das klingt aber so, dass die Leute nicht...
Konkrete Ideen haben, warum BDSM, ich sage mal, unchristlich wäre, sondern das ist halt so.
Stephan
Ja, das ist auch ein ganz spannender Punkt, den ich genauso beobachtet habe.
Die allerwenigsten Christen, da geht es meistens dann nicht nur um BDSM,
sondern um Sexualität allgemein, können gar nicht sagen, warum sie ein Weltbild
haben, in der Sexualität negativ ist.
Weil es ist meistens dann nicht nur der BDSM, was abgelehnt wird,
sondern eigentlich alles, was mit Sexualität zu tun hat und über die eheliche
Fortpflanzung hinausgeht, sage ich mal.
Sebastian
Da eröffnet BDSM doch Möglichkeiten, denn BDSM muss sich ja nicht per se als
sexuell motiviert sehen.
Stephan
Ja, aber das ist eigentlich so der Punkt. Also es gibt auch ganz viele im Arbeitskreis,
die sogar sagen, für mich ist BDSM nicht sexuell oder so,
aber die Möglichkeiten hat man dann schon, aber dieses Negativsehen des Sexuellen
ist eigentlich genau der Punkt, wo es eben nicht um die Fortpflanzung geht.
Also gerade das Thema Begehren oder so, ist glaube ich das, warum Menschen das ablehnen.
Das ist aus meiner Sicht auch nicht spezifisch christlich, weil für mich ist
eigentlich christlich eher das Gegenteil.
Ich sag's mal so, das Hohelied der Liebe ist ja ein so zentrales Buch der Bibel
und ist eigentlich das, was die meisten Menschen auch eher von der Sexualität denken,
dass das eben eigentlich sozusagen ein Gottesgeschenk ist oder auch natürlich,
dass es Teil der Schöpfung ist.
Aber es wurde halt in der Philosophie, wurde Sexualität immer schon maximal neutral gesehen.
Und das hat, sag ich mal, sich auch ins Christentum meiner Meinung nach niedergeschlagen
und hat aus meiner Sicht einfach den Grund.
Also ich merke, ich habe da halt schon mehr drüber nachgedacht über das Thema,
deswegen habe ich da vielleicht eine etwas andere Erklärung.
Ich glaube, das kommt wirklich aus dem Patriarchat, weil das Christentum und
auch das Judentum als Vorgängerreligion haben eigentlich die Situation schon vorgefunden.
Das heißt, man hat das Patriarchat als Situation gekannt und sozusagen nur interpretiert, weil das älter ist.
Und zum Patriarchat gehört halt zwingend dazu, dass die Sexualität der Frauen
unterdrückt werden muss.
Die Frauen werden sozusagen zu einer Ressource, über die der Mann verfügen kann.
Das ist ganz wichtig für unsere Kultur auch, weil dadurch haben die Männer dann
den Freiraum, sich um andere Dinge zu kümmern und hat die Hochkulturen,
die wir heute haben, halt erst möglich gemacht.
Sebastian
Oh je, nochmal, gut, wir verabschieden uns ja momentan davon.
Also die Reste des Patriarchats, die spüren wir ja immer noch.
Die sind ja immer noch allgegenwärtig, aber es wird weniger.
Das heißt, eigentlich leben wir gerade in ganz spannenden Zeiten,
weil quasi unsere Generation hoffentlich abschließend diesen Wechsel mitnimmt.
Stephan
Wir sind auch, glaube ich, dadurch gerade erst die erste Generation,
die jetzt wirklich in der Sexualität etwas Positives sehen kann.
Also ich sehe BDSM auch heute als Teil einer sexpositiven Bewegung,
obwohl ich das Wort nicht so mag, aber ich habe kein anderes dafür.
Wo die Menschen heute, ich sag mal, eine ganz andere Sexualität entwickeln können,
als die Jahrhunderte vorher, weil wir da eben jetzt Freiräume geschaffen haben,
die uns das ermöglichen.
Und das ist genau deswegen, weil wir dabei sind, das Patriarchat zu überwinden
und eben diese anderen Formen der Sexualität, die jahrhundertelang wichtig waren, eben zu überwinden.
Sebastian
Jetzt ist es natürlich immer spannend, dass ich natürlich als dominant männliche
Person da als Teil des Problems gesehen werden kann, aber das ist vielleicht dann auch dieser Punkt.
Ich lehne das Patriarchat ab, aber manche Mechanismen davon kann ich erotisieren.
Stephan
Das ist ein ganz spannender Punkt aus meiner Sicht, weil wir leben auch glaube
ich als BDSM-Community heute in der Gefahr,
dass es Männer gibt, die sozusagen ihre alten Rollen rüber retten wollen sozusagen
und die die BDSM benutzen aus meiner Sicht,
um eben in diesen alten Rollen drin zu bleiben und für mich war BDSM immer genau
das Gegenteil, nämlich dass man diese historischen Rollen aufbrechen kann,
selbst wenn man die genauso spielt, wie sie sozusagen historisch gegeben sind,
aber dadurch, dass man ein Einvernehmen herstellt sozusagen,
macht man dann de facto doch etwas ganz anderes.
Sebastian
Ich glaube, das ist der Punkt, es ist nicht mehr ein gesellschaftlicher Zwang
von außen, der den Menschen sagt, wie sie sich zu verhalten haben,
sondern die Entscheidung haben sie hoffentlich selbst getroffen.
Und dann können sie entscheiden, was sie wollen.
Jetzt hattest du ja vor, das ist schon wieder 20 Minuten her,
die erste Gruppe genannt, die Menschen, die sich an euch wenden,
die sagen, um Gottes Willen.
Stephan
Ja, genau.
Sebastian
Das ist die eine Seite des Spektrums. Also das sind die Menschen,
die auch ganz klar behaupten, der Stix mit seinem Podcast, der kommt in die Hölle.
Stephan
Ja, könnte sein.
Sebastian
Okay, das werden wir nachher noch ausdiskutieren, ob das wirklich so ist.
Stephan
Auf die Frage freue ich mich schon.
Sebastian
Wie ist denn das andere Spektrum, also die andere Seite?
Stephan
Zu uns kommen natürlich auch ganz viele Menschen, wahrscheinlich auf dem Kirchentag
oder sogar die Mehrheit, die sagen, ich habe da gar keine Konflikte.
Das geht dann auch von vielen, die sagen, Arbeitskreis wie euren braucht es
gar nicht, weil da gibt es keine Konflikte.
Das ist beides normal sozusagen.
Und auch Leute, die eben sagen, ja super, dass es euch gibt.
Das gehört natürlich zusammen.
Und ich finde es auch super, dass es da eben Gruppen gibt, wo man sich eben
über das Beides austauschen kann.
Sebastian
Ja, dieser Austausch. Wir kommen jetzt hier so ein bisschen weiter in Richtung Werte und Ethik.
Also wenn der Arbeitskreis im Grunde ein Debattierklub ist, dann heißt es ja,
ihr habt Themen, ihr müsst die besprechen und ich habe hier auch Themen,
über die ich mit dir auch ein bisschen diskutieren möchte.
Also einmal auf einer Ebene zwischen uns beiden, aber mich interessiert natürlich
auch, was da im Arbeitskreis schon vorkam und auch was da, welcher Konsens dort erreicht
werden konnte, außer beten.
Stephan
Ja, das Beten ist ein Konsens, den wir sogar mit den Menschen meistens haben,
die eben nicht im Arbeitskreis sind, sondern die eher von außen kommen und sagen,
das, was ihr macht, ist Sünde.
Im Arbeitskreis haben wir eigentlich nur so einen Minimalkonsens eigentlich
immer gemeinsam, weil es ist,
also ich glaube, über den Arbeitskreis finden Menschen zueinander,
die sonst im realen Leben nicht zusammenfinden würden, aus ganz unterschiedlichen
Regionen, mit ganz unterschiedlichen Hintergründen auch.
Ja, der Minimalkonsens, den wir im Arbeitskreis eben haben, ist auch noch so
die Safe, Sane und Consensual.
Einfach, dass das BDSM einvernehmlich ist, dass das BDSM mit Gewalt nichts zu tun hat.
Aber ansonsten haben wir da eigentlich ne riesen Bandbreite, sage ich jetzt mal,
sowohl von der Definition, was BDSM ist, als auch von der Definition,
was Christsein bedeutet, weil das hatte ich ja auch schon erwähnt,
dass wir ein ökumenischer Arbeitskreis sind.
Wir haben relativ viele Leute aus freikirchlichen Hintergründen auch,
eben Landeskirche, Protestanten, auch viele Katholiken.
Also da haben wir schon relativ große Unterschiede, was die Vorstellung betrifft.
Sebastian
Was sind denn Themen, die auch so ein bisschen Konfliktpotenzial haben,
wo der Konsens also schwer erreicht wird?
Gibt es da Beispiele? Zum Beispiel auch zu Praktiken, die man vielleicht nicht machen kann?
Oder der Umgang miteinander, wenn ich mit einer Person BDSM auslebe?
Stephan
Also da unterscheiden wir uns glaube ich nicht von allen Stammtischen,
die es auch so gibt, sage ich mal.
Ja, vielleicht ein bisschen, dass das bei uns viele Menschen sind,
die halt auch im BDSM-Kontext sehr engagiert sind und so.
Also zum Beispiel, was weiß ich, Erste-Hilfe-Workshops im BDSM-Kontext anbieten und so.
Und dass man da natürlich dann bei Technikfragen auch, ja sage ich mal,
unterschiedliche Vorstellungen hat, ist, ist normal und die werden dann halt
so ausdiskutiert, wie man es wahrscheinlich von BDSM-Stammtischen her oder so kennt.
Der eine sagt, das muss man so machen, der andere sagt, das muss man so machen.
Und am Ende, sag ich mal, haben beide einfach gelernt, dass sie ihre Meinung
haben und dass es die Meinung des anderen auch noch gibt.
Also was weiß ich, wie man irgendwelche Knoten setzen muss, wie man,
also es gibt immer so diesen Part, wo es wirklich um objektive Tatsachen geht.
Also sprich in den medizinischen Bereich rein oder so, wo man sagen kann,
die und die Gefahren liegen davor.
Da haben wir halt bei uns auch immer die Experten, die dann wirklich sagen können,
aus den und den Gründen sollte man das und das nicht machen.
Ja und dann eben irgendwelche Leute, die sagen, ich experimentiere halt doch
in die und die Richtung und ähm...
Sebastian
Okay, also liebes Publikum, das hier ist gerade eine harte Nuss für mich,
denn ich schaue natürlich, dass Stephan ein bisschen plaudert,
was dort besprochen wird, wo Konfliktpunkte sind.
Und mit Beispielen bist du da gerade sehr zurückhaltend. Also versuche ich da
nochmal ein bisschen mehr zu bohren.
Wo ist denn dieser Punkt, wo man sagt, na ja, diese Art des BDSM überschreitet
die Grenzen des Christseins?
Und wo ist das auch nicht so klar? Wo hat man vielleicht die eine Hälfte,
die debattiert und sagt, das ist natürlich völlig in Ordnung und andere sagen,
nein, das überschreitet jetzt die Grenze, das geht so nicht mehr.
Stephan
Ja, also ich glaube, der Wertekontext, den wir haben, der ist bei Christen heute
kein anderer als in der Allgemeingesellschaft eigentlich, dass wir eben so,
ja, das was man mit Safe Sane und Consensual eigentlich schon abgedeckt hat
und die individuellen Unterschiede, oder nein, was macht Christen aus,
das wäre glaube ich dann der Punkt, auf den es ankommt und das ist ja,
das ist für mich auch relativ schwer zu fassen.
Sebastian
Ich mag so ein bisschen in den Arbeitskreis rein gucken. Also es entspinnt sich
ja mal eine lebhafte Diskussion.
Stephan
Genau.
Sebastian
Worüber?
Stephan
Ein Beispiel, was mir auffällt, ist, dass wir relativ viel auch über so Themen wie,
wie Tod und Endlichkeit des Lebens reden, ganz viel über Leiblichkeit und so,
weil das Themen sind, die für uns halt dann auch interessant sind,
dass wir ganz viel auch über Gottesbilder zum Beispiel reden,
die sehr unterschiedlich sein können.
Bei den einen sind die Gottesbilder völlig abstrakt und von,
ich sag mal, einem atheistischen Nichts schon kaum noch zu unterscheiden.
Für andere sind Gottesbilder sehr konkret, im Sinne von, das ist ein alter weißer
Mann mit Rauschebart oder so was.
Da gibt es auch innerhalb der Glaubenswelt eben sehr, sehr unterschiedliche Vorstellungen.
Und das Schöne am Arbeitskreis ist einfach, einen Raum zu haben,
wo man das einfach mal so erzählen kann, wie man es empfindet und dann auch
selber merkt, es gibt da ja Unterschiede.
Oder was wir eben viel machen, ist auch die Bibelarbeit oder so,
dass man da irgendeine biblische Geschichte liest oder so und ganz unterschiedliche Vorstellungen hat.
Also wir hatten beim vorletzten Bundestreffen, um es ein bisschen konkreter
zu machen, uns mit dem Hohelied der Liebe beschäftigt.
Das ist so der Porno im Zentrum der Bibel und auch mit den Entsprechungen dann im Neuen Testament.
Und da habe ich zum Beispiel ein paar Stellen bei Paulus, also sein Männerbild
und Frauenbild, durchaus BDSM-lich interpretiert, dass eben.
Ich kann die Stelle jetzt nicht wörtlich zitieren, dass der Leib der Frau dem
Mann gehören soll und der Leib der Frau dann, also genau umgekehrt dann eben,
also dass man einander gehört und so, das hatte für mich schon so ein gewisses
BDSM-Element, wo dann einer aus dem Arbeitskreis sagte, nee,
das hat mit BDSM überhaupt nichts zu tun,
weil der halt einfach ein anderes BDSM-Verständnis hat, weil er sagte,
das wäre ja ohne Machtgefälle und deswegen ist das für ihn kein BDSM.
Und das war dann durchaus eine Kontroverse, wo ich gemerkt habe,
aha, für ihn ist die Definition,
BDSM muss immer ein Machtgefälle haben und für mich war Hingabe, Unterwerfung,
der Leib des anderen gehört einem sozusagen, war für mich schon BDSM genug.
Sebastian
Okay, das ist ja spannend, weil ich sehe ja als eine der Aufgaben von Kirche,
nicht von Glaube, sondern von Kirche, die Bibel zu interpretieren,
auch auf das aktuelle Tagesgeschehen, wo man dann sagt, okay,
da kann ich etwas raus ziehen.
Und jetzt geht ihr auf die Suche, oder nein, ihr findet Textstellen in der Bibel,
die BDSM enthalten können oder ihr könnt sie so interpretieren.
Stephan
Ja.
Sebastian
Das finde ich ja spannend, weil das, hm, ja das ist extrem offen,
sage ich mal, also wie soll ich das erklären.
Auf die Idee wäre ich gar nicht gekommen, in der Bibel nach Dingen zu schauen,
die mit meiner BDSM-Wirklichkeit zu tun haben.
Stephan
Ja.
Sebastian
Interessant.
Stephan
Das ist genau der Punkt, den ich ganz, ganz wichtig finde.
Also für mich heißt es, sich mit der Bibel zu beschäftigen, die Texte wirklich
selber zu lesen, die Texte wirklich selber zu interpretieren und sich zu fragen,
was bedeutet das für mich, was hat das mit mir zu tun.
Und dann kommt mitunter auch diese Überraschung, wenn man zum Beispiel dann
aufs Hohe Lied, sag ich jetzt mal, als Beispiel trifft.
Das ist auch eine Sache, würde ich auch jedem empfehlen, das einfach mal selber zu lesen.
Auch gerne in verschiedenen Übersetzungen mal zu lesen.
Und vielleicht auch als Tipp. Es gibt ein paar Versionen, die man im Internet
finden kann, wo das von Schauspielern mit versetzten Rollen gesprochen wird.
Also insbesondere wenn die Frauenrolle von einer Frau gelesen wird und die Männerrolle
von einem Mann, hört man da die Intensität dieser Stellen noch viel besser raus, finde ich.
So einfach mal als Tipp und dieses sich selber interpretieren.
Also Hohelied der Liebe heißt, dass die Liebe zwischen Mann und Frau und auch
wirklich die körperliche Liebe als Metapher für Gott und Gemeinde genommen werden.
Also sozusagen die Gemeinde ist die Braut und Gott ist der Bräutigam sozusagen
und die Vereinigung ist sozusagen das Ziel.
Also ein hoch erotischer Text, der da durchaus im religiösen Kontext ist,
was auch zeigt, dass viele Tiefenschichten der Bibel halt einfach älter sind
und über diesen typischen Konflikt zwischen Männern und Frauen eigentlich erhaben sind,
weil das eigentlich eine sehr sehr harmonische Situation ist,
die da beschrieben wird.
Und ja, für mich hat das das ganze Thema Erotik halt auch so einen.
Wie soll ich sagen, also für mich ist es Erotik ein Gottesgeschenk,
ist das Teil unserer Leiblichkeit.
Und eben das ist der schöne Teil unserer Leiblichkeit, dass wir uns in der Sexualität
quasi selbst verlieren können,
da uns voll hingeben können und da auch auch Lust erfahren können und ja und
die Bibel hat eben beide Seiten.
Es gibt diese, sage ich mal, Vorschriften aus dem Patriarchat,
wo Menschen eigentlich eher eine Funktion haben und eher.
Zur Sache werden und es gibt eben tief romantische und wunderschöne Vorstellungen
und beides ist darin enthalten.
Und mit beiden kann man sich aus meiner Sicht abarbeiten.
Also einmal mit den Gesetzesgeschichten, wo ich vielleicht auch dazu sagen möchte, weil es mir wichtig ist.
Ich habe das Gefühl, dass viele Sexvorschriften aus der Bibel,
Ich fange mal mit dem Gebot, du sollst nicht Ehe brechen an,
weil das so jeder kennt, dass das häufig einfach auch Schutzvorschriften waren,
um Menschen zu schützen.
Dass zum Beispiel Moses den Scheidebrief sozusagen, der dann im Neuen Testament
bei Jesus sehr kontrovers gesehen wird, einfach gemacht hat,
weil er gemerkt hat, nicht jede Ehe hält ewig.
Und wenn dann sozusagen mal eine Scheidung notwendig ist, dann soll der Mann,
der Frau wenigstens diesen Scheidebrief mitgeben, dass sie zu ihrer Familie
zurückfinden kann und wieder heiraten kann.
Und im Neuen Testament ist genau dieser Scheidebrief dann eben zur Kontroverse
geworden, weil der sozusagen als Erpressungsmittel der Männer gegen die Frauen eingesetzt wurde.
So nach dem Motto, wenn du Frau nicht genau das tust, was ich dir sage,
dann kriegst du von mir einen Scheidebrief und bis damit, sag ich mal,
ja, wie soll man das beschreiben?
Also wirklich entrechtet und entehrt und kannst eben nicht wieder heiraten.
Und das war halt ein Riesendruckmittel und wo Jesus dann wahrscheinlich gesagt
hat, nee, das geht so gar nicht. Lass das bitte.
Und sozusagen die Frau muss vor dieser Willkür geschützt werden.
Und daraus ist dann wiederum in der späteren Christengeschichte gekommen,
dass man eben Ehe nicht scheiden darf, wo ja heute, sage ich mal,
auch viel Konfliktpotenzial ist.
Da hat der Josef Ratzinger, spätere Papst Benedikt, was Wunderschönes zu geschrieben,
dass er eben gesagt hat, wenn Jesus in seinem Text schon bei Adam und Eva anfängt,
dann können wir nicht von dem letzten Satz in diesem Abschnitt eine Dogmatik entwickeln.
Und der letzte Satz in diesem Abschnitt ist halt, was Gott zusammengefügt hat,
soll der Mensch nicht scheiden.
Finde ich hochproblematisch, dass man da eben dann ein Dogma draus gemacht hat,
dass Ehen nicht geschieden werden dürfen, wo die Situation als Ganze eben einfach
komplexer ist und sich da wirklich rein zuarbeiten und zu überlegen,
was wollten diese Texte wirklich mal sagen?
Würde ich mal andersrum formulieren, haben wir heute die Chance, das einfach zu tun.
Uns macht da keiner mehr irgendwelche Vorschriften glücklicherweise und wir
können uns selber diese Texte aneignen, müssen die eben als liberale Christen
auch nicht den Konservativen überlassen und können auch als BDSMler,
die keine Christen sind,
sich da einfach mit beschäftigen und rein finden.
Sebastian
Das ist aber innerhalb der Kirche eine absolut hochpolitische Diskussion und
das sehe ich immer so ein bisschen, das ist ja so ein bisschen verlockend.
Und ich habe da die Bibel, da ist eine Menge drin und das ist alles höchst interpretationsfreudig.
Im Grunde finde ich da, was ich will.
Je nachdem, mit welcher Perspektive ich ran gehe. Ich gebe zu,
das ist jetzt ein bisschen ketzerisch, aber deshalb fällt es mir immer so schwer,
Dinge auf die Bibel zu stützen.
Weil sie eben so unfassbar flexibel interpretierbar scheinen und da kommt es
eigentlich nur noch darauf an, wer hat interpretiert und je höher er in der
kirchenpolitischen Rangordnung ist, desto mehr Gewicht hat das.
Und dann entsteht so ein Dogma zum Beispiel. Sehe ich das völlig falsch?
Stephan
Nein, was du vor allem richtig siehst und was ich für ganz wichtig halte, das ist Politik und aus meiner Sicht
muss das auch politisch sein, weil da eben auch ganz viel dran hängt.
Die Hierarchie spielt glaube ich heute keine so große Rolle mehr,
weil sich da einfach historisch auch ganz viel gewandelt hat.
Also auch ein Papst hat heute nicht mehr so viele Durchgriffsmöglichkeiten,
wie er die vor Jahrhunderten mal gehabt hat und in vielen Teilen der Kirche
sind die Prozesse sogar eher basisdemokratisch organisiert,
oder zumindest demokratisch organisiert und das ist politisch.
Also das finde ich ganz wichtig und die Interpretierbarkeit der Texte ist aus
meiner Sicht eher der Riesenvorteil, weil zum Beispiel Jesus hat ganz viel in
Gleichnissen erzählt, die den riesen Vorteil haben, dass sie,
sag ich mal, historisch unabhängiger sind.
Sie bleiben quasi, sie sind in die eine oder andere Richtung zu interpretieren.
Da hat man ganz viel Freiraum, aber deswegen sind sie auch interpretierbar.
Das heißt, jede Generation kann jetzt eine neue Lösung finden,
kann das immer in ihre Zeit holen und deswegen ist sozusagen die Offenheit dieser
Texte ganz häufig gerade ihr Vorteil.
Sebastian
Lass mich mal ein bisschen in die Kurve kriegen, wieder zurück zu BDSM.
Interessiert mich mal, gibt es,
ich nenne es jetzt mal offiziell in Anführungszeichen, Aussagen zu "BDSM"
Von Kirchenseite, also von den, ich sag mal, Profis, die da vielleicht auch
etwas interpretiert haben?
Oder liegt es da eher wirklich nur an dir selbst Dinge zu interpretieren?
Stephan
Es gab den Versuch jetzt vor, ich kann das Jahr nicht genau sagen,
die Frau Käßmann hat noch, als sie EKD-Ratsvorsitzende war, festgestellt,
dass die evangelische Kirche, ich fange jetzt einfach mal mit der evangelischen
Kirche an, das letzte Mal in den 70er Jahren was zum Thema Sexualität veröffentlicht
hat und hat eine Expertenkommission eingesetzt,
die eigentlich eine EKD-Schrift zum Thema Sexualität schreiben sollte.
Das ist bei ihren Nachfolgern dann aber irgendwann eingestellt worden,
dieses Projekt, weil denen das Thema dann zu heikel war, sage ich jetzt mal.
Die haben halt einfach dazu kontroverse Diskussionen in der Kirche befürchtet
und diese Schrift ist dann von den Autoren einfach als Buch veröffentlicht worden.
Das Buch heißt "Unverschämt schön", wenn ich den Titel jetzt richtig sage.
Ich schicke dir auf jeden Fall dann nochmal die genauen Daten,
dass du die dann da eintragen kannst und in diesem Buch gibt es auch ein Kapitel über BDSM.
Das heißt, die haben alle möglichen kontroversen Themen aus der heutigen Zeit
zum Thema Sexualität da sozusagen versucht aufzuarbeiten.
Sebastian
Von wann ist das? Ganz grob? 80er, 90er?
Stephan
Nein, 2016 oder irgendwie so was muss das gewesen sein.
Sebastian
Also doch recht aktuell.
Stephan
Recht aktuell. Ist meines Wissens nach auch das, was, sage ich, an der offiziellen Schrift
am dichtesten dran ist, weil es eben wirklich ne Kommission ist.
Mitglieder der Kommission haben vorher auch für Bundesländer gearbeitet oder
so, also sprich, wenn die Politik eine Ethikkommission oder zu irgendwas einberufen
hätte, wäre die personelle Verteilung ähnlich gewesen.
Gut, wenn es die evangelische Kirche ist, sind natürlich jetzt nur evangelische
Theologen drin gewesen, aber ansonsten...
Sebastian
Okay, ich unterbreche mal. Was steht drin? Ich bin neugierig.
Stephan
Was steht drin? Da drin steht, dass BDSM, ich fasse es jetzt mit meinen Worten
einfach kurz zusammen, dass BDSM im Prinzip in Ordnung ist, aber dass man aufpassen
sollte, weil da eben doch ein Gefahrenpotenzial drinsteht.
Sebastian
Okay, wird das erläutert?
Stephan
Das wird leider nicht so erläutert und das ist für mich auch der Kritikpunkt, also dass das Buch ist,
ja, es ist aus meiner Sicht ein bisschen schief gegangen,
weil die Autoren auf den wissenschaftlichen Anmerkungs - und Quellenapparat
verzichtet haben und trotzdem eine sehr intellektuelle Sprache gewählt haben.
Das ist für mich so der Punkt, weshalb mir das Buch eigentlich nicht so sehr
gefällt und gerade bei dem Kapitel über BDSM hätte ich mir gewünscht,
dass man die Gefahren, vor denen man warnt, auch genau benennen würde.
Aber trotzdem für uns als BDSM-Szene eigentlich die klare Aussage,
BDSM ist an sich erstmal so in Ordnung.
Und das Warnen vor Gefahren, das würde ich auf jeden Fall teilen.
Mit dem Unterschied, dass ich halt immer sagen würde, die Gefahren muss man auch genau benennen.
Also sprich Sicherheitsregel, was weiß ich, liest die Handbücher,
wo wirklich Gefahren bestehen.
Bevor du anfängst zu spielen, informier dich vorher genau, achte natürlich auch
jetzt auf die Psyche deines Gegenübers und so, dass du da nichts kaputt machst
und so, also die Grundregeln, die wir so kennen.
Sebastian
Ja, aber ganz ehrlich, das Warnen vor Gefahren, das ist ja so eine alte Leier.
Ich kann mir nichts vorstellen auf der Welt, wo man nicht vor Gefahren warnen müsste.
Sex an sich birgt Gefahren und zwar nicht zu knapp oder was weiß ich, vor die Tür zu gehen.
Also ich kann immer vor Gefahren warnen. Wenn ich das nicht weiter erläutere,
dann ist diese Warnung im Prinzip auch nur so ein es sagt im Prinzip nichts
anderes aus als "denk halt nach bevor du was machst"!
Stephan
Ja, aber ich glaube, in dem Fall geht das tiefer.
Es gibt glaube ich so einen grundsätzlichen Vorbehalt, der in Fachtheologenkreisen
gegenüber dem Thema Sexualität und Ekstase nenne ich es jetzt mal, nicht konkret BDSM,
aber einfach, dass man da irgendwo im Bereich der Sexualität einfach,
sag ich mal, so die Ankerpunkte verliert.
Als wenn es da so eine schiefe Bahn geht, wo man in eine Ekstase sozusagen rein rutscht
und dann Dinge macht, die man eigentlich sonst nicht tun würde.
So ähnlich wie jemand, der alkoholisiert Auto fährt oder so.
Und das ist zum Beispiel eine Gefahr, die ich selber gar nicht sehe.
Also meine Erfahrung mit BDSM ist eben, dass das was ganz anderes ist,
als jetzt eine alkoholisierte Autofahrt, weil es eben dieses Abdriften oder
Wegrutschen in die Perversion oder so, so nicht gibt, sondern...
Ja, eigentlich für mich eher, dass man sich in der Ekstase auch wirklich wohlfühlen
kann und dass man in der Ekstase auch nicht Dinge tut, die man sonst auch nicht
tun würde und ich glaube das ist ein grundsätzlicher Unterschied zwischen den Leuten,
die sich intensiv mit Sexualität und insbesondere mit Ekstase beschäftigt haben
und denen, die das noch nicht getan haben.
Sebastian
Das ist jetzt natürlich von der Menge her ein bisschen, ich sag mal, fast schon dürftig.
Ich versuch's mal, guck mal, ob ein bisschen was Praktisches.
Hatten wir vor einigen Jahren, hatten wir ja diese wunderschöne Filmreihe und
auch die Bücher, Shades of Grey, ich mag sie mal wieder aus kramen.
Und die waren ja gesellschaftlich sehr präsent.
Überall. Ich kann mir ja schon vorstellen,
dass der eine Pfarrer, Pastor, Pastorin, dass das schon mal irgendwo aufgegriffen
wurde in einer Messe zum Beispiel oder eben auch im Kirchenkreis,
weil es ja die Gesellschaft doch als Thema sehr durchdrungen hat.
Und ich habe immer das Gefühl, dass das Kirche ganz oft einen guten Riecher
dafür hat, was die Gemeinde gerade bewegt und dann werden die Themen irgendwie
aufgegriffen und verarbeitet.
Ist dir da irgendwas bekannt, dass sich da mal jemand ran getraut hätte?
Stephan
Also es gibt zum Thema Shades of Grey sicherlich eine ganze Menge Literatur,
wo Menschen sich herangetraut haben und das auch teilweise sehr sehr kritisch auch begleitet haben.
Also mir fällt spontan jetzt vor allen Dingen Eva Illouis natürlich ein,
die das sehr kritisch beleuchtet hat und ja vor allen Dingen so dieses Leistungsdenken
bei Shades of Grey kritisiert.
Wo ich widersprechen möchte ist, es gibt in der christlichen Literatur jede
Menge Bücher, die sich mit Sexualität beschäftigen.
Viele Bücher über die Ehe, wo immer auch ein Abschnitt über Sexualität drin
ist und wo das, sag ich mal, immer eine ganz große Rolle spielt.
Und wo man eigentlich sagen kann, überall dort, wo es einvernehmlich ist,
hat eigentlich keiner Probleme mit BDSM-Praktiken.
Sebastian
Das heißt aber kirchentechnisch wurde das jetzt nicht aufgegriffen?
Stephan
Nein, kirchentechnisch ist es auch glaube ich nicht relevant,
weil man in der in der neueren Literatur kirchentechnisch wirklich verstanden hat,
dass das einvernehmlicher BDSM sozusagen im Hoheitsgebiet der Eheleute dann liegt.
Wo die Kontroverse ist, ist eben, dass es sehr viele christliche Literatur gibt,
die natürlich sagt, kein Sex außerhalb der Ehe.
Und das manchmal auch nicht ganz so deutlich sagt, aber schon eben die ganze
christliche Literatur eben das Thema Ehe sehr betont und auch die liberale Literatur
dann eben da noch Freiräume, Experimentierräume sieht,
aber dass das Thema Ehe nicht so ganz in Frage stellt.
Aber ansonsten für BDSM selber, sofern es einvernehmlich ist,
ist auch glaube ich für die christliche Literatur kein Thema,
einfach weil es geklärt ist.
Und die Angst, die eben immer noch besteht, ist glaube ich wirklich das,
was ich vorhin beschrieben habe, dieses Abdriften in die Perversion,
was es meines Erachtens nach nicht gibt.
Sebastian
Ja, also der Begriff pervers, das ist ein Begriff, der ist schwierig.
Ich benutze ihn sehr locker leicht.
Ich bin halt pervers, das ist eher so ein flapsiges Ding.
Dann gibt es aber auch Menschen, die sagen, um Gottes willen,
ich bin doch nicht pervers. Also der Begriff hat offenbar noch eine tiefer gehende
Bedeutung, die mir nie klar war.
Stephan
Ich glaube, das ist wie mit vielen Begriffen, die kann man für sich einfach
annektieren. Wenn du jetzt sagst, ich bin pervers und meinst das positiv,
dann ist es in deinem Wortgebrauch auch positiv gemeint und umgekehrt.
Das ist wie mit dem Begriff Schwuler, den die Homosexuellen irgendwann mal annektiert haben.
Das war ursprünglich mal eine Beleidigung und in dem Moment,
wo sie es vielleicht auch mit einem gewissen Augenzwinkern selber benutzt haben,
wurde es dann zum Prädikat.
Für mich ist zum Beispiel eine Frau als Schlampe zu bezeichnen immer eine positive
Bedeutung. Das merke ich immer schon.
Für mich ist die Definition Schlampe gleich selbstbestimmte Frau.
Aber natürlich ist es im Alltagskontext ne Beleidigung und ich muss dann immer
aufpassen und sagen, oh nee, warte mal, nicht alle benutzen den Begriff so, wie ich ihn benutze.
Und ich glaube, diese Angst vor der Perversion, die geht noch viel,
viel tiefer und die stammt auch nicht aus dem Christentum, sondern wirklich aus der Philosophie.
Für mich selber war Marquis de Sade, die 120 Tage von Sodom, ein Buch,
was mich eigentlich eher befreit hat von meinen Ängsten, weil ich gemerkt habe.
Das ist kein Automatismus.
Und ich glaube, diese Erfahrung haben einfach noch nicht alle Menschen gemacht
und deswegen haben ganz viele Angst davor, so nach dem Motto,
wenn ich an einer Stelle die Regeln sozusagen überschreite, dann drifte ich
sozusagen ins Beliebige ab.
Und das ist aus meiner Sicht definitiv nicht so.
Sebastian
Du hast eben was Spannendes gesagt. Im Prinzip, dass das BDSM,
das ist geklärt. Das ist okay. Das ist Konsens.
Stephan
Sehe ich so.
Sebastian
Okay.
Ja, jetzt hast du ja eher die protestantische Sichtweise. Kannst du was zu den Katholiken sagen?
Stephan
Also bei den Katholiken ist nach meiner Beobachtung der Ehebegriff ja immer
zentral gewesen und die Katholiken haben lange Zeit noch, ich sag mal, die Idee von Augustinus sehr hoch gehalten.
Da ist auch das Thema, was du vorhin mit der Hierarchie sagtest, sehr wichtig,
dass einige eben ganz oben in der Hierarchie den Augustinus mit seinem eher
sehr negativen Bild von der Sexualität und der Erbsünde Theorie,
sag ich es jetzt mal so flapsig,
sehr hoch gehalten haben, wo im Moment gerade aus meiner Sicht ein Wandel stattfindet.
Also der aktuelle Papst hat da, sag ich mal, jetzt andere,
ja, oder hat Texte jetzt geschrieben, 2016 war das,
wo man merkt, dass da doch jetzt ne andere Perspektive drin ist,
dass also Sexualität und Liebe innerhalb der Ehe wirklich als Geschenk angesehen
werden und innerhalb dieses Begriffs sozusagen ist dann auch jede lustvolle
Sexualität jetzt wirklich rehabilitiert.
Das heißt nach Augustinus ist quasi jede Sexualität schlecht.
Es sei denn, sie dient eben direkt der Fortpflanzung innerhalb der Ehe,
dann ist sie quasi so entschuldbar. Das ist ein bisschen komplex.
Sebastian
Okay, also da haben wir dann schon mal einen Riesenschritt jetzt im Grunde,
der darf natürlich nicht verkennen, das einfach
das klingt jetzt auch alles sehr schön und sehr fortschrittlich.
Man muss allerdings auch sagen, immer alles innerhalb der Ehe.
Und wer darf die Ehe schließen? Mann und Frau.
Und so die kirchliche Ehe, ich glaube, das mit der Scheidung,
das ist dann auch, da ist nicht bei den Katholiken mit nochmal kirchlich trauen.
Stephan
Genau, das ist bei den Katholiken immer noch der Punkt.
Es gab ja im Moment eine Riesenbewegung Out in Church, wo zum Beispiel jetzt
ganz viele Schwule innerhalb der katholischen Kirche eben,
ich sag mal, sich geoutet haben mit dem Ziel, dass die katholische Kirche jetzt
eben auch die gleichgeschlechtlichen Beziehungen anerkennt, was die evangelische
Kirche ja schon getan hat.
Da hat man vor, das ist jetzt auch schon eine ganze Weile her,
mal wirklich auch das ganze Kirchenrecht durchgesehen, dass da keine diskriminierenden
Vorschriften mehr drin sind und da ist das Thema eigentlich durch.
Es gab noch mal einen heiklen Punkt im Süden, dass da eine Abstimmung über die
neuen Kirchengesetze, also die Kirchenparlamente haben zugestimmt,
aber die Zustimmung war knapper als erwartet.
Das zeigt, dass es da auch immer noch Menschen gibt, die in dem alten Denken
sind, dass man Homosexualität eigentlich doch als Sünde ansehen müsste.
Aber da ist die Mehrheit eindeutig auf der Seite, dass man das heute nicht mehr macht.
Und auch aus meiner Sicht, die Interpretation wird immer besser und schlüssiger,
dass wir verstehen, dass das, was in der Bibel steht, nicht unbedingt,
das sage ich jetzt so mit meinen Worten, dass es auch verständlich wird,
nicht wirklich Homosexualität ist.
Weil das, was wir unter Homosexualität verstehen, ist eigentlich etwas,
was in der Neuzeit erst entstanden ist.
Was eine Reaktion auf die heterosexuelle romantische Ehe ist,
dass man eben da sein Glück in der Ehe findet.
Und das ist da dann eigentlich erst entstanden.
Homosexualität war aus meiner Sicht in der Antike was ganz anderes.
Und die biblischen Stellen würde ich einfach so interpretieren,
also die Stellen, die Homosexualität verbieten, dass es da wirklich um nicht
einvernehmliche Praktiken in der Antike ging.
Also das mit Kinderschändern und Lustknaben und so wie man Paulus übersetzen
musste, das ist aus meiner Sicht eindeutig eben nicht das, was wir heute unter
Homosexualität verstehen.
Sebastian
Ja, das ist natürlich jetzt ein Fass, was ich so ein bisschen aufgemacht habe.
Das geht natürlich für...
Diese Diskussion zu weit. Ich muss leider gestehen, da bin ich jetzt einfach,
vorbelastet, dass ich sage, ja, ich sehe eine Entwicklung, die ist sogar erstaunlich
zügig, aber es reicht halt einfach noch nicht.
Aber diese grundsätzliche Kritik, die möchte ich jetzt halt einfach mal so stehen
lassen, weil die wird überall diskutiert.
Das ist jetzt nichts, was dieser Podcast hier exklusiv macht.
Also ich glaube ganz ehrlich, irgendwelche Medien mal anschauen und dann ist das immer wieder Thema.
Aber deshalb mag ich mich ja mit dir ein bisschen wirklich immer wieder in diese
Ecke BDSM rein begeben, um einfach zu schauen, was können Menschen raus ziehen.
Jetzt hast du ja gesagt, Mensch, im Prinzip ist das Konsens, das geht.
Jetzt kommen aber Menschen zum Arbeitskreis und es gibt Anfragen zur Beratung.
Was ist das Ziel der Menschen, die euch fragen?
Stephan
Also ich glaube, das was wir da machen mit unserer Arbeit als Arbeitskreis ist
wirklich auch ein Stück Kirchenpolitik.
Bedeutet, jeden Menschen, den wir sozusagen in diesen persönlichen Gesprächen
davon überzeugen und das ist teilweise aus meiner Sicht wirklich nur die Information
BDSM ist einvernehmlich,
das wissen viele nicht oder auch ihnen klar machen, eigentlich hast du ein positives
Bild von der Sexualität.
Viele haben so diesen Reflex, den sie gar nicht begründen können.
Das hatten wir vorhin schon mal im Gespräch, dass man wirklich,
wenn man die Leute dann fragt, warum siehst du Sexualität negativ,
dass sie das teilweise gar nicht gemerkt haben, weil das so ein Reflex ist,
über den man gar nicht redet, das Thema Sexualität negativ zu sehen.
Und wenn man mit ihnen dann darüber redet, plötzlich, dass sie dann merken,
oh ja, das ist ja eigentlich ein Geschenk, dass wir Lust haben können,
das ist doch ein wunderbarer Aspekt unserer Leiblichkeit, dass wir Lust empfinden
können und dann auch umdenken. Und das ist ein Stück Kirchenpolitik.
Sebastian
Ich mag da vielleicht noch mal wirklich ins praktische Beispiel kommen,
weil ich kann mir auch vorstellen, dass Menschen, die diese Folge hören,
sich dann vertrauensvoll an euch wenden möchten.
Das heißt, im Prinzip unterstelle ich den Menschen, sie haben erkannt,
dass BDSM für sich spannend ist, sie haben da Fantasien und sie haben Ideen.
Stephan
Richtig.
Sebastian
Und jetzt suchen sie quasi jemanden, der ihnen sagt, das ist okay,
der ihnen das auch ein bisschen begründen kann, wo sie auch sagen können,
wo die Menschen auch vielleicht sagen, ja, also das und das habe ich aber so,
ob es in der Bibel war oder wo auch immer, gefunden habe, was mir sagt,
das sollte ich lieber lassen.
Also wo die Leute in diesen Konflikt reinkommen. Es kann ja auch mal wirklich
eine Messe sein, wo ganz klar ist, das ist ein logischer Konflikt vielleicht auch.
Du sollst nicht ... oder was auch immer und dann steht man da und sagt, aber ich möchte.
BDSM an sich könnte okay sein, aber ... und dann wendet man sich an euch und schreibt eine Mail.
Ihr müsst die Leute gar nicht mehr davon überzeugen, dass BDSM an sich erstmal
okay ist, weil das wissen die Leute in ihrem Herzen, wissen die das schon.
Stephan
Genau.
Sebastian
Jetzt brauchen sie nur eine, sie brauchen jemanden, der ihnen sagt,
das ist okay. Sehe ich das richtig?
Stephan
Das sehe ich genau so. Die brauchen jemanden, der ihnen hilft,
ihr eigenes ethisches Profil sozusagen weiterzuentwickeln.
Da ist ein Konflikt und die Lösung kann aussehen, für mich gibt es immer zwei Möglichkeiten.
Entweder ich komme zu dem Schluss, das was ich mir da wünsche,
kann ich nicht machen, will ich nicht machen, lasse ich bleiben.
Wenn ich dann diesen Konflikt gelöst habe, ist es aber auch so,
dass ich dann keinen Schmerz mehr damit habe, dass ich verzichte,
weil ich erkannt habe, dass das worauf ich verzichte wirklich nicht gut ist.
Das wären bei mir zum Beispiel alle nicht einvernehmlichen Praktiken,
wo ich quasi mit Freude drauf verzichte und sage, wunderbar,
dass ich das nicht tun muss.
Sebastian
Der Definition nach ist das ja dann kein BDSM mehr.
Stephan
Genau, richtig. Aber ich habe ja solche Fantasien wie viele Menschen auch und
sage, wie gut, dass das eine Fantasie bleibt, damit sozusagen konfliktfrei abgeschlossen.
Oder die andere Seite ist eben zu merken, ich habe da einen Wunsch,
der ist nicht, der ist im Bereich des Konsensuellen, der ist machbar,
also finde ich, den Weg es zu tun.
Und ein Punkt, der, glaube ich, in unserer Kultur häufig falsch gedacht wird,
da ist, dass wir immer so gepolt sind, nichts tun ist eigentlich nie verkehrt.
Und aus meiner Sicht kann nichts tun auch eine Sünde sein.
Also wenn ich jetzt zu einem Verkehrsunfall komme und ich tue nichts,
dann kann ich mich ja sogar mit unterlassener Hilfeleistung strafrechtlich
quasi strafbar machen. Genauso ist es für mich mit der Sexualität.
Wenn ich für mein Leben entscheide, ich verzichte auf eine Sache und habe aber
keinen vernünftigen Grund zu verzichten, dann ist das aus meiner Sicht auch eine Sünde.
Dann habe ich da sozusagen ein Stück Lebendigkeit geschenkt bekommen von Gott,
habe sie wie diese vergrabenen Talente also quasi ein Potenzial gehabt,
was ich einfach nicht genutzt habe.
Und das ist für mich zum Beispiel in solchen, da rede ich jetzt in erster Linie
vor mir, in solchen persönlichen Gesprächen ein ganz wichtiger Punkt den Leuten zu zeigen,
Achtung, du hast da ein wunderbares Leben geschenkt bekommen,
wenn du einen Teil ausblendest, dann kann das auch Sünde sein.
Also sprich aus meiner Sicht kann auch jemand in die Hölle kommen,
weil er seine Sexualität nicht ausgelebt hat und einfach ein wunderbares Geschenk,
was er von Gott bekommen hat, hat brach liegen lassen, vorsätzlich.
Sebastian
Okay, das ist sehr schön, weil damit können wir die Frage beantworten,
ob ich in die Hölle komme.
Zumindest nicht wegen BDSM, dann höchstens weil ich es lassen würde.
Stephan
Meine Überzeugung ist, dass das,
was wir selber denken, da wirklich eine faktenschaffende Bedeutung hat.
Ich denke da immer so an eine Geschichte, wo ein Jude zu seinem Rabbi geht und
sagt, ich habe mal auf dem Dienstag alles gemacht, was man so am Sabbat tut.
Und hatte dann plötzlich am Dienstag, wo ich das gemacht habe,
das Gefühl, heute ist Sabbat.
Und dann hat dieser Rabbiner ihm gesagt, ja, wenn ein frommer Jude an irgendeinem
Tag alles macht, was sozusagen man üblicherweise am Sabbat macht,
dann ist sozusagen jetzt Sabbat.
Sprich, also dieses Gefühl ist real, wenn man sich, dass das,
was wir machen und was wir denken und wie wir Dinge bewerten,
schaffen wir Fakten. Also wenn ich für mich selber bewerte, Sexualität ist was
Schlechtes, dann ist das für mich auch so.
Und wenn ich bewerte für mich, Sexualität ist was Gutes, dann ist das auch genau so.
Das hat für mich so eine Faktizität, wo ich dann denke, wenn es so was wie das
jüngste Gericht gibt, dann ist das auch genau da relevant.
Dann muss ich auch sozusagen nach den Maßstäben quasi auch im jüngsten Gericht
vorgehen, die ich mir selber in meinem Leben geschaffen habe.
Sebastian
Ich drehe mal den Spieß ganz böse um. Es gibt so ein moralisches Problem,
und zwar, das ist ja, wir nehmen jetzt mal die klassische Partnerschaft, die klassische Ehe.
Einer, eine sagt BDSM ist toll, zur anderen Person.
Und sagen wir schon mal, okay, sich nicht darum zu kümmern, das wäre ja tendenziell
eher Sünde. Jetzt habe ich das Gegenüber, also die Person, die die BDSM nicht
interessant findet, die einfach diese Identität nicht teilen kann.
Jetzt müsste sie doch...
Ihren Partner glücklich machen wollen, also Liebe deinen Nächsten,
so in dem Sinne, und deshalb müsste man mitmachen.
Stephan
Das finde ich total spannend, dass du jetzt auf genau dieses Thema kommst,
weil das ist eigentlich ein Thema, was wir im Arbeitskreis ganz, ganz oft diskutieren.
Für mich gefühlt fast jedes zweite Mal und wo ich wirklich das Gefühl habe,
das ist bei uns im Arbeitskreis sehr, sehr viel häufiger als an normalen BDSM-Stammtischen.
Einfach mit diesem Eheverständnis, wenn ich sozusagen mit einem Menschen verheiratet
bin und der teilt meine BDSM-Neigung nicht.
Ja, das ist einfach so der Klassiker sozusagen, was ist dann zu tun hat?
Das ist genau das, was auch mein Statement in dieser Situation dann ist.
Ich habe das Gefühl, ganz viele Menschen haben den Reflex zu sagen,
ja, der eine hat BDSM-Neigung, der andere nicht, dann muss derjenige der
BDSM-Neigung hat halt drauf verzichten und dann kann die Ehe friedlich weitergeführt werden.
Sebastian
Siehst du das anders?
Stephan
Ich sehe das anders, weil es ist eine Sache, wo beide ganz offen und ehrlich
über ihre Bedürfnisse sprechen sollten, kommunizieren sollten.
Das ist für mich das, was es heißt, nicht Ehe zu brechen.
Heißt für mich wirklich in dem Fall offen und unvoreingenommen von beiden Seiten
wirklich über dieses Thema reden, sich da auszutauschen, zu kommunizieren und
dann gehört es für mich zu den ehelichen Pflichten,
einen Kompromiss zu finden,
eine Lösung zu finden, mit der beide irgendwie zurechtkommen können.
Sebastian
Okay, pass auf, ich geh da nochmal ein bisschen, ich bohre noch mal ein bisschen tiefer da rein, weil
Stephan
Gerne.
Sebastian
Nehmen wir jetzt mal ein Beispiel, das kann ich jetzt, muss ich jetzt mal so
nehmen, weil ich dieses Beispiel tatsächlich in einer Hörermail genau so mal
bekommen habe und das nehme ich jetzt als Beispiel, ohne zu sagen von wem es kommt.
Das Problem ist jetzt folgendes, er dominant sadistisch, hat die Fantasie,
er möchte ihr wehtun, er möchte, ich sag mal, er möchte sie verhauen.
Sie findet an BDSM gar nichts, nimmt aber die Ehe sehr ernst und auch seine Bedürfnisse.
Und nun finden die beiden den Kompromiss, dass sie sich zum Beispiel einmal
im Monat mit einem Paddel den Popo verhauen lässt.
Das ist für ihn gut, er ist glücklich und ausgeglichen, wunderbar.
Und jetzt stehe ich da und denke, diese Entscheidung, ja, die kann sie treffen.
Und das ist auch irgendwie eine Art von Konsens. Aber irgendwie ist alles daran falsch.
Stephan
Es ist auch, also wir haben wie gesagt dieses Thema ganz häufig und die Lösung,
die du jetzt vorgeschlagen haben, wir ganz, ganz selten.
Also ich wüsste jetzt so kein Paar, die das in Rheinkultur macht,
sondern im Gegenteil, es ist meistens ganz, ganz schwierig.
Also ich denke jetzt gerade an ein Paar, wo es auch wirklich so ist,
dass er BDSM-Neigung hat und sie die überhaupt nicht teilt und er auch das
Empfinden hat, wenn meine Frau das sozusagen tut,
nur um mir einen Gefallen zu tun, dann ist es auch nicht authentisch.
Sprich, wenn du von jemandem zum Beispiel gefesselt wirst oder so,
der da nicht wirklich drauf steht,
dann fühlt sich das auch nicht so richtig authentisch an und er hat wohl auch
in der Anfangszeit dann mal so versucht sie da hinzukriegen,
so nach dem Motto, du musst ja nur die Zwangsjacke jetzt einmal zumachen oder so,
das reicht ja schon und dann eben aber gemerkt hat, nee, es ist nicht authentisch,
wenn der andere das nicht macht, weil er das wirklich selber will.
Ich sag mal, der Kompromiss, den die meisten dann finden, ist auch dann eher,
dass man sich gegenseitig den Freiraum gibt, das außerhalb der Ehe irgendwie zu erleben.
Und das sind häufig auch die Paare, die dann eben BDSM nicht als Sexualität
definieren, weil dann so jemand zum Beispiel zu irgendjemand anders geht,
um sich fesseln zu lassen oder schlagen zu lassen.
Und nach meiner persönlichen Erfahrung funktioniert das oft so lange noch sehr
gut, wenn man innerhalb der Ehe immer noch einen Bereich hat,
den man quasi exklusiv für sich definiert hat.
Also sprich, so meine persönliche Erfahrung, dass viele Menschen gern bereit
sind, so einen Bereich, den sie selber nicht abdecken, dann auch jemand anders
zu überlassen, weil dann auch keine Eifersucht besteht.
Und ich auch schon die Dynamik von manchen Paaren erlebt habe,
wenn die Partnerin dann doch BDSM-Neigung auf irgendeinem Gebiet entwickelt,
dass sie diesen Bereich dann plötzlich doch für sich beansprucht.
Sebastian
Okay, das ist aber jetzt ein mehrstufiges Modell. Also erstmal sagt es aus,
wenn es nicht authentisch ist, dann ist es nicht gut.
Ich sage ja immer, in der Familie mache ich das besonders gerne,
sage ich immer, ein wirklich guter Kompromiss ist es dann, wenn hinterher alle
Seiten unzufrieden sind.
Stephan
Genau.
Sebastian
Dann habe ich das Maximum meines Kompromisses erreicht.
Das ist aber im Grunde nicht das, was man will, weil es geht ja hier um eine
gewisse Art der Erfüllung, der Selbsterfüllung und dass man glücklich ist.
Da funktioniert diese Art des Kompromisses nicht. Jetzt hast du hier zwei
Stufen, nämlich zu sagen, okay, dann muss oder kann es vielleicht outgesourcet
werden. Okay, klar, kein Problem.
Damit das aber noch mit dem christlichen Verständnis von Ehe überein geht,
muss ich dann aber als zweite Stufe BDSM als nicht sexuell definieren.
Quasi als Schutz, damit ich das vor mir selbst rechtfertigen kann.
Finde ich schwierig.
Stephan
Nein, es ist auch nur eine Lösung. Ich persönlich würde diese Lösung auch nie
anstreben, ist aber eine Lösung, die ich bei anderen so beobachtet habe,
dass die eben dann BDSM als nicht sexuell definieren.
Für mich selber ist es relativ selbstverständlich, dass ich Dinge,
die in der Beziehung nicht stattfinden können, dann halt auswärtig suche sozusagen.
Aber das ist auch von meinem Beziehungsverständnis her so, dass es halt einfach funktioniert.
Und du hast eigentlich das, was ich als Lösung sozusagen propagieren möchte, auch schon genannt.
Nämlich ein Kompromiss bedeutet häufig, dass alle gleichermaßen unzufrieden sind.
Sprich, man hat nicht immer die perfekte Lösung, wo alle nur zufrieden sind,
sondern oft gehört es auch dazu, dass man eben auch ein gewisses Maß an Unzufriedenheit,
akzeptieren muss und ein ganz wichtiger Aspekt, den man da finde ich immer auch
mit dem Auge behalten muss, ist, dass Ehe eben noch deutlich mehr ist als Sexualität.
Also wenn man mit einer Frau einen Alltag zusammen hat und was weiß ich,
Lebensprojekte wie gemeinsame Kinder und so hat, dann ist es manchmal gar nicht
so schlimm, wenn die Sexualität dann nicht 100 Prozent deckungsgleich ist.
Und ich glaube, es ist eher ein Problem in unserer Kultur, dass wir diese Erwartung
überhaupt haben, dass Sexualität immer zu 100 Prozent erfüllt werden muss.
Sebastian
na ja, das ist natürlich das, was auch uns in den Genen liegt,
dass wir Sexualität auch leben und erleben wollen. Das ist ja nun mal so, ne?
Also so sind wir ja gemacht. Und an der Stelle mag ich auch sagen,
ich weiß nicht, zählt das als Ausrede aus kirchlicher Sicht:
Gott hat mich nun mal so gemacht. Ich bin halt der Sadist. Und dann wird sich
Gott dabei ja was gedacht haben oder sie.
Und dann bin ich auch verpflichtet dem nachzugehen. Also das kann ich ja im
Prinzip für alles als Totschlagargument benutzen.
Stephan
Für mich ist das eher eine Haltung der Demut zu sagen, sie hat mich wohl so gemacht
und das dann eben auch zu akzeptieren.
Und das auch zu akzeptieren, dass es eventuell auch als Aufgabe gedacht sein
kann, dass ich eben auf bestimmte Dinge bewusst verzichten möchte oder muss.
Und für mich ist die Bewusstheit und die Klarheit dieses Verzichts,
also sprich, wenn man innerhalb einer Ehe auf irgendeinen sexuellen Aspekt verzichtet,
je genauer man das definiert hat und für sich selber weiß, auf was und warum
man verzichtet, umso leichter fällt es einem.
Das ist so für mich der Punkt da und wenn man halt merkt, ich kann darauf nicht
verzichten, dann sollte man das aus meiner Sicht auch nicht,
sondern dann eben eine andere Lösung suchen.
Sebastian
Liebes Publikum, wir hatten ein klitzekleines Päuschen und da ist uns beiden
aufgefallen, ich habe mal einfach mal Gott er und dann sie gesagt und dann bist
du darauf auch eingestiegen, aber wir sind jetzt auch in der Pause drauf gekommen,
so ein Gottesbild, da kann man jetzt nicht einfach mal so drüber hinweggehen,
da hast du Redebedarf.
Stephan
Ja, also für mich ist es ganz selbstverständlich, dass ich Gott abwechselnd
in der Er-Form und in der Sie-Form benutze, was für mich auch, sag ich mal,
ja, eigentlich alle Bilder von Gott ist ja auch schon in den Zehn Geboten,
ganz zu Anfang, dass man sich eigentlich kein Bild machen muss,
wir aber doch irgendwelche Bilder brauchen, um überhaupt denken zu können.
Und um mich von diesem typischen klassischen, Gott ist ein alter weißer Mann
Bild ein bisschen zu befreien, benutze ich halt immer gerne die Sie-Form und
war jetzt ein bisschen überrascht,
dass Sebastian das sozusagen gemacht hat.
Und ich fand es einfach wichtig, das noch mal zu erklären, habe ich jetzt in
der Pause gesagt, weil viele sonst einfach da vielleicht hängen bleiben würden,
so nach dem Motto Gott ist doch ein Er.
Und das ist auch für viele Christen sicherlich zwingend und da habe ich auch großen Respekt vor.
Aber für mich selber ist es halt irgendwo wichtig, mich von irgendwelchen Bildern,
also für mich ist Gott immer auch der ganz andere, den wir nicht schlussendlich verstehen können.
Und Schöpfer der Welt und auch Schöpferin der Welt, weil das irgendwie ebenso
groß ist, dass da unsere Geschlechterrollen oder so nicht einfach so weitergetragen werden können.
Sebastian
Ja und ich für meinen Teil, ich gebe zu, ich habe Dogma gesehen und diesen Twist
damals im Film sehr genossen.
Und da kommt es auch her, einfach zu sagen, okay, aber das ist natürlich nicht
mein Glaube und deshalb muss ich natürlich auch mal schauen,
ich möchte der Sache ja auch mit etwas Respekt begegnen.
Stephan
Ja und für mich ist es eigentlich auch ein Wesensaspekt des Christentums,
dass da ganz viele Dinge gebrochen werden.
Deswegen ist es für mich so wichtig auch, also für mich ist der christliche
Glaube auch die ganz andere Religion.
Da wo wir den Schöpfer der Welt als Gekreuzigten sehen, also quasi den Mächtigsten
in der Rolle des Ohnmächtigen und so.
Das ist für mich einfach auch ne Lektion, um zu merken, wir sind von diesen
Bildern nicht abhängig.
Ganz viele Religionen funktioniert so, dass wir uns selber machtlos fühlen und
uns dann meinen, mit dem machtvollen Göttlichen verbinden zu können.
Und das Christentum bringt da für mich gerade einen Bruch rein,
dass man sagt so, wir sehen den Erlöser sozusagen in dem Gekreuzigten.
Und das hat für mich auch so ein bisschen BDSM-Charakter, da einfach die Rollen
zu durchbrechen und zu sagen, nee, der Mächtige ist der Ohnmächtige und umgekehrt.
Also das hat für mich schon ne ganz tiefe Bedeutung mit den Gottesbildern
und eben vor allen Dingen dieses selber reflektieren, mit was für Bildern gehe
ich da um, mit was für Gedanken, das gehört für mich einfach zum spirituellen Leben dazu.
Sebastian
Wo wir jetzt bei Gottesbildern sind, dann gehe ich mal in Richtung mehrere Götter.
Inwieweit kommen im Arbeitskreis auch andere Religionen vor?
Oder auch Atheismus. Kommt das überhaupt vor? Ist das Thema?
Stephan
Es kommt vor. Wir haben uns als christlicher Arbeitskreis zusammengefunden.
Das heißt natürlich, dass wir über das Thema christlicher Glaube sprechen wollen.
Eine Religion, die man aus meiner Sicht gar nicht vermeiden kann,
wenn man sich mit christlicher Religion beschäftigt, ist das Jüdische.
Weil eben das Christentum eindeutig aus dem Jüdischen entstanden ist und man
einfach um diese Wurzeln, wenn man sich ernsthaft damit beschäftigen will,
sage ich mal automatisch mit beschäftigen muss.
Das Alte Testament kann man aus meiner Sicht nur vor diesem Hintergrund interpretieren.
Dann hat man automatisch auch, sage ich mal, auch verwandte Religionen,
also jetzt monotheistische Religionen wie den Islam oder so dabei.
Das ist in der heutigen politischen Situation auch ganz klar,
dass man so was immer mitdenkt.
Mir persönlich ist es auch ein ganz wichtiges Anliegen, die Atheisten mit rein zunehmen.
Wir hatten auch schon Bundestreffen, wo Atheisten mit dabei waren.
Vor allen Dingen vor dem Hintergrund eben, Partner, Partnerinnen,
gibt ja nicht nur die Konstellation teilt BDSM nicht, sondern es gibt auch die
Konstellation teilt den Glauben nicht.
Und solche gemischten Paare haben wir dann halt auch im Arbeitskreis.
Wo beide BDSM lieben, aber eben den Glauben nicht beide haben.
Und ja, Atheist ist vielleicht auch das falsche Wort, häufig würde ich die dann
fast eher als Humanisten oder so bezeichnen,
weil die haben meistens ja dann auch irgendwelche Werte oder Normen,
wo sie dran glauben, die für sie wichtig sind, Menschenrechte oder so.
Und da hat man eigentlich dann auch ne gemeinsame Basis bis hin sogar zu dem
Punkt, wo wir bei den Gottesbildern waren,
dass für mich dieses atheistische Nichts auch eine ganz,
ganz wichtige Komponente ist, weil ich für mich selber sage,
mein Gottesbild ist eigentlich so groß,
dass es von dem atheistischen Nichts schon nur noch schwer zu unterscheiden
ist und dass es eigentlich eher so was wie eine Hoffnung ist,
an die man glaubt und gar nicht irgendwie so ne Gewissheit und der Josef Ratzinger,
spätere Papst Benedikt,
hat das in seinem Buch "Einführung in das Christentum" sehr gut beschrieben,
dass Atheist und Gläubige eigentlich über den gleichen Abgrund rüber müssen.
Der eine muss feststellen, ob sein Glaube trägt und der andere muss feststellen,
ob sein Unglaube trägt und dass man da eigentlich in einer ganz vergleichbaren Situation ist.
Sebastian
Okay, aber im Arbeitskreis selbst, wenn ihr zusammensitzt, inwieweit ist das
auch tatsächlich ein Thema, über das ihr sprecht?
Schaut ihr vielleicht auch mal neidisch zu anderen Religionen rüber und sagt,
ah, die haben da ne Regelung, warum haben wir die nicht?
Stephan
Also neidisch glaube ich so gut wie nie, was vielleicht auch daran liegt,
dass wir eben da gar nicht so homogen sind in diesen Ansichten.
Aber wir diskutieren schon über das, sag ich mal, politische Weltgeschehen und
solche Dinge und da kommen halt alle diese Sachen mit rein.
Und Vergleiche sind dann ganz, ganz naheliegend. Also auch Vergleiche mit den
anderen Religionen, Vergleiche mit anderen Institutionen.
Ist ja auch ne sehr politische Sache.
Das kommt da schon immer mit rein.
Sebastian
Jetzt ist es ja ein Arbeitskreis und ich habe jetzt mehrmals die Perspektive dargestellt.
Eine Person kommt mit einer Frage zu euch.
Jetzt kann man ja vielleicht auch mitdiskutieren mit euch.
Also Teil des Arbeitskreises werden.
Stephan
Ja.
Sebastian
Warum und wie und was, also wie funktioniert das?
Wie kommen neue Menschen dazu, wenn das jetzt hier gerade zum Beispiel ne
Person hört, die sagt, oh, da würde ich gerne mitdiskutieren.
Was tut die Person?
Stephan
Also der erste Schritt ist am einfachsten eine Mail zu schreiben,
einfach an die Info-App.
Und dann ist meistens so, dass die Personen dann an irgendeinem Treffen mal teilnehmen.
Idealerweise ist es, also die Bundestreffen hatte ich glaube ich schon am Anfang
gesagt, sind immer über ein ganzes Wochenende.
Das ist für jemanden, der eine Gruppe erst kennenlernen möchte,
natürlich meistens ne sehr lange Zeit. Da sind die kürzeren Treffen meistens geeigneter.
Wir treffen uns im Moment monatlich virtuell.
Das hat jetzt in der Corona-Zeit das erste Mal technisch funktioniert.
Wir hatten es vorher schon mal ganz oft mit Telefonkonferenzen und so versucht.
Das hat nie so richtig geklappt.
Und jetzt ist sozusagen, wo in der Corona-Zeit das fast alle machen,
funktioniert es jetzt rein technisch plötzlich, dass man sich virtuell treffen kann.
Und das ist eigentlich heute der beste Weg, auch dazu zu kommen,
einfach einem virtuellen Treffen von zu Hause mal teilzunehmen oder halt auch
an einem regionalen Treffen, wenn mal wieder eins ist.
Die Termine sind immer auf unserer Homepage dann auch oder eben nachfragen über
E-Mail, dann können wir auch sozusagen zu Terminen einladen.
Und ja, ich glaube, ganz wichtig, um mitzuarbeiten, ist einfach,
sich zu überlegen, was man möchte, was man braucht, also welche Themen einen interessieren.
Und ja, für mich gehört eben neben dem Wichtigsten eigentlich,
diesen Raum zu schaffen, wo man ganz offen über BDSM und Glauben sprechen kann
und sich wirklich diesen Raum zu schaffen gegenseitig,
dass man da ernsthaft und ehrlich offen darüber diskutieren kann,
ist es für mich auch immer ein Stück weit politische Arbeit.
Und wenn man jetzt sagt, was weiß ich, man geht auch auf dem CSD oder macht
Infostände auf dem CSD, dann ist es aus meiner Sicht eigentlich naheliegend auch zu gucken,
wenn man jetzt sich für christlichen Glauben in irgendeiner Form interessiert,
zu sagen, ob man nicht auch auf dem Kirchentag oder auf dem Katholikentag oder
so auch mal Präsenz zeigen möchte oder auch Texte veröffentlichen möchte in
die Richtung, um eben auch Kirchenpolitik zu machen, sage ich jetzt mal so direkt.
Sebastian
Ja und Kirchenpolitik heißt ja auch wieder Werben für Akzeptanz und Relevanz.
Stephan
Ja und die Kirche ist aus meiner Sicht eine Institution wie jede andere und
bei der staatlichen Politik,
sagen wir ja auch zum Bürgersein gehört dazu, dass man sich ne Meinung bildet
und die auch in den geeigneten Formen äußert und ich sag mal an dem demokratischen
Entscheidungsfindungsprozess teilnimmt.
Und so ist das heute in den Kirchen, selbst in der katholischen Kirche,
aus meiner Sicht auch, dass man da eben mitspricht und guckt, dass man gehört wird.
Und je mehr Leute von uns, ich sage mal, das nicht nur im verborgenen Leben,
sondern auch offen für das Thema eintreten, schaffen wir ganz viel.
Und vielleicht ist mir auch ganz wichtig zu betonen, zu sagen,
wir haben als Christen mit BDSM-Hintergrund auch schon ganz viel erreicht.
Also, dass die Kirchen heute so liberal dem Thema gegenüberstehen,
hängt mit Sicherheit auch damit zusammen, dass es schon 20 Jahre so was wie den Arbeitskreis gibt.
Und zum Beispiel in dem einen Buch, was ich jetzt gerade erwähnt hatte,
was EKD-Schrift hätte werden sollen, "Unverschämt schön", da ist auch der Arbeitskreis drin erwähnt.
Sebastian
Wenn man jetzt selbst z.B. in einer Gemeinde ist, wo man auf Ablehnung stößt, kann ja sein.
Ich glaube, Aber gerade dann kann auch der Arbeitskreis so ein bisschen Präsenz-Background geben.
Stephan
Auf jeden Fall. Also das haben wir wirklich, dass auch Menschen kommen und gerade
frisch irgendwo, ich sag mal diskreditiert worden sind, aus einer Gemeinde vielleicht
sogar rausgeflogen sind oder irgendwo halt Gegenwind bekommen haben, ist häufig,
dass es die Leute dann zum Arbeitskreis treibt und deswegen haben wir auch eine
relativ hohe Fluktuation von Leuten, die dann eben mal dieses Auffangen für
ein paar Treffen brauchen und das Gefühl, ich bin nicht alleine damit.
Und ja, das ist ein ganz wichtiger Aspekt.
Sebastian
Ja, aber das schafft natürlich dann auch die Motivation Präsenz zu zeigen
und eben kirchenpolitisch aktiv zu werden.
Jetzt ist natürlich dein, ich sag mal, kirchliches Umfeld recht liberal,
was dir auch ermöglicht, da so zu agieren, wie du es tust.
Das gibt aber eben auch, sonst wären sie ja nicht zum Teil ausgeschlossen,
es gibt noch noch dunkle Ecken, wo es eher schwierig ist, mit BDSM in Verbindung gebracht zu werden.
Und das schafft natürlich Motivation, sich dann auch im Arbeitskreis im Zweifel
zu engagieren und zu sagen, hier Moment mal, das fühlt sich nicht gut an oder nicht richtig.
Ich engagiere mich für das Gegenteil.
Stephan
Ja. Das ist Motivation von sicherlich vielen und ja ist auch aus meiner Sicht ein
ganz wichtiges Regulativ,
wobei man nicht unbedingt hoffen muss, dass man in dieser Gemeinde oder so dann
eben wirklich was erreicht, aber grundsätzlich selber sich erst mal klar zu bekommen, wo stehe ich,
den eigenen Selbstwert dann wieder zu finden, wenn man so was erlebt hat und
zu sehen, dass es auch Menschen gibt, die anders drauf sind,
das ist sicherlich schon ein Hauptanliegen und ich glaube wie gesagt auch wirklich, dass wir,
wenn wir bei denen, die liberal sind oder so, die Fahne hochhalten,
dass wir irgendwann dann auch die dunklen Ecken mit erreichen. Das ist so das typische.
Ich kann mich an eine Geschichte erinnern, die fand ich da ganz schön.
Da hat jemand vom Kirchentag einen Flyer von uns mit in ne Kirchengemeinde
nach Hause gebracht sozusagen,
um darüber abzulästern, wie verkommen der Kirchentag ist, dass er so was wie
einen Arbeitskreis "BDSM und Christsein" zulässt und irgendjemand anders aus der
Runde hat dann gedacht, oh klasse, da muss ich hin.
Also das ist so, da tragen die Leute manchmal sozusagen die Botschaft auch weiter,
ohne dass sie es selber merken.
Sebastian
Das ist in Ordnung. Es ist, ja, das hat genau der gegenteilige Effekt,
aber es ist ja gut für euch.
Stephan
Ja, genau. Oder gut für diese Person, die uns dann gefunden hat,
dass sozusagen jemand anders der Überbringer der Botschaft war, ohne es zu wissen.
Sebastian
Ich sehe sie schon hier die ganze Zeit liegen. Es gibt ein Ding der Woche und diesmal ist es eine Sie.
Und ich glaube, ich mag mal wissen, ich glaube das ist auch das erste Mal,
dass das hier in der Sendung vorkommt, dass eine Bibel hier auf dem Tisch liegt.
Stephan
Ja, genau. Ich habe jetzt auch einfach die neuste Bibelausgabe genommen,
die ich mir gekauft habe. Das ist also die aktuelle Luther.
Sebastian
Darf ich sie mal sehen?
Stephan
Ja.
Sebastian
Bei Büchern ist hier Tradition, sie werden beschrieben. Schwarz,
dünnes Papier, aber guter Druck, feste Grammatur heißt es, glaube ich.
Und seeehr viel Text. Okay, ja. Und die ist tatsächlich nagelneu?
Stephan
Also ich habe sie mir jetzt neu gekauft. Auch schon drin gelesen natürlich.
Das ist eben die aktuelle Luther-Übersetzung.
Ich hatte selbst nur die vorherige Luther-Übersetzung und warum ich es als
Ding der Woche mitgebracht habe, war eigentlich vor allen Dingen die Intention,
ja, Bibel wirklich gebrauchen, wirklich selber lesen, sich nicht von anderen
erzählen lassen, was da drin steht.
Es gibt auch Bibel-Apps oder so, wenn man sie nicht unbedingt kaufen möchte
oder so, man kann die im Internet finden.
Einfach mal die Stellen, die einen interessieren, selber angucken und deswegen
war das für mich, auch weil ich so ein buchaffiner Mensch bin,
einfach so die Idee als Ding der
Woche, einfach mal die Bibel selber mitzubringen. Also wirklich zu sagen.
Ja, nicht nur darüber sprechen, sondern einfach auch mal rein gucken und auch unvoreingenommen.
Ne Übersetzung, die ich vielleicht bei der Gelegenheit noch erwähnen würde,
für mich ist halt die Luther-Übersetzung hier sehr interessant.
Aber es gibt die Volksbibel, das ist so die Bibel in ganz umgangssprachlichem
Deutsch, die kann ich auch empfehlen. Gebe ich die Daten dann auch nochmal.
Sebastian
Ich muss mal fragen, du hast gesagt, die neueste Ausgabe, die wird sich ja nicht verändern.
Stephan
Doch, also auch die Lutherbibel wird halt alle paar Jahre überarbeitet und quasi
zum Reformationsjubiläum ist halt der Luthertext noch mal 2017 komplett überarbeitet worden.
Sebastian
Okay, aber da ändert sich ja nicht der Inhalt, oder doch?
Stephan
Na, die Übersetzung ändert sich. Das heißt also, man ist in dieser Übersetzung
bei einigen Sachen wieder Richtung Original zurückgegangen.
Also Sachen, wo man vorher gesagt hätte, das versteht keiner mehr,
ist man wieder ein bisschen konservativer geworden.
Bei anderen Sachen sagt man, das versteht heute keiner mehr.
Also muss es sozusagen moderner übersetzt werden.
Sebastian
Okay, also die Übersetzung, ich würde sie ja als Schlupfloch sehen.
Stephan
Ja, ne ich würde das eher sehen, wenn man ne Stelle nicht versteht oder sich
mit ner Stelle beschäftigen will, macht es aus meiner Sicht immer Sinn,
mehrere Übersetzungen parallel zu lesen.
Das ist im Internet heute auch gar kein Problem, weil die meisten Bibeltexte
eben auch über das Internet kostenfrei zu finden sind.
Und was man in der einen Übersetzung nicht versteht, versteht man vielleicht
in der anderen Übersetzung.
Und deswegen eben auch hier jetzt einfach, ich habe so das Gefühl von der Hörerschaft oder so,
die sich jetzt nicht selber als Christen sehen, die haben vielleicht noch ne
Bibel ausm Konfirmandenunterricht oder aus ihrem Firmunterricht oder so was
zu Hause, wobei die Katholiken ja nicht so viel Bibel lesen und meinen dann, das wär's.
Und mitunter ist es, wenn man dann einfach mal ne andere Ausgabe,
ne andere Übersetzung liest, hat man viel besseren Zugang.
Sebastian
Das heißt aber auch, wenn du in einer konkreten Lebenssituation bist,
kannst du sie aufschlagen und darin etwas finden.
Stephan
Genau, wobei es natürlich auch dann wieder Tools gibt, also zum Beispiel eine
Konkordanz, wo man nach irgendwelchen Begriffen suchen kann oder so,
oder man hat selber eben schon ungefähr ein Wissen,
wo man was finden sollte und ja, und auch immer, wenn ich irgendwo die Bibel
zitiert bekomme in irgendwelchen Sachen, die ich lese, gucke ich meistens eben
noch mal ins Original rein, um mir auch einfach den Kontext anzugucken.
So nach dem Motto, was steht da wirklich und in welchem Zusammenhang.
Ja, und für mich ist das deswegen ein wichtiges Ding, um einfach so dieses Selberdenken, Selberlesen.
Da bin ich so ein bisschen auch im Sinne der Aufklärung aus der Unmündigkeit
raus, indem man sich selber die Sachen verschafft und rein guckt.
Sebastian
Ich beiße mir nicht auf die Zunge. Ich habe es jetzt wirklich überlegt,
ob ich das dir gegenüber wagen kann. Also ich kenne eine Person,
die spricht Bibelzitate beim BDSM
Stephan
Mh, ja.
Sebastian
wegen der Dramatik, weil das wunderbar klingt. Das muss man sich so ein bisschen vorstellen wie so ein Film aus den 80ern,
wo dann die Teufelsaustreibung ist und dann ist alles dramatisch und Action.
Es geht um diese Stimmung.
Könnte das Teil deines BDSM sein? Ist das vorstellbar, die Bibel als solche
direkt ins Spiel einzubauen?
Stephan
Also für mich persönlich nein. Ja, einfach weil ich da im Moment keine Idee
habe, wo es passen könnte.
Aber ich kann diese Sache sehr gut nachvollziehen.
Also das ist für mich schon so ne Spielart, die ich gut verstehen kann,
wenn man da so mit umgehen mag.
Weil es sind ja teilweise kräftige Worte und ja, wenn man dann Partner,
Partnerin hat, die das teilt, kann ich mir schon vorstellen, dass das sehr schön ist.
Sebastian
Ja, es hat ja auch was so, es hat noch so was Mittelalterliches, wo man dann,
du hast dann im Zweifel, wenn ich Verfilmungen sehe, da steht im Zweifel,
da ist die gefolterte Person und dann der Priester steht immer noch daneben
und versucht dem Sünder noch so ein bisschen das Seelenheil zu retten und sagt da die Verse auf.
Das ist so ein Bild, was ich jetzt einfach gerade in meinem Kopf habe.
Ich weiß gar nicht, wo ich das gesehen habe.
Nein, aber das wäre vielleicht auch so ne, so ne fast moralische Grenze,
wo man sagt, na ja, das Buch, die heilige Schrift, die missbrauche ich doch nicht
jetzt selbst, ihren Inhalt für diese Sexualität.
Stephan
Ja, finde ich einen wichtigen Einwand. Also ich glaube, man muss da zwischen
Gebrauchen und Missbrauchen wirklich dann unterscheiden.
Und das hängt für mich ganz stark vom Kontext ab. Also so diese diese Rollenspiel
Situationen und so finde ich finde ich total faszinierend.
Ich kenne auch auch so Rollenspiel Situationen die dann halt über über mehrere
Tage vielleicht gehen oder so die dann ne ganz andere.
Intensität haben, wenn der Kerker eben wirklich mehr als eine Stunde bewohnt
wird und auch was weiß ich, irgendwelche Inquisitionsspiele oder so was,
wo ich dann aber irgendwie, ja die Grenze ist da, dass man es eben,
ja dass das eine eben ein Rollenspiel ist, wo man halt mit ein bisschen Humor
auch eine Rolle spielt und das andere eben der Ernstes des Lebens.
Da ist für mich irgendwo eine Grenze, die jeder für sich selber finden muss,
aber die Texte dafür zu verwenden, finde ich dann völlig legitim,
wenn es zu der Rolle eben passt.
Sebastian
Vielleicht mag ich dem Publikum mal verraten, dass wir hier eben schon fast
diskutieren kamen ohne Mikrofon.
Und da ging es um den Punkt, ja, wenn eine Person die andere an BDSM gewöhnen möchte.
Und da haben wir offenbar nicht deckungsgleiche Standpunkte.
Und das finde ich so spannend, dass das hier unbedingt in die Folge rein muss.
Ich weiß nicht, soll ich erst mal anfangen mit dem Szenario?
Stephan
Ja, fang du ruhig an.
Sebastian
Okay, also es gibt diese, diese, soll ich sie gleich framen?
Soll ich es gleich framen? Im Prinzip habe ich das schon.
Also es geht um die Überlegung, ich stehe auf BDSM, ich stehe auf Fesseln,
ich stehe auf Bondage und so die große Fantasie, die im Kopf ist,
ist irgendwie der, der Sack,
der irgendwo im Kleiderschrank irgendwie abgelegt wird und dann steckt man da
drin. So, das ist so die Fantasie.
Jetzt habe ich meine Partnerin, meinen Gegenüber und weiß, ah,
das ist wahrscheinlich schon echt krasses BDSM, das ist viel,
das ist heftig, die wird abgeschreckt sein.
Dann ist ja so der häufige Rat, dann gehen wir da in kleinen Schritten ran.
Wir fangen klein an, immer wieder ein bisschen mehr.
Wir fangen mal an mit dem Schal ein bisschen ans Bett fesseln und so weiter und so fort.
Und dann habe ich aber das Ziel, nach ein, zwei Jahren bin ich dann da,
wo ich hin will und dann wird genau das passieren, was ich mir jetzt ausgemalt habe.
So, mein moralisches Problem, ich finde das total unehrlich, unmoralisch,
manipulativ, also alles was im BDSM nichts zu suchen hat, zumindest nicht unterschwellig,
das ist da alles drin. Das macht mich wahnsinnig.
Und jetzt sag du einfach mal was dazu.
Stephan
Ja, wir waren vorhin bei dem Thema eben Partner, Partnerin teilt BDSM nicht
und ich habe dann gesagt, ich finde das völlig legitim klein anzufangen und
ich sage mal, dass das Ziel,
was vielleicht in der ersten Situation nur verschrecken würde,
eben dieses komplett Bondage oder so ein bisschen hinten anzustellen und einfach
mal mit was Kleinem anzufangen, finde ich in Ordnung, weil Menschen einfach,
ja, von der Natur her so sind, dass sie oft, ja, sich verschrecken lassen von
irgendwas oder eben auch, wenn man nen leichten Einstieg hat,
das nach und nach zu finden, also.
Sebastian
Gut, aber kann man da nicht proaktiv sein und sagen, hier, pass auf,
ich hab da einen Wunsch, ein Bedürfnis, das führt relativ weit,
aber ich mag mit dir diesen Weg zusammen gehen und wir fangen einfach mal ganz
klein an, damit du dich wohlfühlst, damit das easy ist.
Ich muss vielleicht gar nicht erwähnen, was das Fernziel ist,
solange es nicht direkt gefragt wird, sage ich mal, aber dieses "Hallo".
Nicht fessele mich ein bisschen ans Bett mit dem Schal, mit dem Seidenschal und
danach ist auch gut, weil das ist ja erstmal das, was das Gegenüber vielleicht so sieht.
Sondern ich habe ja den festen Plan immer weiter zu steigern.
Das heißt, ich muss mir doch erstmal diesen Konsens abholen,
wir gehen jetzt nen längeren Weg und nicht,
ich gewöhne dich erstmal dran und wenn du soweit dran gewöhnt bist,
bis du nicht mehr widersprichst und das vielleicht sogar ein bisschen gut finden
kannst, dann gehen wir den nächsten Schritt. Ich finde das schwer.
Stephan
Ich glaube, der Unterschied ist darin, sich zu fragen, wann bin ich manipulativ.
Also wann gewöhne ich da jemanden an etwas, was er oder sie vielleicht gar nicht möchte.
Und was ist sozusagen dieses Austesten bei einer Person, die das selber noch
gar nicht weiß, weil sie es vielleicht noch nie ausprobiert hat, also das ähm...
Sebastian
Ja, aber wo kommt der Punkt, wo du sagst, das ist manipulativ?
Stephan
Also ich glaube, ich habe das Ideal vorhin schon beschrieben,
als wir an dem Punkt waren.
Nämlich, dass es nach meiner Meinung darum geht, offen zu zeigen,
was man für Neigungen und Wünsche hat und dann miteinander auszutesten,
wie weit man da gehen kann.
Und dass da aber einer mal, was weiß ich, die Initiative bei übernehmen muss
und gucken muss, wie weit kann ich den anderen an dies oder das gewöhnen,
das halte ich eben für normal und gangbaren Weg, weil die die meisten Menschen,
wenn man nur darüber redet, gar nicht so genau wissen, was geht und was nicht geht.
Sebastian
Und ich habe ja auch schon im Podcast den Rat gegeben, um Himmelswillen,
wenn ihr irgendwie seit 5, 6 Jahren Geschichten lest und Fantasien habt und
Pläne geschmiedet habt, dann geht doch nicht zu eurem Partner und sagt,
bam, hier ist alles und jetzt mach was mit mir.
Das überfährt ja das Gegenüber und trotzdem, ich weiß nicht warum das so ist,
ist dieses ich verfolge einen langfristigen Plan, von dem mein Partner,
meine Partnerin nichts weiß.
Da sehe ich ein Problem. Also, ab wo kommt der Moment, wo man die Karten moralisch
auch einfach mal auf den Tisch legen muss?
Stephan
Ja, ich habe immer so eine Verhandlungssituation, dass es völlig legitim ist,
eben nicht im ersten Schritt alle Karten auf den Tisch zu legen,
sondern einfach erstmal,
ich sage mal, mit ner niedrigen Karte anzufangen und zu gucken,
wie viel Interesse kommt da, und dann eben zu steigern, je nachdem, wie das Interesse ist.
Sebastian
Also man heuchelt ja dann schon vor, oh, ich stelle mir vor,
wir machen was Kleines, dann sage ich, "Oh, das war ja schön,
lass mal ein bisschen mehr machen."
Das ist ja eigentlich gelogen, weil ich weiß ja schon von vornherein,
das wird schön und ich lass mal mehr machen.
Stephan
Ja, ist vielleicht auch ein bisschen Persönlichkeit. Ich will mich selber auch
gar nicht so festlegen, wo das Ziel dann am Ende ist.
Und deswegen ist sozusagen das am Anfang austesten, je nach Partnerin oder Partner,
ist für mich gerade das spannende Ding eigentlich.
Sebastian
Ja, wir bewegen uns so ein bisschen an so einer ethischen Grenze, ne?
Also, bis wohin ist es noch ethisch vertretbar, nicht alles auf den Tisch zu legen?
Und ab wo fange ich an zu manipulieren? Vielleicht ist es die Intention.
Stephan
Ja, genau. Also ich glaube, solange man das Wohl des Anderen,
ebenso Stichwort Nächstenliebe, sage ich da jetzt einfach mal platt,
solange man das Wohl des Anderen da mit im Blick hat und ich sage mal die Dinge
zurückhält, um selber besser verstanden zu werden und den anderen,
ja für mich ist gerade im Bereich der Sexualität auch das Aufwärmen zum Beispiel
so unglaublich wichtig.
Ich weiß, dass Frauen teilweise ganz, ganz anders reagieren auf irgendwelche
Sachen, die man ihnen zumutet, wenn sie schon aufgewärmt sind,
also in einem erotischen Flow schon drin sind, als wenn man sie sozusagen mit
Kaltstart direkt da reinbringen würde.
Und einfach, weil ich zum Beispiel diesen Unterschied sehr intensiv kenne,
finde ich es eben ganz normal, dass man eben klein anfängt mit Aufwärmen sozusagen
und in seinem Szenario zu den großen Dingen erst hinterherkommt.
Sebastian
Ja, aber ich glaube, das ist ja etwas, da gibt es keinen Wissensvorsprung. Das ist beiden bekannt.
Das ist eine Technik, die ich anwende. Ich finde, das ist ein spannendes Feld
und ich mag so ein bisschen damit betonen.
Wenn ich es gut meine, kann ich es eher vertreten, als wenn ich ne nicht so tolle Intention habe.
Das, was ich tue, nämlich hier in Zweifel diese Salami-Taktik,
dass man immer Stückchen für Stückchen da was preisgibt, das kann mal notwendig
sein und gut für alle, kann auch einfach total egoistisch sein und ne Katastrophe.
Weil was passiert, wenn mein Gegenüber dahinter kommt? Und seit Monaten wird
das immer ein bisschen mehr, ein bisschen mehr, ein bisschen mehr irgendwie.
Spar mir, du hast da einen Plan hinter. Das ist ja von der Vertrauensbruch da.
Stephan
Ja, da gebe ich dir wieder recht. Und das ist eben genau der Punkt.
Da muss es für mich selber noch stimmig sein, dass es eben keine Manipulation
ist, sondern wirklich nen Aufwärmen, nen Abholen in beiderseitigem Interesse.
Sebastian
Ja und eben auch mit so ein informiertes Mitmachen und nicht so ein
"wir gehen immer schön ran und gucken".
Ich kann es gar nicht genau formulieren. Ich merke auch, das ist so ein unendliches Ding.
Ich glaube, dazu muss ich mal eine Live-Sendung machen und lange mit vielen
Leuten diskutieren, wie die das sehen.
Stephan
Ich glaube für mich ist das Ideal auch wirklich, dass man eben von beiden Seiten
kommt und wirklich miteinander in der Kommunikation ist und dass es für mich
aber ein Stück Realität ist,
dass die Dinge nicht immer gleich verteilt sind und manchmal der eine der Aktivere
ist, der mehr will und manchmal auch jemand, der entsprechend der Passivere
ist, der eben sich lieber anleiten lassen möchte.
Sebastian
Kommen wir beide zu nem Konsens bei dieser Betrachtung?
Stephan
Also ich habe im Moment das Gefühl, wir haben da schon einen Konsens.
Und das ist für mich eben dieses beim anderen sein und den anderen ernst nehmen
und nicht manipulieren.
Sebastian
Ja, vielleicht muss ich da nochmal auf den Begriff der Manipulation nochmal
irgendwie ein bisschen genauer drauf schauen.
Also ich merke gerade, also liebes Publikum, das ist so dieser Moment,
wir haben es jetzt 13 Uhr, ich kann mich jetzt so langsam um Kopf und Kragen
reden und auch so ein bisschen angriffslustig werden.
Ist einfach manchmal so. Vielleicht da nochmal so als letzten religiösen Aspekt.
Gibt es da nicht etwas, wo mir dann auch die Bibel im Zweifel hilft und sagt,
ja, so kannst du es machen.
Das wäre ja so ne konkrete Glaubensfrage. Kann ich mein Gegenüber uninformierter
lassen, damit alles schön wird?
Stephan
Das ist ne spannende Frage. mir fällt jetzt spontan allerdings nichts wirklich,
keine Bibelstelle wirklich dazu ein mit der ich das,
lösen könnte sozusagen.
Sebastian
Wenn du irgendwann eine findest, werde ich sie in dieser Folge auf jeden Fall ergänzen.
Stephan
Ja, genau.
Sebastian
War auch klar, dass du nicht aus dem Stegreif, da was findest.
Ich finde auch Menschen sehr gruselig, die das können.
Stephan
Es hätte sein können, wenn ich was finde, aber mir fällt jetzt wirklich nichts ein.
Und das ist, ich meine, Machtfragen spielen in der Bibel ganz,
ganz oft eine wichtige Rolle und Macht ist sicherlich auch immer ne Sache
eben von Information oder so.
Aber nein, fällt mir jetzt konkret nichts ein.
Sebastian
Ich hätte ja noch so auf meinem Zettel als letztes Thema "Vernetzung der BDSM-Szene".
Das ist ja nochmal das ewige Dauerthema.
Und ja, jetzt überlegen wir mal, warum steht das hier auf meinem Zettel drauf?
Stephan
Ja, wir sind auf die, auf das Thema gekommen.
Also ich habe den Arbeitskreis auch immer schon als Teil einer, einer größeren BDSM-Szene gewesen.
Ich hatte auch eingangs, glaube ich, gesagt, dass ich gerne über die BDSM-Szene
reden wollte, wie ich sie eben
in den späten 90er und frühen 2000er Jahren halt so kennengelernt habe,
weil das so aus meiner Lebensperspektive einfach ein spannendes Thema ist.
Als die Stammtische noch nicht so ausdifferenziert waren und nach meinem Gefühl
noch so jeder mit jedem gesprochen hat und sich dann später auch bundesweite
Strukturen in der BDSM-Szene etabliert haben.
Da gab es damals BDSM-Kongresse, wo aus dem ganzen deutschsprachigen Raum Menschen
angereist sind und wo ich es einfach schön fand,
dass wir eben mit diesem Thema Arbeitskreis "BDSM und Christsein" eben einen Aspekt
von ganz vielen abgedeckt haben.
Was weiß ich, da gab es dann auch noch Arbeitskreise, die sich mit Öffentlichkeitsarbeit beschäftigt
haben oder mit Psychologie oder mit Lobbyismus und was da so alles noch an Themen drin war.
Ja und das vermisse ich heute ein bisschen. Ich habe so ein bisschen das Gefühl,
dass irgendwie die Stammtische zumindest in einer Großstadt wie Hamburg sehr
viel ausdifferenzierter sind, dass es da ganz ganz viele gibt und ja und irgendwie
jeder so sein Ding macht und irgendwie die Vernetzungsstrukturen,
die ich ganz wichtig finde,
ja dass ich da irgendwie ein bisschen was im Moment vermisse.
Sebastian
Ja, es stimmt schon, dass viele Veranstaltungen, Stammtische,
Arbeitskreise, jeder macht da so sein Ding und da kann man drin sein oder nicht.
Aber ja, ne Vermischung, also zumindest ne oder ne Zusammenarbeit, die findet weniger statt.
Es gibt Beispiele wie den Smart e .V.
in NRW, wo viele Stammtische unter diesem Dach mit drunter sind.
Das heißt, sie arbeiten dann doch irgendwie mehr oder minder zusammen,
weil sie einfach eine Dachorganisation haben, die auch Logistik bereitstellt, das verbindet.
Aber ja, wie kann man das lösen? Ich meine, es gab den BVSM,
es gibt ihn auf dem Papier auch noch.
Ich glaube, die jungen Leute machen uns da gerade eine Menge vor mit der SMJG,
die da vernetzungstechnisch allem weit voraus ist, was ich sonst gesehen habe bisher.
Stephan
Ja, also es gibt in Hamburg ja auch das Schlagwerk,
wo ich auch seit ebenso langer Zeit Mitglied bin,
was auch so eine Art Vernetzungsorganisation ist, was vor allem auch für den
CSD natürlich ganz wichtig ist,
dass man da eben und wo man versucht, eben den Stammtisch oder wo man definitiv
den Stammtischen eben Ressourcen zur Verfügung stellt und so.
Ich persönlich habe die SMJG auch schon vor ihrer Gründung quasi kennengelernt,
als dann die Ersten so die Idee hatten, so was machen zu wollen,
ne Jugendorganisation, fand die Idee damals ganz klasse.
Hab dann inzwischen aber, wo es jetzt sozusagen die zweite Generation gibt,
so ein bisschen Bedenken, dass ich das Gefühl habe, es war im Endeffekt dann
doch etwas, was die Szene irgendwie so nach Altersklassen sortiert hat.
Also die Arbeit der SMJG selber finde ich ganz, ganz klasse,
weil ich glaube, dass diese Zielgruppe der ganz jungen, die braucht das auch,
die braucht ihre eigenen Schutzräume.
Und eben die sind sehr aktiv und machen ganz viel. Das finde ich super.
Wenn es dann irgendwie so die Alumnis sind, dann habe ich ein bisschen manchmal
das Gefühl, nee, das sollte irgendwann auch erwachsen werden und was weiß ich.
Es gibt ja auch keinen Verband der ehemaligen Ingenieurstudenten,
sondern das sind dann Ingenieursverbände sozusagen.
Also sprich, da ist... Und ich habe so das Gefühl, wenn wir uns zum Beispiel
nach Altersgruppen sortieren, dass dann eben so diese Zusammenarbeit bei politischen
Themen oder so einfach fehlt.
Sebastian
Ja, ich seh das auch so ein bisschen zwiegespalten, weil...
Bin ich zehn Jahre in der SMJG, dann habe ich ein soziales Umfeld erarbeitet,
ich habe Werte dort erarbeitet, ich habe dort Dinge erarbeitet.
Warum sollte ich mit 27 das alles vergessen?
Das dann, die nächste Stufe ist Alumni, das finde ich eigentlich gar nicht schlecht.
Nur diese Öffnung nach außen, also ich habe überhaupt nichts dagegen,
wenn die Menschen in Kontakt bleiben, wenn sie ihr soziales Umfeld weiterhin pflegen.
Das ist okay, das ist gut.
Dann die Durchmischung, da muss man sehen. Aber natürlich ist es so,
dass man Menschen, die drin sind, haben natürlich dann auch ganz viele Gemeinsamkeiten,
was Verhalten, was Wissen angeht.
Und dann ist es natürlich immer schwer, mit Menschen zusammenzutreffen, die nicht drin waren.
Also da ist eine Spaltung schon irgendwie da.
Ich glaube aber, dass das durch offene Angebote sich immer mehr auseinander
differenziert. Also während die Menschen mit Ende 20 noch da sehr,
sehr stark mit drin hängen, weil sie einfach den Anschluss an die SMJG brauchen und suchen.
So sehr glaube ich aber auch, dass sich das dann in den Jahren danach immer mehr auffächert.
Das bringt es vielleicht vom Prinzip her mit sich, aber ich glaube,
dass da mehr Gutes bei rum kommt als Schlechtes.
Dennoch, und das teile ich dann auch wieder mit dir, man muss trotzdem irgendwie
versuchen, dass Menschen, die im BDSM-Bereich sich engagieren,
dass da nicht jeder für sich kämpft.
Stephan
Ja, vielleicht kann ich zu mir dann auch noch erklären, dass ich ne relativ
lange Pause gemacht habe, einfach dadurch, dass ich dann irgendwann kleine Kinder hatte.
Also die die Mitarbeit im Arbeitskreis war mir so wichtig,
dass ich die die ganze Zeit beibehalten habe, aber halt so Sachen wie Stammtische
oder CSD und so was habe ich dann halt weniger gemacht und bin dann halt jetzt sozusagen,
wo die Kinder ein bisschen größer sind und mich als Vater nicht mehr so intensiv brauchen wieder,
dass ich mehr einfach gucke, Menschen zu treffen und so.
Und da im Moment vielleicht gerade den Kulturschock habe zu merken,
oh, die Szene ist nicht mehr so, wie ich sie damals kennengelernt habe,
weil eben die Stammtische, die
ich davor besucht habe, waren häufig eben alterstechnisch bunt gemischt.
Von ganz Jungen, teilweise sogar unter 18 -Jährigen bis eben zu wirklich Menschen
im Rentenalter oder so, die also wirklich dann damals, wie ich dazu gestoßen
bin, noch erzählen konnten, wie war BDSM vor dem Zweiten Weltkrieg so ungefähr.
Und während der Nazi-Zeit als Uniformfetischismus sozusagen dann Volkssport
war, was für mich damals wahnsinnig spannend war als junger Mensch.
Und wo ich heute so denke, nee, man ist irgendwie so in diese Schubladen gegliedert.
Und ich glaube, dass wir halt auch als BDSM-Szene Themen haben.
Wir haben ja hier ganz viel auch über Kirchenpolitik und so gesprochen.
Ich glaube auch in der Allgemeinpolitik ist das Thema immer noch wichtig und
die Leute, die gegen uns arbeiten, dass die sich durchaus vernetzen und da sage
ich mal Allianzen entstehen, die
ja, von denen man eigentlich so erstmal denkt, die entstehen gar nicht und wenn
wir uns dann so ausdifferenziert haben und keine gemeinsame Lobby haben, dann ist das schwierig.
Also wir merken zum Beispiel ja wie viel die Autofahrerlobby oder so einfach
sozusagen erreicht hat, dass sie zusammengehalten hat.
Sebastian
Ja, es ist natürlich so, dass natürlich dagegen ist immer eine Gruppe,
also eine Gruppe, die irgendwo "Dagegen" ist, die findet sich schneller. Ja, das ist keine Frage.
Wo du das gerade sagtest, du warst ein paar Jahre raus, kommst wieder und die
Szene hat sich verändert und dann fehlt auch noch ein Teil, nämlich quasi alle
jungen Leute fehlen plötzlich, ne?
Ich glaube, das ist aber auch so ein bisschen hausgemacht,
weil auch als ich in die Szene eingestiegen bin, ja, die Jungen,
hach, die müssen noch so viel lernen und dies und das, also da wurde runter geguckt
auf die jungen Menschen.
Und das ist ein ganz großer Fehler, weil die haben eigentlich die Chance und
die Freiheit, Dinge zu erarbeiten, die wir uns nicht mal vorstellen konnten.
Die können Dinge ausprobieren und sagen, okay, das ist gut. Und dieses Wissen,
also hier haben wir beim BDSM, finde ich, haben wir einen Wissenstransfer,
der nicht von alt nach jung geht.
Wir haben einen Wissenstransfer, der in alle Richtungen funktionieren muss,
weil die persönliche Erfahrung, die macht Wissen.
Und das finde ich schwierig. Also wenn ich ganz frisch anfange,
ja natürlich, dann lerne ich.
Aber dann lerne ich von welchen Menschen, die schon Erfahrung gemacht haben.
Alter ist erstmal gar nicht so wichtig.
Und wichtig ist, dass ich viele Perspektiven einsammle. Und dann kann ich daraus
neues Wissen generieren.
Diese Abgrenzung von jungen Menschen in eigene Stammtische zum Beispiel,
ich glaube, das ist eine Folge davon, dass sie sich oft, nicht immer und nicht
überall, aber oft nicht für voll genommen gefühlt hat.
Und dann ist das die adäquate, korrekte Reaktion zu sagen, okay,
dann halte ich mich davon fern.
Stephan
Ja, und da bin ich völlig deiner Meinung. Und genau das ist,
glaube ich, auch mein Problem.
Weil mir fehlen die jungen Menschen ja vor allen Dingen, weil ich von ihnen lernen kann.
Also ich brauche ja gerade aus meiner Perspektive die jungen Menschen,
damit ich von ihnen lernen kann.
Und freue mich deswegen über alle BDSM-Treffen, sage ich mal,
die alterstechnisch gemischt sind, Weil ich gerade von Menschen,
die heute studieren oder die frisch im Beruf sind und so, die haben ne ganz
andere Lebensperspektive,
von denen lerne ich ganz viel, wie die Welt heute funktioniert.
Und deswegen ist das für mich auf jeden Fall immer ne Geschichte auf Gegenseitigkeit.
Und ich bin auch mal jetzt so selbstbewusst zu sagen, ich glaube auch,
dass die alten Menschen, die ich früher, als ich als junger Mensch in die Szene
gekommen bin, dass die auch von mir was gelernt haben, einfach weil das so ist.
Und deswegen finde ich diese Sache, die du richtig beschreibst,
wenn man zu irgendwelchen Veranstaltungen hingeht und sich nicht ernst genommen
fühlt oder so, dass man sich dann was eigenes schafft, ist völlig legitim.
Aber ich glaube, wir müssen auch ein bisschen darauf achten,
dass wir Räume haben, sag ich mal, wo man sich wieder mischt und vernetzt und irgendwie zusammenarbeitet.
Sebastian
Gut, diese Räume zu schaffen, das ist natürlich eine gemeinsame Aufgabe.
Da muss man ja wieder vernetzen, damit man dann die Räume schaffen kann.
Und es gibt Stammtische.
Da fühlen sich alle wohl. Die gibt es und das ist auch nicht von heute auf morgen gekommen.
Und dann ist es mal mehr, dann ist der Altersschnitt mal in einer Woche weiter
unten, in der nächsten Woche ist er wieder ein bisschen höher,
mal ist er bunt gemischt.
Und ich glaube, wenn alle aufeinander zugehen und zumindest offen dafür sind,
dass da auch Menschen sind, die eben nicht die eigenen Meinungen teilen.
Denn wenn sich das durchsetzt, dieses Open-Minded, dann vermischt sich das auch
wieder von ganz alleine.
Stephan
Ja, und vielleicht ist dieses Open-Minded auch genau das, was ich suche und
ist sicherlich auch hausgemacht das Thema, wo ich einfach dann gucken muss,
wo jetzt die Angebote so sind und wo man da jetzt was finden kann.
Sebastian
Ja, ich mag vielleicht nochmal als letzten, als allerletzten Punkt,
weil die Zeit drängt ein bisschen, diesen Elternschaftspunkt mit aufnehmen,
weil ich glaube, da ist nämlich auch tatsächlich ein Loch, gerade auch in der Altersstruktur,
dass Menschen, ja, da wird Nachwuchs gezeugt und dann ist der wichtig und das
ist auch okay, aber dann ist da eine Lücke, das heißt viele Menschen scheiden
dann für eine gewisse Zeit aus der Szene aus, weil sie weder Zeit noch Ressourcen haben,
weil einfach das Leben eine andere Art des Forderns hat.
Und dann kommt man genau wie du wieder und dann ist wieder ganz viel passiert.
Und vielleicht ist da auch so ein bisschen so ne Delle.
Denn BDSM mag sich schön gleichmäßig auf alle Altersschichten verteilen,
aber dann so Anfang Mitte 30, Ende 30 ist vielleicht dann nochmal so ne besondere
Delle da, weil die Leute einfach mit der eigenen Familie beschäftigt sind.
Und dann habe ich natürlich durch diese Delle nen Graben, ne Spaltung.
Wenn ich jetzt als Diagramm aufzeichnen würde, wäre da einfach eine Beule in der Linie.
Und dann ist natürlich diese Spaltung viel einfacher. Weil dann sind da nicht
immer im Schnitt ein, zwei, drei Jahre dazwischen, sondern da ist wirklich dann
mal so ein Bereich, wo die Leute über drei, vier, fünf, sechs,
sieben Jahre bis die Kinder in die Schule gehen zum Beispiel, aussteigen.
Und wenn sie wiederkommen, dann ist das auch schwierig, weil das auch nicht
bei allen gleichzeitig ist. Das heißt, die allbekannten Gesichter fehlen zum Beispiel.
Ich glaube, das ist kompliziert. Im Grunde muss man gucken, dass man irgendwie
Familie und BDSM irgendwie so verbindet,
das ist jetzt blöd formuliert, aber dass man diesen diesen Ausstieg gar nicht mehr wählen muss.
Stephan
Ich glaube, für mich ist das ganz natürlich, dass es da ne Situation gab, wo eben die,
ja auch die Doppelfunktion Beruf und Familie dann eben für viele Hobbys einfach
keinen keinen Raum mehr gelassen hat und ja,
aber das mit dem Wiedereinstieg, dass das schwierig ist, hängt glaube ich auch
mit anderen Faktoren noch zusammen und da kommt im Moment sicherlich auch noch Corona dazu.
Ich habe das Gefühl, dass viele Ältere einfach nicht mehr zu Stammtischen gehen,
weil ihnen das die Sache einfach nicht wert ist.
Ich habe nämlich zum Beispiel wahrgenommen, dass auf Partys oder so zumindest
auf einigen die Älteren durchaus,
also auch noch älter als ich deutlich sozusagen Präsenz zeigen oder so,
aber die wahrscheinlich einfach keine Stammtische mehr brauchen oder auch keine,
keine, keine Foren mehr für, für inhaltlichen Austausch.
Und ja, dass ich da irgendwie die, dass das mit der Elternschaft ist,
ist, glaube ich, ganz normal und es ist nicht das Problem.
Und diese Ausdifferenzierung nach Alter, das ja, da hast du vielleicht recht,
muss ich einfach gucken, was es da noch an Angeboten gibt.
Sebastian
Wir machen das mal so. Es gibt ja nicht nur dich und mich, es gibt ja noch viele
Menschen und es gibt auch viele, die...
da vielleicht auch versuchen zu vernetzen. Man wird Kontaktdaten zu dir in den
Shownotes finden, dass man dich erreichen kann.
Und vielleicht können wir mal so einen Startschuss draus machen.
Und ich mag das Thema ja auch immer wieder mal thematisieren,
denn ich merke das ja beim Podcast machen auch immer wieder,
dass das sich nicht ausschließt.
Ja, manche Sachen kann ich besser nachvollziehen, andere wenige.
Aber ich kann kein Muster erkennen, ob das irgendwie vom Alter,
vom Geschlecht, von dem Kink, von irgendwas abhängt, ob ich von den Leuten lernen
kann, oder ob das interessant ist, oder ob das für mich eine neue Welt eröffnet.
Das hat alles nichts mit diesen statistischen Faktoren zu tun,
sondern es ist einfach so, trifft drei Menschen, du bekommst drei Meinungen,
ein bis zwei können davon total spannend sein und alle anderen Faktoren sind im Grunde egal.
Es ist einfach die Vielfalt der Menschen, die von an sich wirkt.
Stephan
Ich glaube, die Vernetzungsidee war ursprünglich auch wirklich die,
dass man gesagt hat, wir haben alle die gleichen Themen.
Also jeder, der einen Stammtisch betreibt oder der, was weiß ich,
ne Party anbietet oder eben so was wie den Arbeitskreis hat,
hat eigentlich die gleichen Themen.
Und wir müssen nicht jeder für sich das Rad neu erfinden. Und wir tauschen uns
einfach, was so Dinge wie Öffentlichkeitsarbeit oder,
Moderationsregeln oder alle solche Sachen betrifft gegenseitig aus und dazu
gab es eben früher diese BDSM Kongresse und so was und ja das vermisse ich im
Moment also wenn da irgendjemand Ideen hat wo es so was wieder gibt oder wo vielleicht
auch so was am Entstehen ist.
Ja, einfach mal mich in den Verteiler
mit aufnehmen oder so und mich mit informieren, was es da so gibt.
Sebastian
Also mich bitte auch, denn ja, es mag sein, dass ich sag mal weniger
Stigmata, Leidensdruck da ist, als vor 20 Jahren.
Das mag sein, dass man eher BDSM-offen leben kann, als man ja,
als das vor 20 Jahren noch möglich war oder wie man es empfunden hat.
Meistens ist es ja nur ein Gefühl.
Aber wenn da wieder etwas kommt, wenn sich da Menschen wieder vernetzen,
wenn die Zukunft auch wieder düster ist und mehr Kink ist mehr geächtet in der
Gesellschaft, dann gerade dann wird so was wieder entstehen.
Und da wäre ich natürlich auch gern dabei.
Stephan
Ja, ich glaube, dass man so Sachen wie Öffentlichkeitsarbeit oder so auch anpassen
muss, also sprich Texte, die ich irgendwann mal verfasst habe vor Shades of Grey,
die würde ich heute nicht mehr so formulieren, weil wir ein anderes Umfeld auch haben und deswegen,
glaube ich, müssten eigentlich alle, die jetzt, sage ich mal,
in der BDSM-Szene Werbung für ihren Stammtisch machen wollen oder für ihre
Aktionen oder für ihre Bondage-Workshops oder so,
müssten eigentlich vor dem gleichen Thema stehen, wie erklär ich, oder ne erklären ist schon das falsche Wort,
wie stelle ich das Thema BDSM Interessenten vor, ohne dass es interessant wird, aber eben nicht in irgendwelche Klischee-Schubladen
rein rutscht, wo wir nicht rein wollen und ich habe im Moment so das Gefühl,
die sexpositive Szene ist riesengroß, also was mir zum Beispiel im Moment auffällt
ist, dass gefühlt jeder zweite Tantra-Lehrer jetzt auch mit BDSM anfängt,
was ich teilweise auch ein bisschen kritisch sehe, aber wo ich so denke,
dass das Interesse ist riesengroß und sich dazu vernetzen halte ich für ganz
wichtig und interessant.
Sebastian
Ja, da merkt man ja bei BDSM, durch die Hintertür wird es gesellschaftstauglicher
und das ist jetzt aber noch mal ein ganz riesengroßes Thema,
wie BDSM die Gesellschaft durchsetzt.
Nein, das tut es ja gar nicht, sondern wie mehr Menschen BDSM für sich als Option akzeptieren können.
Stephan
Ja, und dadurch ändert sich aber auch die BDSM-Szene dadurch,
dass sie größer wird und ich glaube, das ist so ein Punkt, wo wir auch drauf achten müssen.
Ich überlege jetzt gerade, wie ich es formulieren kann, ohne da irgendwelche
falschen Feindbilder aufzubauen.
Ich sehe durchaus die Gefahr, dass da jetzt auch Menschen das Thema BDSM benutzen,
um alte überkommene Rollenbilder, sag ich mal, zu konservieren.
Und wir da eine, ich sag mal,
agile BDSM-Szene brauchen, die solche Vereinnahmungsversuche eben jetzt ganz elegant und ja zeigt,
dass BDSM eben, dass es da um Einvernehmen geht und eigentlich gerade jetzt
Geschlechterrollen aufbrechen,
Geschlechtergerechtigkeit herzustellen oder so, das sollte aus meiner Sicht eher das Anliegen sein.
Sebastian
Mhm.
Ich glaube, die tatsächlich die Gefahr, dass man unter dem Deckmantel des BDSM
das Patriarchat wieder auf erleben lässt, das hatten wir eben schon,
aber ich glaube, da ist wieder der Punkt.
Im Prinzip glaube ich, dass da die Aufklärung, was ist BDSM,
nämlich einvernehmlich, dass die im Prinzip ausreichend ist, um zu verhindern, dass,
ich sage mal, so nen Missbrauch a des Begriffes, b der Techniken und der Praktiken und auch der Moral, das
dieser Missbrauch, dem kann vorgebeugt werden, in dem halt ganz klar ist,
Ist es ist kein Konsens, ist es ist kein BDSM! Punkt.
Stephan
Ja, vielleicht wird es anschaulicher, wenn man sich auf die andere Seite,
auf der anderen Seite guckt.
Ich habe so ein bisschen das Gefühl, dass, sage ich mal, die feministische Seite
im Moment wirklich ganz stark zweigespalten ist, ich sag mal,
in sexpositiven Feminismus und den anderen Feminismus, der alles,
was so Richtung BDSM oder Pornografie oder so geht,
eher verechtet, eher beiseiteschieben möchte sozusagen.
Und die anderen, die eben ganz klar sagen, nee, für uns ist es gerade Feminismus,
uns das anzueignen und eben, was weiß ich, BDSM und Pornos ganz bewusst zu konsumieren
und zu gestalten und zu machen und da sehe ich ein bisschen eher unsere Aufgabe
als BDSM-Szene jetzt in Bezug auf Vernetzung und so eher zu zeigen,
wie da der gute Weg ist, dass wir
da eben in so ne sexpositive und geschlechtergerechte Sache reinkommen.
Sebastian
Aber ich glaube, der Weg ist weiter, als er noch vor zehn Jahren war, weil da gab es diese,
Verbände und Vereinigungen, das hat abgenommen, aber dann ist doch genau der
Startpunkt, das ist ja für dich jetzt auch ne gute Gelegenheit zu sagen, komm,
dann gucken wir mal, vernetzen, probieren und wenn Menschen das hier hören,
die sagen, ah mit Stephan, ja da könnte ich mir vorstellen, dass wir da ein bisschen
was reißen können, dass wir uns da vernetzen und dann eben auch was erschaffen können,
dann ist das doch jetzt die perfekte Gelegenheit da loszulegen.
Heute kann der Startpunkt sein. Ich würde es dir wünschen.
Stephan, wir sind am Ende angekommen.
Und stimmst du mir denn überhaupt zu? Also haben wir noch was vergessen?
Stephan
Ja, ich überlege auch gerade, ob wir noch was Wichtiges vergessen haben.
Irgendwie habe ich das Gefühl, da fehlt noch was, aber mir fällt im Moment auch nicht ein was.
Sebastian
Okay, dann mache ich hier den Deckel drauf. Ich muss jetzt hier auch gerade
ein bisschen Familienorganisation nebenbei schon machen.
Das ist ganz fürchterlich, aber das passiert, wenn man morgens aufnimmt.
Stephan, das hat mir unglaublichen Spaß gemacht, mal ein bisschen in den Diskurs
reinzugehen, auch deine Perspektive kennenzulernen und auch zu gucken,
wie kann man sich denn damit beschäftigen.
Da habe ich an viele Dinge vorher nicht gedacht, muss ich ganz ehrlich sagen.
Und ich habe auch noch so ein bisschen diese ethnisch-moralischen Dinge,
die ich jetzt für mich in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten ein bisschen verarbeiten
muss und werde, natürlich im Podcast, das hast du mir geschenkt und das ist
ein Denkansatz, das finde ich gut.
Und ich wünsche erstmal dem Arbeitskreis, dass er sich auf Dauer Gehör verschaffen
kann und für BDSM dort werben kann, wo,
BDSM noch nicht so respektiert wird.
Bei dir bedanke ich mich ganz herzlich, dass du einfach hier diese Offenheit
gezeigt hast, dass du mir hier Rede und Antwort gestanden hast,
jetzt über drei Stunden, Wahnsinn.
Und ganz vielen lieben Dank und ich hoffe, wir können das irgendwann fortsetzen.
Stephan
Ja, ich möchte mich bedanken, dass du mich hier eingeladen hast,
dass ich hier die Möglichkeit hatte, den Arbeitskreis vorzustellen.
Da war natürlich für mich jetzt vieles noch sehr, sehr am Anfang.
Aber da sage ich mal einfach, wer sich da näher mit beschäftigen will und die
Sachen ein bisschen ausführlicher hören will, kann ja gerne zum Arbeitskreis dazustoßen,
und sich da einfach auch Fragen stellen oder vertiefte Versionen noch von dem
einen oder anderen hören.
Wo ich jetzt, was mir jetzt noch einfällt, gerade daran denke,
ne riesen Veranstaltung, die wir als Arbeitskreis jetzt planen,
wird der nächste Kirchentag in Nürnberg sein.
Da wollte ich dann auch ruhig schon mal zu einladen. Also wer das möchte,
kann uns dann gerne auch auf dem Kirchentag in Nürnberg besuchen.
Die genauen Daten sind auf jeden Fall dann auf unserer Homepage,
weil die Hallen, das wird höchstwahrscheinlich auf dem Messegelände die Halle
1 sein, aber wo unser Stand genau ist, steht noch gar nicht fest,
weil die Standpläne sozusagen da jetzt noch am Entstehen sind.
Und ja, der Kirchentag kostet auch Eintritt, aber ich glaube,
das ist ein so buntes Programm, dass sich das durchaus auch lohnt.
Also da kann man uns dann besuchen und auch kennenlernen und ansonsten eben
über die Homepage und dann einfach eine E-Mail schreiben oder so was kann man da Kontakt finden.
Sebastian
Ich werde alles entsprechend verlinken, also liebes Publikum schaut in den Shownotes,
da findet ihr alles. Okay, Stephan.
Wir haben es geschafft.
Stephan
Gut.
Sebastian
Ich wünsche dir eine super angenehme Heimreise. Es ist knackig kalt draußen
und komm sicher und gut an und wir hören voneinander. Tschüss.
Stephan
Tschüss. Danke. (Podcastintro)