BDSM - Alles Psycho oder was?!

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Sebastian Hallo und herzlich willkommen zur Kunst der Unvernunft, dem Podcast, in dem Menschen normalerweise über ihr persönliches BDSM-Erleben sprechen. Doch diese Folge ist ein klein wenig anders. Heute geht es um BDSM aus Sicht der Sexualmedizin und wir beantworten Fragen aus dem Publikum. Aber mal ganz von vorne. Ich bin nämlich nach Göttingen gefahren und habe dort Dr. Jörg Zignerski und Diplom-Psychotherapeutin Stefanie Verführt getroffen. In der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in der Universitätsmedizin der Georg-August-Universität haben die beiden dann ihre fachliche Sicht auf BDSM ausführlich und wie immer nicht abschließend erläutert. Ja, was waren das für Fragen aus dem Publikum? Es waren wirklich viele und wir konnten leider nur einige auswählen, aber hier ein paar Beispiele. Was lernen Mediziner über BDSM in der Ausbildung? Haben BDSMerInnen häufiger psychische Erkrankungen? Macht BDSM vielleicht süchtig? Und warum funktioniert BDSM überhaupt? Und natürlich noch viele weitere Fragen. Infos zu meinen Gästen findet ihr diesmal besonders ausführlich in den Shownotes. Dort gibt es auch ein Quellen- und Literaturverzeichnis und haufenweise Kapitelmarken, mit denen ihr direkt in die einzelnen Fragen und die passenden Antworten reinspringen könnt. Schaut ruhig rein, es lohnt sich diesmal ganz besonders. Auf kunstderunvernunft.de könnt ihr außerdem Kommentare zur Folge dalassen, die ich an meine Gäste weiterleite. Auf der Webseite findet ihr dann gleich auch noch alle anderen Folgen und könnt da weiterhören und natürlich könnt ihr dort auch gerne die Kunst der Unvernunft unterstützen oder einfach mal die Suchfunktion ausprobieren. Man findet da noch einige Schätze. Nun aber genug geredet. Irgendwas ist falsch. Nein, noch nicht genug geredet. Wir starten einfach. Los geht's mit Folge 76 mit Jörg und Steffi. Ich habe mich in den Zug gesetzt nach Göttingen, beinahe pünktlich, aber ich bin angekommen hier in einem Klinikum, ihr erfahrt gleich mehr dazu und ich begrüße Jörg und Steffi, hallo.
Jörg Signerski Hallo.
Sebastian So, das ist eine etwas andere Kunst der Unvernunft Folge. Normalerweise würde ich mit euch beiden jetzt über eure Erfahrungen über BDSM sprechen, was ihr so macht. Das machen wir heute alles nicht, denn ihr könnt aus dem beruflichen Kontext heute etwas beitragen. Mögt ihr euch vielleicht mal kurz auch vorstellen mit Titel, sage ich mal.
Stefanie Verfürth Ja, Ladies first. Ich fange mal an. Mein Name ist Stefanie Verführt. Ich bin psychologische Psychotherapeutin und arbeite in einer eigenen Praxis in Bocholt. Das ist in Münsterland in NRW, also auch weit weg von hier. Genau und ich habe da unter anderem einen sexualtherapeutischen Schwerpunkt und mache nebenbei auch mit dem Jörg noch als Dozentin Seminare für angehende psychologische Psychotherapeuten, vor allen Dingen zum Thema Sexualpsychotherapie.
Jörg Signerski Ja, Jörg Sikniewski, ich bin Sexualmediziner und Sexualpsychotherapeut und leite hier in Göttingen die Ambulanz für Sexualmedizin und Sexualpsychotherapie. Und das hier ist mein Büro, wo die Sexualpsychotherapie stattfindet. Vielleicht beschreibe ich das kurz, damit die HörerInnen das wissen. Wir haben ein kleines Tischchen hier, wir haben hier eine Couch, wir haben hier noch zu sich zwei Stühle. Relativ viele Pflanzen und Blumen, relativ viel Licht nach draußen, helles Büro und eigentlich, glaube ich, ganz gemütlich eingerichtet. Aber es kann, glaube ich, Sebastian besser entscheiden, ob das gemütlich ist oder nicht.
Sebastian Ja, also ganz ehrlich, ich habe einen schönen Sessel bekommen. Ich sitze hier gemütlich mit übereinander geschlagenen Beinen und hier ist ein Tisch mit allerlei Leckereien, die wir hier zwischendurch auch mal naschen können. Also ich fühle mich, na, wie zu Hause vielleicht nicht, aber ich fühle mich hier gerade wohl und die Couch ist auch, was ist das, so eine Art Minzgrün vielleicht, würde ich sagen. Das ist bestimmt kein Zufall. Das Einzige, was mich natürlich als Tonmenschen ein bisschen ärgert, ist der Hall, aber den kriegt man aus dem Raum hier, glaube ich, auch nicht raus.
Jörg Signerski Die Couch ist Zufall, habe ich geerbt. Die war ja schon drin, als die Mauer gezogen wurde und das Büro abgetrennt wurde, also sie ist nicht bewusst ausgesucht worden.
Stefanie Verfürth Wenn ich was dazu sagen darf, für ein Krankenhaus und Psychiatrie-Arztzimmer finde ich es hier ganz wohnlich und schick, aber wenn wir jetzt bei mir in der Praxis säßen, sähe es da tatsächlich nochmal wesentlich, finde ich vom Ambiente her jedenfalls angenehmer aus.
Jörg Signerski Oh ja, das stimmt, definitiv.
Sebastian Ich kann sagen, ich sehe den Kittel an der Wand hängen, es gibt ihn. Trägt man den hier?
Jörg Signerski Ich nicht. Im beruflichen Alltag trage ich den so gut wie nie, weil ich hauptsächlich psychotherapeutisch arbeite. Wenn ich mal akutpsychiatrisch arbeiten sollte, dann ja die Kollegen, die akutpsychiatrisch auf der Geschlossenen arbeiten, also die tragen Kittel.
Sebastian Heute eine, wir haben einen Wahnsinnsritt vor uns, weil ich habe über 120 Fragen aus dem Publikum für diese Folge bekommen. Ich habe die sortiert, habe Duplikate weggekürzt, die Sachen ein bisschen zusammengerafft. Wir werden es trotzdem nicht schaffen. Die Leute sind ja heiß drauf, ganz viele Dinge zu erfahren und einfach einfach mal Fragen stellen zu können. Ich werde auch in dieser Folge das ein bisschen anders strukturieren. Ich versuche selbst auch auf, ich sag mal BDSM-Fachbegriffe zu verzichten oder sie zumindest Zumindest bei der ersten Nennung ganz kurz zu erklären, damit auch Menschen, die jetzt zum Beispiel ganz neu dabei sind und diese Folge hier finden, sich irgendwie orientieren wollen, dass sie zumindest eine Chance haben, hier mitzukommen. Dann legen wir einfach mal los. Ich glaube jetzt erstmal noch so ein bisschen die Person interessant, weil ja, psychotherapeutische, psychiatrische, oh Gott, ich weiß nicht mal, wie die Ausbildung richtig heißt, die gibt es. Deshalb muss ich vielleicht erstmal so ein bisschen erden, was wisst ihr über BDSM?
Jörg Signerski Die Frage ist richtig gut. Fangen wir erstmal an. Was ist der Hauptschwerpunkt der Ambulanz für Sexualmedizin und Sexualpsychotherapie und wie viel haben wir hier mit BDSM zu tun? Hauptschwerpunkt mäßig sehen wir hier Personen mit einer Transidentität, also es sind Personen, die biologisch zum Beispiel männliches Geschlecht haben, sich aber weiblich empfinden oder umgekehrt oder non-binäre Personen, die sagen, in mir stecken möglicherweise beide Anteile. Wir sehen dann sexuelle Funktionsstörungen, also Erektionsstörungen mit psychischer Ursache, den Scheidenkampf, den Vaginismus, Schmerzen beim Sexualkontakt, frühzeitigen Samenerguss und BDSM spielt hier eine marginale Rolle, mit Sicherheit unter einem Prozent.
Sebastian Oh, so wenig? Ich weiß jetzt noch nicht, ob das für BDSM spricht oder einfach dafür, dass andere Probleme wichtiger sind oder mehr Priorität angenießen. Wir werden es rauskriegen.
Stefanie Verfürth Ich würde sagen, man kann es vielleicht so interpretieren, dass möglicherweise BDSMer eine so gesunde Sexualität haben, dass sie hier wenig unsere Hilfe in Anspruch nehmen müssen.
Sebastian Ah, sehr schön. Ich wollte es selber nicht sagen, weil das klingt dann komisch, wenn ich das dann sage. Stimmt das?
Jörg Signerski Ja, es gibt Studien dazu, die sagen, also wenn man sich anguckt, psychische Erkrankungen und BDSM, gibt es da einen Zusammenhang, muss man eindeutig sagen, nein. Es gibt in Randbereichen, findet man immer irgendetwas, aber es gibt keine Häufigkeit, wo man sagt, da haben wir irgendeine signifikante Schnittmenge. Wir haben natürlich Personen, die BDSM leben, die psychische Erkrankungen haben, aber wir haben genauso gut Menschen, die in einer ganz normalen heterosexuellen Sexualität leben, die haben auch psychische Erkrankungen.
Sebastian Ja, ich glaube, das kann einfach jeder haben. Aber ich bin gespannt. Ich überlege, wie ich das hier strukturiere. Das bleibt jetzt auch genauso in der Aufnahme drin, dieses leichte Chaos um meinen Kopf, weil ich will natürlich immer wieder viel zu viel. Ich möchte immer sofort anknüpfen. Vielleicht können wir mal so ein bisschen erst mal erklären, wie können wir denn heute kommunizieren? Weil jetzt so Patientenbeispiele zu nennen, wird ja ein bisschen kompliziert. Da habt ihr euch einen Modus überlegt.
Jörg Signerski Genau, es gibt das didaktische Methode, auch psychotherapeutisch kann man das nennen, tell a story, heißt wir erzählen. Wir erzählen Pseudo-PatientInnen-Beispiele, um es zu verdeutlichen, wenn wir das überhaupt machen. Aber wenn das passiert, dann sind das Beispiele, die so nicht stattgefunden haben, aber die es so ähnlich gegeben hat. Warum? Darum, wir sind natürlich an die Schweigepflicht gebunden und die müssen wir einhalten. Das heißt, was wir hier erzählen, da wird sich keiner wiederfinden, weil wir es so sehr verfremdet haben. Wir machen das zum Teil auch, wenigstens ich, ich weiß nicht, wie es mit dir ist, im psychotherapeutischen Kontext, um auch unseren PatientInnen-Situationen zu verdeutlichen. Ich weiß gar nicht, machst du das?
Stefanie Verfürth Ja, durchaus, ja. Ich meine, das ist ja auch praktisch, dass Patienten dann ja auch mal von anderen vielleicht was hören und das Gefühl haben, nicht so ganz die einzigen auf der Welt zu sein mit solchen Problemen.
Sebastian Jetzt ist erstmal so die Überlegung, ihr habt beide eine tiefengehende Ausbildung genossen, ihr seid, ich sag mal Psycho, Punkt, Punkt, Punkt, alles was man da machen kann, das ist ja gerade versammelt vor mir und dann interessiert mich doch einfach mal, was kriegt man in der Ausbildung zum Thema King, BDSM, Sexualität oder abweichende Sexualität, was bekommt man da mit?
Jörg Signerski Nichts.
Stefanie Verfürth Ja, bei mir auch so gut wie gar nichts. Also ich muss vielleicht auch zur Erklärung nochmal dazu sagen, du sagst ja, wir haben hier eine große Bandbreite sitzen, das ist tatsächlich so. Der Jörg ist von Haus aus Mediziner, also hat Medizin studiert, ist Arzt, Psychiater und Psychotherapeut. Ich habe Diplom Psychologie studiert und dann eine Psychotherapieausbildung gemacht und das Mindeste oder Höchste, was man da erwarten kann, ist tatsächlich, dass wir ein Seminar haben zum Thema sexuelle Funktionsstörungen und deren Behandlung, wo ganz kurz ein Abriss erfolgt darüber, was es an sexuellen Funktionsstörungen gibt. Damit ist aber der Bereich Kink, BDSM, was auch immer... Überhaupt nicht abgedeckt. Auch der Bereich Transidentität, was Jörg eben gesagt hat, was ja hier in der Ambulanz häufig auftritt, wird da einfach gar nicht erfasst. Es ist auch ein so breites Spektrum, dass man das auch im Rahmen der Ausbildung irgendwie kaum unterkriegt. Also wir sind einfach, nachdem wir unsere psychotherapeutische Ausbildung abgeschlossen haben, aus lauter Interesse einfach durch Zusatzausbildung dazugekommen, uns darüber zu informieren und interessieren und weiterzubilden.
Sebastian Die Zusatzausbildung, die muss man machen wollen oder sind die Pflicht, dass man pro Jahr drei, vier Zusatzqualifikationen erwirbt oder ist das dann persönliches Engagement?
Stefanie Verfürth Also grundsätzlich sind wir alle hier im medizinischen Bereich, sowohl psychologische Psychotherapeuten als auch Ärzte und da auch alle Ärzte und Fachärzte angehalten uns fortzubilden. Wir haben eine Regelung mit so Fortbildungspunkten, die wir im Jahr sammeln müssen oder in einem bestimmten Fünfjahreszeitraum müssen so und so viele Fortbildungspunkte gesammelt werden. Ansonsten gibt es da gewisse Repressalien, die bis zu einem Berufsverbot dann auch hingehen könnten. Was man da aber an Fortbildung macht, da ist jeder eben persönlich frei, je nachdem, wo man auch dann arbeiten möchte, was einen interessiert und wie gesagt, wir haben uns eben entschieden, auch in dem Bereich uns fortzubilden, aber wie gesagt, machen auch nicht nur ausschließlich das. Wir dürfen auch andere Fortbildungen besuchen.
Jörg Signerski Wir haben hier an der Uni, machen wir auch Lehrforschung, in der ich beteiligt bin und wir haben uns angeguckt, was wissen denn Medizinstudierende über Sexualität? Relativ wenig. Wir haben uns angeguckt, was wird im Staatsexamen denn gefragt über Sexualität, weil man ja als Studentin nur das lernt, was dann wirklich prüfungsrelevant ist. Es wird fast nur gefragt über sexual übertragbare Erkrankungen. Trans, keine Fragen, also Transidentität, keine Fragen zu. Auch sexueller Missbrauch waren in den vier Jahren, die wir uns angeschaut haben, keine Fragen zu. Das gleiche findet man im psychotherapeutischen Bereich auch. Und man muss wirklich auch sagen, in der psychotherapeutischen Weiterbildung zur Sexualpsychotherapeutin, auch wenn das 140 Stunden Theorie sind und 60 Stunden Fallsupervision, spielt in meinem Bereich das BDSM-Thema keine Rolle. Es gibt jetzt seit ungefähr zwei Jahren die Zusatzbezeichnung Sexualmedizin für die MedizinerInnen. Da bin ich als Dozent mit drin und da machen wir eine halbe Stunde etwas zu BDSM und eine halbe Stunde kann man nur ganz oberflächlich bleiben.
Sebastian Ich hätte jetzt gedacht, wir haben ja eine Änderung im ICD-11, ist glaube ich jetzt aktuell. Und seit Jahren geistert das, also ganz umgangssprachlich. BDSM ist krank, aber dank ICD-11 ist das nicht mehr so. Das heißt, es wird also irgendwo schon einkategorisiert und diagnostiziert. Und wenn ich es diagnostizieren kann, dann muss ich das auch mal gelernt haben. Also bin ich natürlich jetzt fest davon ausgegangen, dass das muss ja ein Lerninhalt sein, sonst kann ich es ja nicht diagnostizieren.
Jörg Signerski Ja, das könnte man so denken. Aber gucken wir uns auch mal aktuell die Diagnose-Klassifikationen an. Das ICD-11 ist wohl seit Januar gültig, aber im Moment diagnostifizieren wir alle noch nach ICD-10 und nicht nach ICD-11. Das wird noch fünf Jahre wahrscheinlich brauchen, nobody knows, bis wir überhaupt nach ICD-11 verschlüsselt werden. Das heißt, die Kollegen draußen denken immer noch, das ist eine Erkrankung, die meisten.
Stefanie Verfürth Ja, ich wollte noch was ergänzen. Du hast recht, es ist ein totales Paradox, dass es auf der einen Seite als Diagnose zu verschlüsseln ist noch im ICD-10, auf der anderen Seite aber in der Ausbildung gar nicht aufgegriffen wird. Das ist aber auch dadurch zu erklären, dass es ja im Endeffekt auch keine Therapieform für gibt. Und es ist ja in der Regel etwas, was Menschen freiwillig wählen. Wenn ich mich für BDSM interessiere und das eben meine Vorliebe und mein Kink ist, dann ist das ja was, was ich freiwillig praktiziere und wo ich meistens keinen Leidensdruck mit habe, sondern sehr viel Lust empfinde. Und Störungen aus unserer Sicht, die wir therapeutisch behandeln, implizieren in der Regel immer die Voraussetzung, dass es einen gewissen Leidensdruck damit gibt, den man auch behandeln kann. Und deswegen ist es im Endeffekt für uns so gesehen keine Erkrankung, die behandlungsbedürftig ist.
Sebastian Ja, es gibt ja den Begriff, wenn es pathologisch ist, dann sollte man was tun. Vielleicht mag ich einfach mal diesen Begriff, wann ist denn etwas pathologisch? Kann man das erklären?
Stefanie Verfürth Na ja, das ist eben eine schöne Frage und das betrifft eben genau diesen Bereich. Im Endeffekt gibt es ja eine große Bandbreite, was ist normal, was ist nicht normal und wann wird etwas pathologisch und wir sagen im Endeffekt, pathologisch wird etwas dann, wie gesagt, wenn es einen Leidensdruck erzeugt, wenn etwas so negative Konsequenzen hat, dass es möglicherweise mir schadet, dass es mein Leben beeinträchtigt, dass ich nicht mehr in der Lage bin. Meinen Beruf auszuüben, eine Beziehung aufrecht zu erhalten, soziale Kontakte zu machen und dergleichen. Und das ist im Endeffekt auch die Voraussetzung dafür, dass beispielsweise auch therapeutische Maßnahmen bezahlt werden. Auch das muss man noch mal dazu sagen. Zum Thema Psychotherapie oder Sexualpsychotherapie. Selbst wenn wir sexualpsychotherapeutisch ausgebildet sind und Patienten mit sexuellen Funktionsstörungen behandeln können und wollen, ist es so, dass die Krankenkassen das gar nicht übernehmen. Das heißt Depressionen, Angststörungen, Schizophrenien, solche Erkrankungen werden zweifelsfrei auch von den Krankenkassen bezahlt. Aber wenn es um eine sexuelle Funktionsstörung geht oder Probleme in dem Bereich, ist das sagen wir mal vielleicht eher ein Luxusproblem und eine Beeinträchtigung in der Lebensqualität. Aber führt scheinbar nicht zu solchen weitreichenden Problematiken, dass das Gesundheitssystem motiviert genug wäre, dafür Therapien zu bezahlen.
Sebastian Ja, aber da sehe ich jetzt gerade diesen Riesenwiderspruch und da kommen wir jetzt quasi schon weiter. Oh Gott, ich muss das wirklich anders strukturieren. Aber ich sehe es natürlich so, das Menschsein, da ist natürlich Sexualität einfach ein nicht zu unterschätzender Teil.
Stefanie Verfürth Richtig.
Sebastian Und ich meine, auch dieser Staat wünscht ja, dass wir hier Nachkommen produzieren und das wird ohne Sex nicht gehen. Und wenn ich da eine Funktionsstörung habe, dann habe ich eine, ich sage mal, eine Störung in der Volksgesundheit, sage ich. Also ich würde das viel dramatischer sehen als Staat, wenn meine Bürger da nicht in Anführungszeichen funktionieren. Also deshalb bewerte ich es vielleicht dramatisch höher, als das ihr in der Bürokratie tatsächlich erlebt. Als Luxusproblem dann tatsächlich.
Stefanie Verfürth Das ist ja nicht jetzt meine persönliche Meinung, sondern ich erlebe das ja so wie du, dass ich da auch sage, das kann ja eigentlich gar nicht sein und das ist auch was, was ich anprangere am Gesundheitssystem. Also ich würde mir auf jeden Fall wünschen, dass die Sexualität so einen wichtigen Stellenwert hat, auch in der Sicht der Politiker, dass sie auch bereit wären dafür sich einzusetzen, dass auch solche Behandlungen bezahlt werden. Ich finde das absolut.
Jörg Signerski Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen, wir sprechen hier um die sexuellen Funktionsstörungen. Bei Transidentität sieht es anders aus, das ist eine Kassenleistung. Bei einigen schweren sexuellen Identitätsstörungen, Paraphilie etc. Ist es auch eine Krankenkassenleistung. Da haben wir ja das Problem, dass es kaum TherapeutInnen gibt, die sich damit auskennen. So sozusagen die Lage aktuell. Aktuell.
Sebastian BDSM, gibt es eine Zahl, wie viele wir denn sind? 5%, 10%, 15%, 20%, wie viele machen es und wie viele haben Gedanken in die Richtung?
Jörg Signerski Sebastian, eine Gegenfrage, was ist denn BDSM?
Sebastian Ja, ich bezeichne BDSM als all das, was über das hinausgeht, was ich von der Kirche zugestanden bekommen würde.
Jörg Signerski Was stoppt dann, wäre Selbstbefriedigung BDSM?
Sebastian Würde in die Gedanken passen? Also ich sage es ganz ehrlich, ich definiere das sehr, sehr, sehr weit. Also ich kann da Fetische mit reinordnen, ich kann die rollenbasierte oder regelbasierte, das Zusammenspiel zwischen Menschen in der Sexualität kann ich damit zuordnen. Also jedes Rollenspiel, ich nehme jetzt mal hier schön Oberarzt und Krankenschwester mal als blödes Beispiel, das kann ich in diesen Kontext reinsortieren. Klassisch ist BDSM natürlich eher Sadismus, Masochismus und dann geht es dabei Schmerzen zuzufügen oder eben auch zu empfangen oder sogar Lust dabei zu empfinden. Okay, aber so eng kann und mag ich das inzwischen nicht mehr eingrenzen. Es funktioniert überhaupt nicht. Und ich würde auch Menschen, die zum Beispiel in ihrer Freizeit als Pony rumlaufen und durch die Fußgängerzone und da viel Zeit und Energie reinstecken, auch das würde ich schon in den BDSM-Kontext reinsetzen, in dem Moment, wo es eine zweite Person gibt, die Anweisungen gibt. Macht und Ohnmacht, Schmerz und auch die Lust daran. Vielleicht kann ich das so mal ganz grob umreißen.
Jörg Signerski Weißt du, was mir als Begriff gefällt, ist von Vanilla und Not-Vanilla zu sprechen. Weil ich finde die Vielfalt von Eissorten sehr schön. Und wenn wir uns angucken, wie viel Not-Vanilla-Fantasien denn in der Allgemeinbevölkerung da sind, Und finden wir, dass zwischen 40 und 75 Prozent der Bevölkerung haben auf der Fantasieebene diesbezügliche Fantasien. Das heißt gar nicht wenig.
Sebastian Das sind eigentlich, wenn ich überlege, alle Menschen, die sexuell aktiv sind.
Jörg Signerski Es sind wenigstens viele. Die Frage ist, das weiß ich gerade nicht, was die 100 Prozent dieser Studie waren, aber ich gehe davon aus, dass das 100 Prozent aller sexuell Aktiven waren.
Sebastian Okay, schade, ich war zu optimistisch. Wie viele machen dann auch was?
Jörg Signerski Da wird es dann interessant, sich die Zahlen anzugucken, je nachdem was gemacht wird zwischen 2 und 15 Prozent und je nachdem wie eng das setzt. Also sagst du, das Fesseln am Bett, was man ab und zu macht, gehört schon dazu oder nicht. Je nachdem wie ich die Grenze setze, komme ich zu anderen Zahlen, aber ungefähr da bewegen wir uns. Und ich finde das gar nicht wenig. Es gibt sogar Studien, die sagen, die geben höhere Zahlen an, wenn ich an die Berliner Männerstudie denke.
Sebastian Okay, das ist glaube ich das Studiendesign das Problem. Die müssen BDSM definieren, damit sie danach fragen können. Und gibt es da einen Überblick, wie die das definiert haben? Weil ich habe ja gerade sehr laissez-faire gerade einfach alles inkludiert.
Jörg Signerski Also ich kenne keinen Überblick. Das hängt von Studie zu Studie ab. Und es gibt noch ein anderes Problem. Wer ist denn die Gruppe, die ich befrage? Und wie komme ich an die Ergebnisse? Stell dir vor, ich gehe in die Innenstadt und spreche alle Menschen an, die ich gerade treffe. Leben sie BDSM aus? Dann werden die denken, Schitte, ich bin in der Innenstadt. Das sage ich mal nicht, was ich da so tue. Wenn ich dann eine anonyme Befragung mache, also Links verschicke, weiß ich ja gar nicht, wer antwortet mir. Das heißt, alle Daten, die ich in diesem Bereich habe, sind Näherungsdaten, die irgendetwas abbilden, was wahrscheinlich in irgendeiner Richtung so ist, aber bitte nie als in Stein gemeißelt verstehen. stehen. Und was spannend ist bei Sexualstudien, es hängt auch noch von der Gegend ab, wo ich frage. Frage ich in einer liberalen Großstadt oder frage ich irgendwo im mittleren Westen in der USA eine sehr konservative, evangelikale Gemeinde, dann kriege ich ganz andere Studienergebnisse aus.
Sebastian Okay, also es ist nicht rauszufinden, ehrlich gesagt. Das heißt, ich kann eigentlich nur von von den Menschen ausgehen, die sich offen bekennen. Und die kann ich schon mal als gesetzt sehen. Und dann kann ich vielleicht noch hochrechnen, wie viel es da noch geben könnte.
Jörg Signerski Naja, sagen wir mal, wir haben Nährungswerte. Und wir wissen, Not Vanilla ist häufig, wenn nicht gar die Regel. Auf der Fantasieebene, auf der Spielebene. Vielleicht auch, vielleicht auch nicht. Wenigstens selten ist es nicht.
Sebastian Ich merke, das ist etwas, das wird noch über die nächsten 100 Jahre zu beantworten sein, es sei denn, wir landen irgendwann bei einer 100%-Quote, wenn die Gesellschaft so offen ist, dass sie sich erlaubt zu machen, was den Menschen Spaß macht. Wie entstehen Kings oder die Neigung zu BDSM? Wo kommt es her? Weil das haben mich mit Abstand die meisten Menschen gefragt. Kommt das aus der Kindheit? Ist das angeboren? Liegt das an einem traumatischen Erlebnis? Das scheint den Menschen wichtig zu sein. Wo kommt es her?
Jörg Signerski Eine wundervolle Frage und wir beide werden wahrscheinlich die ZuhörerInnen genauso enttäuscht zurücklassen, wie sie jetzt schon sind. Wir wissen, dass die sexuelle Identität relativ früh angelegt wird. Streitpunkte gibt es jetzt schon wissenschaftlich. Ist sie veränderbar oder ist sie im weiteren Lebenskontext modulierbar? Wir beide gehen vom was Modulierbarem aus, aber es gibt durchaus Kollegen, die sagen, das Modulierbare ist deutlich eingeschränkter.
Sebastian Was bedeutet modulierbar an der Stelle?
Jörg Signerski Veränderbar in einem gewissen Kontext. Das macht, wenn wir uns um krankhafte sexuelle Identitäten unterhalten, bei der Pädophilie zum Beispiel, Achtung bitte das nicht im Zusammenhang mit BDSM sehen. Das ist uns ganz, ganz wichtig. Aber jetzt hier ein Beispiel, ein Extrembeispiel. Das ist die Frage, wenn es modulierbar ist, dann kann ich daran arbeiten, dass ich gesunde Teile der Sexualität herausarbeite. Ist es nicht modulierbar, würde ich daran arbeiten, dass diese Person Risikosituationen meidet. Das ist jetzt relativ holzschnittartig grob dargestellt. Das ist im psychotherapeutischen Alltag viel komplexer, aber so mal als holzschnittartiges darstellen.
Sebastian Also ich kann etwas an der Priorität in meinem Kopf, daran kann ich etwas machen.
Jörg Signerski Modulierbar ist, wenn man davon ausgeht, dass du merkst, wir reden gerade in einem Konjunktiv. Das heißt, das ist eine hypothetische Annahme. So, dann, du hast ja gefragt, woher kommt das? Es gibt Biosoziale oder Psychobiosoziale Prägungen in der Kindheit, die mit Sicherheit eine Rolle spielen. Das heißt, bei einigen unserer PatientInnen gibt es dann Geschichten wie, wow, ich habe irgendwann mal einen tollen, roten Schuh gesehen, da war ich vier unterm Tisch bei meiner Tante, da ist mir erst mal aufgefallen, ich stehe auf rote Schuhe. So welche Geschichten haben wir, aber das sind nur einzelne Storys. Wir wissen gar nicht, wo fängt die Prägung an und was wird geprägt. Manchmal finden wir dafür Hinweise, das heißt aber definitiv nicht, dass das bei allen Personen so ist und woher das kommt. Wir wissen auch, Traumatisierungen spielen eine Rolle bei der Prägung, oder können eine Rolle spielen bei der späteren sexuellen Identität, die sich entwickelt. Bei einigen ja, bei anderen nicht. Sodass man sagen muss, so ganz verstehen wir nicht, wie die sexuelle Identität schlussendlich entsteht.
Sebastian Also das ist dann eher ein, ich suche das Muster, weil ich mich mit mir beschäftige und dann werde ich in der Vergangenheit schon etwas finden, was da passt. So ein kleiner Sebastian fand auch mit sieben jeden Folterkeller in der Burg toll, weil das war das Highlight. War das schon eine Prägung oder nicht, man weiß es nicht. Kann auch einfach sein, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun hat oder es hat zumindest den Kopf geöffnet, um weiter darüber nachzudenken, dass man darauf kommen kann. Aber ist das die Ursache? Keine Ahnung. Die Frage ist, ob das wichtig ist. Es ist den Menschen offenbar wichtig. Und damit muss man ja irgendwie umgehen. Wenn jemand sagt, wo kommt das her, wo kommt das her, wo kommt das her. Das ist ja wirklich, was kann man den Menschen dann auch sagen in einem Gespräch.
Stefanie Verfürth Also es ist ja so ein bisschen auch die Frage, was war zuerst da, das Ei oder das Huhn? Das, was du gerade so schön gesagt hast mit dem Folterkeller. Es ist ja die Frage, hast du angeboren sozusagen ein gewisses Faible und deswegen schon früh das Interesse für solche Folterkeller gehabt? Oder hast du vielleicht besonders gute Erfahrungen gemacht oder dich besonders wohl gefühlt da und das spannend gefunden in dem Folterkeller und deswegen später eine Neigung zu BDSM entwickelt? Das ist was, was man einfach nie schlussendlich klären kann, aber was man im Endeffekt immer sagen kann ist, die Psyche ist ja sehr komplex und es ist in der Regel nie ein Zusammenhang, das ist passiert und deswegen ist das jetzt so. Sondern es ist immer ein Zusammenspiel aus vielen verschiedenen Faktoren. Was in der Regel eine Rolle spielt, ist sicherlich auch die Persönlichkeitsstruktur der Person. Ist jemand von sich aus angeborenermaßen eher schon ein zurückhaltender Typ, der sich gerne führen lässt, der sich gerne leiten lässt oder ist jemand schon eher derjenige, der auch die Kontrolle gerne übernimmt und Verantwortung übernimmt und so weiter. Das sind Dinge, die sind in unserer Persönlichkeit verhaftet und das ist vor allen Dingen angeboren, zunächst die Tendenz, entwickelt sich aber dann auch wieder im Zusammenspiel mit Erlebnissen im Laufe des Lebens weiter in bestimmte Richtungen. Ja, sodass im Endeffekt ja auch die Sexualität etwas ist, was immer ein Zusammenspiel ist aus genetisch bedingten Veranlagungen, aus Persönlichkeitsaspekten in Zusammenspiel und Interaktion mit Erfahrungen, die ich im Laufe meines Lebens mache. Also deswegen insofern ist es schwer jetzt zu sagen, es liegt immer nur daran, also auch unsere Patienten, die jetzt nicht mit sexuellen Themen kommen, sondern mit in Anführungsstrichen normalen psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angsterkrankungen und so weiter, fragen uns ja häufig, wie bin ich da hingeraten, warum habe ich das und das ist auch einer der wichtigsten Punkte in einer Psychotherapie mit dem Patienten zu erarbeiten. Wie ist eine Erkrankung entstanden? Oder auch ungünstige Verhaltensweisen, die eine Erkrankung herbeiführen und aufrechterhalten. Wie ist es dazu gekommen? Auch da haben wir immer ein multifaktorielles Modell. Viele verschiedene Faktoren, die zusammenkommen, um das auszulösen. Da gehören langfristige Ursachen zu, aber auch akute Auslöser. Im Endeffekt ist immer die Frage, wie man das auslösen kann. Erfüllt zum Beispiel auch diese sexuelle Neigung eine gewisse Funktion in meinem Leben? Ja, was habe ich davon? Ja, ich bin Verhaltenstherapeutin und Verhaltenstherapeutin gucken sich immer gerne an, was ist die Funktionalität oder was ist der Lernmechanismus des Körpers? Ein grundlegender lerntheoretischer Erklärungsmechanismus für Verhaltensweisen in der Psyche des Menschen ist die operante Konditionierung. Das heißt, wenn ich einen positiven Effekt habe auf eine bestimmte Verhaltensweise hin, dann mache ich das wieder. Das heißt, wenn der Hund ein Leckerchen bekommt, dafür, dass er Sitz gemacht hat, wird er wieder Sitz machen. Und so funktionieren nicht nur die Hunde, sondern auch die Menschen ganz schlichtweg. Und das heißt, wenn ich irgendwie eine besondere Erregung immer wieder mit einem bestimmten Reiz verbinde, dann kann das eben eine Assoziation in meinem Gehirn herstellen und verknüpfen, weswegen ich dann möglicherweise ein Fable habe für bestimmte Vorlieben.
Sebastian Das ist ja dann, als ob man die Schuldfrage klären würde. Also würde das den Menschen überhaupt irgendwas bringen, diese Antwort zu haben?
Jörg Signerski Ich glaube nicht. Ich glaube, es interessiert jeden, woher das kommt. Aber ich finde, das schickt auch keine Schuld hinter. Also man sucht gerne nach Ursachen, weshalb man so ist. Aber häufig, genauso wie Steffi sagt, ist es so komplex, dass wir das nicht rauskriegen.
Sebastian Okay, aber offenbar gibt es auch gar keine Notwendigkeit, wenn es für mich kein Problem darstellt und ich dann mit mir im Reinen bin. Warum soll ich dann suchen?
Stefanie Verfürth Ja, also ich würde auch sagen, wie gesagt, solange man Spaß daran hat und auch Menschen findet, die das mit einem ausleben, ist es doch schön. Und es ist doch schön, dass wir so vielfältig sind und uns da ja auch sicherlich entwickeln.
Sebastian Vielleicht kann ich nochmal ein bisschen auf diese Entwicklung eingehen, denn ich versuche jetzt mal ganz grob, also liebes Publikum oder dieses Stammpublikum, ich weiß, das deckt jetzt nicht alles ab und alle Facetten, aber ich sortiere einfach mal die BDSM-igen Menschen ein in vier Gruppen. Mensch mit einem Fetisch, also ein Ding, ein Objekt ist das Objekt der Begierde, dann habe ich die Menschen, die... Also dominant sadistisch, ich würfel das jetzt auch extra zusammen, sich orientieren oder eben masochistisch devot und dann eben noch die Menschen, die switched sind, die sich überall zu Hause fühlen. Es gibt jetzt natürlich tausend Abstufungen, aber da gibt es so dieses schöne Beispiel, ja junge Mädels, die sind natürlich erstmal devot, weil da fühlen sie sich wohl. Und die Jungs, die Männer sind natürlich eher dominant und überhaupt diese ganzen Stereotype zusammen mit Geschlechterstereotypen, das macht mich immer wahnsinnig. Aber gibt es da Tendenzen, gibt es da Beobachtungen, dass Menschen da erstmal in so ein Grundmuster reinfallen und dann erstmal sich da rausentwickeln müssen? Also bei Frauen, Entschuldigung noch ein Satz, bei Frauen sagt man so ab 30, habe ich schon ganz oft gehört, jetzt musst du aber langsam mal dominant sein und so dominer werden. Also das scheint so eine gesellschaftliche Erwartung zu sein, das ist ganz fürchterlich und jetzt liebes Publikum mich bitte nicht schlagen und jetzt höre ich einfach mal brav zu.
Jörg Signerski Die Frage hat ein paar Fallen.
Sebastian Bestimmt.
Jörg Signerski Fangen wir so an. Statistisch gesehen können wir Unterschiede feststellen. Die Statistik sagt aber nicht aus, woher die Unterschiede kommen, ob sie angeboren sind, anerzogen oder ich weiß nicht was. Wir wissen, dass Männer mehr zu Fetischen neigen als Frauen, bedeutend mehr. Wenn man jetzt analytische Theorien anschaut, sagen die, der Fetisch der Frauen liegt irgendwo anders. Frage, ist das so? Also wir wissen, dass Männer mehr dominant sind als Frauen und wir mehr submissive Frauen finden als dominante Frauen. Also die Klischees bestätigen sich, aber was haben wir von der Bestätigung des Klischees? Wir haben ein Individuum vor uns sitzen und da kann alles ganz anders sein.
Sebastian Ja, ich denke jetzt natürlich an den Manager, der dann doch zur Domina geht. Da ist die Frage, ist denn diese Person jetzt dominant oder devot? Also kann ich überhaupt eine Person in so eine Position, in eine Rolle einsortieren? Geht das überhaupt?
Jörg Signerski Da müssen wir ja definieren. Du musst mich unterbrechen, Steffi, wenn ich da auf dem Holzweg bin. Wir müssen definieren, was ist denn überhaupt dominant? Ich mag eine Definition ganz gern, Aber vielleicht habt ihr beide eine andere Meinung. Ich finde, die Dominanz ist eine soziale Position, die man innehat. Also sozial im Sinne von auf der Arbeit habe ich die soziale Position des Chefs, des Managers. Da bin ich dominant da, wenn ich von den anderen auch als dominant anerkannt werde. Auch wenn ich eine soziale Position habe, muss ich auch Leute haben, die das anerkennen. Wenn nicht, bin ich nicht dominant. Ich kann im Sexuellen dann devot sein. Das heißt, das passt zusammen.
Sebastian Okay, also ich habe jetzt einfach dieses Bild, dass ich breche aus meiner Alltagsrolle aus und bin dann im sexuellen Kontext oder im BDSM-Kontext dann eben genau das Gegenteil dessen, was ich in meinem Alltag darstelle oder was ich bin. Und diese Flexibilität beißt sich halt mit meinem Gefühl von jemand ist devot oder ist dominant, weil offenbar ist das der Situation oder dem aktuellen Umfeld geschuldet.
Stefanie Verfürth Ja, also ich würde auch, glaube ich, gar nicht so immer in diesen Kategorien denken wollen, weil ich auch glaube, dass vieles ja erstmal auch ein Kontinuum ist und man nicht vielleicht immer einen in die Schublade so stecken kann. Und selbst wenn wir das jetzt so schubladenmäßig machen, wie du das gerade sagst, glaube ich trotzdem, auch da darf es ja von allem etwas geben. Also ich glaube, es gibt durchaus Leute, die grundsätzlich dann eher so eine dominante Rolle vielleicht in ihrem Alltag spielen und aber dann sozusagen zum Ausgleich vielleicht auch brauchen und das mögen, sich dann im sexuellen Kontext auch mal submissiv zu geben. Umgekehrt wird es aber genauso auch Menschen geben, die sowohl im beruflichen und Alltagskontext dominant sind, als auch im sexuellen dann diese Rolle spielen möchten. Und vielleicht auch gar nicht aufgeben können. Auch da, finde ich, ist es individuell sehr unterschiedlich. Und von daher, ich glaube, es ist einfach alles möglich. Und man kann an der Stelle vielleicht eher gucken, was ist die Funktion dahinter oder was ist sozusagen die Dynamik dahinter, weswegen jemand das macht.
Jörg Signerski Und der Manager, das ist ein Klischee, was du da nennst. Also das ist jetzt, es widerstreut sich mir, dieses Klischee zu benutzen. Also natürlich gibt es diesen Manager, aber man findet auch genau das Gegenteil von dem, was du gerade schilderst.
Sebastian Okay, also ich kann zusammenfassen, das ist im Grunde von Person zu Person unterschiedlich. Ende.
Jörg Signerski Alles darf, nichts muss.
Sebastian Ich habe relativ viele Anfragen zu bekommen zum Thema Stabilität, mentale Stabilität. Jörg, du hattest das am Anfang schon gesagt, dass BDSMer möglicherweise ein bisschen, oder ihr beide habt das gesagt, ein bisschen mental stabiler sind. Die Frage ist so ein bisschen, wie kann das sein? Ist BDSM vielleicht ein Heilmittel für Stress und Alltag und Leben? Oder, also was spielt da zusammen, was ist da auch wieder Ursache und Wirkung und weil BDSMerschein, das sehe ich auf meiner Liste hier, scheint ganz viel Angst vor toxischem BDSM zu haben und, Ich finde in diesen beiden Fragenkategorien, die ich hier liegen habe, da beißt sich das total. Wenn ich zu viel mache, mache ich einen psychischen Schaden. Und auf der anderen Seite, ich mache BDSM, deshalb geht es mir psychisch besser. Und wie spielt das zusammen?
Jörg Signerski Also Sexualität kann ein Skill sein, damit es einem besser geht. Jegliche Form von Sexualität im gesunden Maß. Wenn wir hier drüber sprechen, sprechen wir nicht über das Pathologische. So, das heißt auch BDSM spielen kann ein positiver Skill sein, kann einen entspannen, kann für Ablenkung sorgen. Wir wissen, das habe ich gerade schon gesagt, dass wir keine Häufigkeit von psychischen Erkrankungen haben bei BDSMler. Natürlich, habe ich eben auch schon gesagt, gibt es BDSMler, die psychisch erkrankt sind. Und es gibt auch mit Sicherheit BDSMler, die das Spiel des BDSM nutzen, um sich mit ihrer psychischen Erkrankung auseinanderzusetzen, im Positiven, aber die es auch teilweise machen und sich psychisch schädigen und diese psychische Störung unterstützen. Das sind aber auch wieder Randgruppen. Wir wissen, dass BDSMler, da gibt es eine einzige Studie zu, die sagt, BDSMler sind stabiler. Die hat sich dann Sexualität angeguckt und die haben gesagt, meine Güte, die sind offener bezüglich Sexualität, können darüber besser reden, sind toleranter, was ja auch passt. Das wissen die Zuhörerinnen ja alle ganz gut. Was machen BDSMler? Die tauschen sich viel aus, unterhalten sich viel über Grenzen, über Codewort, über Wünsche. Und das macht natürlich etwas mit der Sichtweise auf Sexualität. Das macht das Standard-Vanilla-Paar mit Sicherheit nicht so intensiv.
Sebastian Ja, das ist natürlich an der Stelle auch ein Ding der Notwendigkeit. Also wenn ich Dinge mache, die über gewisse Wohlfühlgrenzen hinausgehen können, dann muss ich natürlich diese Fähigkeit haben, darüber zu kommunizieren, zu reflektieren. Ich glaube, das betrifft auch beide Seiten. Also sowohl die unten spielende Person muss ein Codewort haben oder es hilft, eins zu haben, um sich sicher zu fühlen, zu sagen, ich kann hier jederzeit aus der Situation raus. Auf der anderen Seite muss aber auch die oben spielende Person sich darauf verlassen können, dass das dann auch kommt. Also es fordert von beiden viel Kraft und Kommunikation scheint einfach wirklich notwendig zu sein. Das scheint ein Skill zu sein, ohne den geht es wirklich nicht. Wenn wir vielleicht so ein bisschen im Bereich Gesundheit erstmal bleiben, dann kann ich ja vielleicht mal so einen Block heute mal durchstreichen. Weil das sind die Sachen, die die Menschen am eindringlichsten interessieren. Es geht um Subspace, also der Zustand während und nach einer Session, zwischen, wo man einfach ein bisschen wie auf Wolke sieben schwebt und den Subdrop, also den Absturz, wenn einem plötzlich, wenn alles nur noch fürchterlich ist und man gar nicht mal genau sagen, warum. Ja, was passiert dabei aus psychologischer Sicht? Und ja, wie kann man auch vielleicht, wenn es dann passiert, den Subdrop an der Stelle, wie kann man das abmildern? Und von mir noch die Ergänzung, das gilt natürlich auch immer alles für top, dem kann es auch mal schlecht gehen oder ihr kann es auch mal schlecht gehen. Wie können Menschen sich gegenseitig unterstützen, dass ihnen nichts Schlechtes widerfährt?
Jörg Signerski Gucken wir uns die Hypothesen dazu an. Woran liegt das? Subspace, wir haben während des Sexualkontaktes, oder auch während des Spielens, denk an Schlagen etc., einen absoluten Ausstoß von Endorphinen, von Oxytocin, also verschiedenen Hormone, die ausgestoßen werden, die uns diesen Rauschzustand dann, uns in diesen Rauschzustand versetzen. Das Gegenteil davon ist der Hormonentzug. Wir sind vorher gut drauf und die Hormone sinken. Und dann geraten wir in diese Dysphorie, in diese schlechte Stimmung. Das kann sogar noch teilweise 17 Stunden später, also Stunden später noch passieren. Das muss nicht direkt nach der Session passieren. Das kann auch passieren, wenn man dann auf einmal, man hat abends gespielt und morgens ist man auf der Arbeit und denkt, irgendwie ist was mit mir nicht richtig. Das kann dann auch nicht nur etwas mit den Hormonen zu tun haben, sondern auch mit Scham, mit Realisierung. Passt das überhaupt zu meinem Vorstellung von Sexualität? Passt das zu meiner Moral? Sowas kann da eine Rolle spielen. Also Scham kann unter anderem eine Rolle spielen. Was kann man dagegen tun, gegen dieses Runterfallen? Aftercare ist eine Möglichkeit und ich glaube, das können BDSM da ganz gut, wenigstens hoffe. Hoffe, es ist eine Möglichkeit und darüber sprechen und Aftercare muss dann nicht nur heißen direkt danach, sondern kann es auch sein, dass man sich die Nähe holt, die man vielleicht dann braucht, um, ein paar Stunden später oder sich darüber austauschen und sagen, meine Güte, mir geht es schlecht, lass uns mal darüber unterhalten.
Sebastian Kann ich dann, wenn ich jetzt beim Spielen bin, da schon etwas aktiv tun? Also vielleicht kann ich ja den Hormonpegel nicht so hochschießen lassen wie so ein Zuckerschock, damit er auch gar nicht so absinken kann. Also kann ich nicht einfach ein bisschen sanfter sein und dann kann auch nichts passieren? Liegt es da dran, an der Intensität? Oder ist es beeinflussbar überhaupt?
Jörg Signerski Also wenn du in der Normvariante bist, nein, dann ist es halt so, wie es ist. Es gibt natürlich eine Ausnahme, die muss man hier benennen, sind PatientInnen mit einer Traumatisierung als Vorgeschichte, Achtung, auch wieder Randgruppe, die dann eine sozusagen Retraumatisierung haben aufgrund des Spiels.
Sebastian Man würde jetzt Trigger sagen.
Jörg Signerski Genau. Und da muss man einfach sagen, da geht es darum, diesen Trigger zu vermeiden, wenn man den kennt.
Sebastian Kann man Trigger mal definieren, weil das weicht sehr ab. Ich habe auch manchmal so diese Info, wenn ich jetzt im Podcast Themen anspreche, ja, wenn es in dem Bereich geht, bitte eine Triggerwarnung machen. Und da bin ich immer nicht so sicher, was ist denn jetzt ein Trigger? Ist es das Thema, wenn ich mich damit nicht wohlfühle oder wenn wirklich was mit meiner Psyche passiert? Also kann man das definieren?
Stefanie Verfürth Naja, Trigger ist erstmal das englische Wort für Auslöser. Also Trigger ist erstmal ganz schlichtweg der Reiz, der das auslöst, dass du sozusagen in dieses alte Erleben kommst oder eben in das schlechte Gefühl. Also der Trigger ist entweder der Geruch plötzlich, wenn wir nochmal bei dem Beispiel von sexueller Traumatisierung sind, können Gerüche, Gesten, bestimmte Körperteile ein Triggerreiz sein. Und der löst dann eben plötzlich alte Erinnerungen, Bilder, Gedanken und auch Körpersymptome aus.
Sebastian Okay, vielleicht mal was Persönliches. Ich habe so eine merkwürdige Art der Höhenangst. Ich fühle mich absolut unwohl und bin auch fest der Meinung, dass Dinge sich bewegen, wenn ich dann da oben auf dem Eiffelturm bin. Ich vermeide das nicht, sondern ich taste mich dann da so ran und diskutiere mit mir aus, das ist jetzt safe, das ist sicher, das kann ich machen. Und wenn ich es hinterher getan habe, dann fühle ich mich verdammt wohl.
Stefanie Verfürth Super.
Sebastian Geht nicht weg, aber ich, um Himmels Willen, mein Hirn wird mir nicht verbieten, auf so einen Turm zu steigen. Aber da vermeide ich den Trigger ja nicht. Da gehe ich ja voll drauf.
Stefanie Verfürth Richtig.
Sebastian Also sollte man sie vermeiden oder kann man schon mit ihnen spielen?
Stefanie Verfürth Naja, das hängt eben dann tatsächlich von der Art der Erkrankung in Anführungsstrichen ab. Da muss man natürlich jetzt gucken, ob das bei dir schon in die Richtung einer Hühnenangst geht oder einer Phobie. Ja. Bei Traumafolgestörungen muss man immer sehr vorsichtig gucken und individuell gucken. Da sollte man, je nachdem worum es geht und wie schwer die Störung ist. Auch vielleicht eher vermeiden, solche Situationen aufzusuchen oder aber im Rahmen einer speziellen Traumatherapie psychotherapeutisch bearbeiten, dass solche Situationen nicht mehr unbedingt Symptome einer Traumafolgestörung auslösen. Was Ängste angeht und das ist schön, dass du jetzt einfach mal dieses Beispiel genommen hast mit der Höhenangst. Das ist ja was, wo viele Leute sich wahrscheinlich auch mit identifizieren können. Also der Begriff Trigger, den assoziieren viele ja auch mit dem Bereich Trauma, aber wie gesagt, es ist ein sehr allgemein stehender Begriff für das Wort Auslöser. Und deswegen Triggersituationen kann es überall geben im Alltag. Du kannst auch einen Trigger haben für gute Gefühle. Wenn ich jetzt zum Beispiel den leckeren Kuchenduft beim Reinkommen rieche, ist das für mich auch ein Trigger und dann fängt meine Speichelproduktion an und der Magen knurrt und ich kriege ganz gute Laune in Vorfreude auf den leckeren Kuchen. Ja, also auch das ist dann an der Stelle ein Trigger. Gut, aber nochmal zurück zu deiner Frage. Grundsätzlich ist das sich aussetzen mit dieser eigentlich angstauslösenden Situation durchaus was, was im therapeutischen Kontext auch in der Verhaltenstherapie genutzt wird, um Ängste abzubauen. Ja, je nachdem, wie schwer jetzt deine Beschwerden da sind, kannst du das natürlich im Alleingang machen. Aber ansonsten, wenn es wirklich schon eine psychische Erkrankung ist, sollte man sich da eher therapeutische Hilfe tun. tun und das unter Anleitung machen. Aber grundsätzlich, wenn du sagst, das kriege ich ganz gut hin und es wird jetzt auch nicht schlimmer mit den Ängsten, sondern tendenziell eher besser, ist das gut, dass du dich dieser Situation aussetzt und dem Gehirn zeigst, es passiert gar nichts, wenn ich auf diesen Turm steige. Ich habe zwar diese Angst, aber die Angst wird irgendwann auch besser und das Gehirn macht erstmal die Erfahrung, meine Befürchtungen treten gar nicht ein und ich beruhige mich wieder, das Angstlevel kommt von selber runter, ohne dass ich jetzt irgendwie diesen Turm vermeiden muss.
Sebastian Das ist ja jetzt so eine Art Konditionierung. Es ist immer so die Frage, ab wo fange ich denn an im BDSM-Kontext als Paar mein Gegenüber, unbeabsichtigt, unwissentlich, aber anfangen rumzutherapieren an meinem Gegenüber. Oh, das magst du nicht so toll. Ja, das macht mir aber doch gerade Spaß, dass du es nicht magst. Deine Reaktion gefällt mir. Du gruselst dich davor, du schreckst davor zurück. Und dann machen wir das. Und da ist so ein bisschen die Frage, geht das nicht schon ein bisschen so in diese Persönlichkeitsformung rein? Da haben offenbar Menschen auch wirklich Angst, dass sie ihrem Gegenüber Verhaltensweisen beibringen. Manchmal finden sie es toll, das nennt man dann Konditionierung. Aber manchmal haben die Menschen wirklich Ängste, dass man sub zum Beispiel, dass man da in der Psyche rumpfuscht, um das mal ganz platt zu sagen. Wie einfach ist denn das überhaupt da versehentlich mal was kaputt zu machen, um es mal so auszudrücken? Ich weiß, die Frage ist sehr schwierig, aber…, Könnt ihr dazu was sagen?
Stefanie Verfürth Ja, also um nochmal eben den Begriff Konditionierung zu erläutern, das muss nicht immer nur mit etwas Positivem einhergehen. Du kannst durchaus auch Sachen konditionieren im Sinne von aversiven Reizen. Und das ist ja das, warum Trigger überhaupt zu triggern werden. Das ist auch ein Konditionierungsprozess, der da stattfindet. Mein Gehirn assoziiert diese Erfahrung eben und diese negativen Konsequenzen Mit der auslösenden Situation. Das heißt, so entstehen auf der einen Seite Ängste und Traumata, aber auf der anderen Seite nutzen wir Konditionierung auch im positiven Sinne, bei der Verknüpfung mit positiven Situationen, um erwünschtes Verhalten oder erwünschte Reaktionen hervorzurufen. Also deswegen, das geht in beide Richtungen. Also es erfordert in der Regel schon ein bisschen mehr und mehr Wiederholungen, damit du jemanden ein gewisses Verhalten antrainierst. Und ich weiß auch nicht, ob das jetzt, sagen wir mal. Im partnerschaftlichen Kontext so einfach ist, jemanden dann zu erziehen oder zu verändern. Da gehört, glaube ich, schon ein bisschen mehr dazu. Auch da ist die Psyche, glaube ich, ein bisschen komplexer. Aber grundsätzlich kannst du natürlich auch in gewisser Weise gewisse Dinge formen. Aber der Mensch ist natürlich ja jetzt nicht nur eine Reizreaktionsverbindung, sondern der hat ja einen eigenen Verstand, mit dem er auch denken kann und wo er dann auch was sagen kann. Und wenn, ich würde es auch nicht therapeutisch nennen, wenn du jetzt merkst, oh das gefällt ihm nicht so gut, dann mache ich das mal, dann finde ich das eher nickelig und dann sagt das vielleicht etwas über eure Beziehung aus oder deinen Ausmaß an Sadismus, dass du vielleicht Freude dran hast, den anderen ein bisschen aus der Reserve zu locken. Und dann ist eben auch die Frage, wie reagiert die andere Person drauf?
Jörg Signerski Und die andere Person hat ja, wenn wir im gesunden Bereich sind, immer noch eine Selbstverantwortung, also eine Grenzsetzung. Das ist bei uns als Sexual- und Paartherapeuten unwahrscheinlich wichtig. Wir sprechen von Veto- und Egoismusregel, Prinzip der Selbstverantwortung, was im sexualtherapeutischen Kontext wirklich entscheidend ist. Das heißt, derjenige, der Lust hat, kann natürlich in einem bestimmten Rahmen das machen, was er möchte. Der andere hat aber die Verpflichtung, Veto zu sagen, eine Grenze zu setzen. Und wenn du irgendwen, weiß ich nicht was, immer eine Spinne aufs Bein legst und er will das nicht, dann hat er und er sagt Veto, dann musst du dich daran halten, sonst sind wir auch wieder im pathologischen Bereich. Das heißt, wenn der Nein sagt, das ist das Nein und gut ist und dann wirst du ihn ja nicht konditionieren können.
Sebastian Also ich glaube, da ist auch wieder dieser Faktor des Miteinander. Das Leben ist ja nicht eine andauernde Session. Die Frau konditioniert mich ja auch, nämlich sie hat mir mal eine so eine kleine Bimmel geschenkt, hier steht neben dem Bett, wenn ich da drauf drücke, kommt ein doppelter Cappuccino. Idee, hat sie mir so verkauft, dass ich sie jetzt konditioniere, sie hört das Klingeln und dann bringt sie diesen doppelten Cappuccino. Fakt ist, ich bin konditioniert, wenn ich ein Cappuccino haben will, dann suche ich eine Bimmel. Und ob sie das dann immer hört und überhaupt nicht und so weiter und so fort, also, ihr merkt, es ist jetzt sehr viel Humor da auch mit drin, aber es ist sehr spannend zu sehen, wie Dinge auf einen auch wirken und auch wieder zurückwirken und nicht nur die Reaktion der anderen Person ist spannend, sondern auch die eigene auf etwas.
Jörg Signerski Ich finde dein Beispiel schick, weil ihr habt euch beide freiwillig für diese Bimmel entschieden.
Sebastian Die Frau Schulz, sie hat sie geschenkt.
Jörg Signerski Du hast dich drauf eingelassen.
Sebastian Ja, verdammt, ich hätte das Safe Word benutzen sollen. Ach, okay. Ich gehe nochmal ganz wichtig in den Punkt rein, Traumabewältigung. Es gibt Menschen, sagt das Jörg schon, Randgruppe, aber es gibt sie, wo Menschen versuchen, mit BDSM ein Trauma zu bewältigen. Also sie nutzen BDSM, ich sag mal, als Werkzeug. Und da schließt sich dann auch dann wieder an, dann wird dann, dass leider Gottes jetzt in meinem Beispiel nicht habe, sind es immer die submissiven Menschen, die das betrifft und die dominanten Personen haben dann so ein bisschen Angst, oh Gott, ich werde hier als Therapeut missbraucht und ich weiß doch gar nicht, was da los ist und dann scheint überhaupt kein Konsens da zu sein. Nein, aber ist es theoretisch denn denkbar, ein Trauma, ich sag mal jetzt mal Höhenangst und dann habe ich eine Domina, die mich ständig auf den Turm schickt. Also die weiß das gar nicht, dass ich die habe, aber ich verlange von ihr halt diese Intervention. Ist das denn theoretisch möglich, ein Trauma zu bewältigen durch BDSM?
Jörg Signerski Theoretisch ja.
Sebastian Funktioniert es?
Jörg Signerski Spiel mit dem Feuer. Ja, funktioniert, muss aber nicht. Kann voll nach hinten losgehen.
Sebastian Okay, ist das fair?
Jörg Signerski Von wem?
Sebastian Von der Person, die es weiß. Ist ja meistens nur eine.
Jörg Signerski Die Frage ist, ist der Person bewusst, das so zu machen?
Sebastian Bevor ich hier aus meiner Haupttopic Gesundheit so ein bisschen ausbreche, habe ich noch einen wichtigen Punkt und das ist Narzissmus oder der Narzisst. Man sagt, Narzissten sind, davon musst du dich fernhalten, egal ob passiv oder aktive Person. Aber wenn du auf einen Narzissten triffst, dann laufst du schnell, du kannst. Was ist denn das überhaupt?
Jörg Signerski Narzissmus ist eine, also das was wir darunter verstehen, meinst du wahrscheinlich auch, ist die narzisstische Persönlichkeitsstörung. Lässt sich im ICD-10 nicht abbilden, aber in der amerikanischen Klassifikation und ich meine im ICD-11 kommt es jetzt auch.
Stefanie Verfürth Naja, im ICD-10 ist es zumindest als F60-8 unter den sonstigen Persönlichkeitsstörungen.
Sebastian Kann man begründen, warum es keine gute Idee ist, mit einem Narzissten zu spielen, BDSM zu praktizieren? Also was passiert? Also das wurde im Podcast schon immer wieder mal von verschiedenen Menschen erwähnt und vielleicht ist so da die Frage, wo kommt das Toxische her?
Stefanie Verfürth Also ich würde erstmal nochmal ein bisschen die Definition des Narzissmus weiter ausholen und sagen, auch da, also im Sinne von Persönlichkeit haben wir auch immer ein Kontinuum, wo wir sagen müssen, es gibt einen narzisstisch angehauchten Persönlichkeitsstil. Jemand ist vom Charakter her tendenziell leicht in die Richtung und dann würde ich es nicht narzisstisch nennen, sondern es ist einfach ein selbstbewusster Persönlichkeitsstil. Und das Ende des Kontinuums, wo wir dann auch im Störungsbereich sind, ist das, was Jörg gerade gesagt hat, die narzisstische Persönlichkeitsstörung. Aber da reden wir, wie gesagt, wieder davon, wenn wir im Störungsbereich sind, ist das etwas, wo ich in allen Lebensbereichen aufgrund meiner Denkweise, Haltung, Verhaltensweise…, oder auch emotionalen Erlebensweise in Schwierigkeiten gerate. Im beruflichen Kontext, im privaten Kontext, im Beziehungskontext und so weiter. Das heißt, jemand, der nicht nur selbstbewusst ist, sondern so sehr auf sich selbst fixiert ist, auf die Erfüllung, sagen wir mal, eigener Bedürfnisse und Wünsche fixiert ist, dass er andere Menschen da manipuliert, in Anführungsstrichen. Ausnutzt möglicherweise, sehr den Ton angibt und das in einer Form, was ihn unter Umständen zwar sehr erfolgreich macht in seinem Leben und deswegen auch erstmal sehr zufrieden in der Regel, aber das Umfeld leidet häufig sehr. Und in der Folge kann es natürlich auch zu anderen Problemen kommen, wie zum Beispiel Depressionen, Abhängigkeitserkrankungen und so weiter, weil der Narzisst dann am Ende doch vielleicht gar nicht so glücklich ist, weil er vielleicht auch viele Kränkungserlebnisse hat, Weil ein Narzisst so von seinem Selbstverständnis her das Gefühl hat, dass er halt einfach allmächtig und herrlich ist und dass doch auch alle Welt das selbst auch wahrnehmen muss und dass doch eben alle auch alle Wünsche erfüllen und das auch mit Fug und Recht, ne, aufgrund seiner gottgegebenen Großartigkeit, ja und alle anderen Menschen drumherum sehen das natürlich gar nicht so. So, ja, insofern...
Sebastian Wenn man das so formuliert, dann klingt das immer so, das muss man doch merken, dass man da, also es ist ein bisschen überspitzt jetzt, aber was macht denn die Sexualität mit einem Narzissen oder mit einer Narzisstin, die gibt es ja bestimmt auch als weiblich gelesene Person, was macht das so gefährlich oder warum sollte man da aufpassen? Könnt ihr euch das vorstellen oder habt ihr da Hintergründe zu?
Jörg Signerski Also die Narzisstere Person hat eine Besonderheit. Sie kann hervorragend die Bedürfnisse des anderen lesen, obwohl sie wenig empathisch ist. Das heißt, die weiß genau, was du gerade brauchst, damit du dich gut fühlst. Das kann diese Person, also einige dieser Personen relativ gut herauskristallisieren. Das macht sie auch so teilweise faszinierend. Dann sind sie teilweise sehr von sich selbst überzeugt, was auch eine Faszination ausmacht. Gleichzeitig kommt dann das dazu, was du gerade gesagt hast, sie sind ausbeuterisch, das ist ein Diagnose-Kriterium und sie sind trotzdem, obwohl sie herausgehen, was dich in deinem Narzissmus pinselt, sind sie gleichzeitig aber auch noch wenig empathisch.
Sebastian Also diesen Widerspruch verstehe ich ehrlich gesagt nicht. Also sie können Bedürfnisse lesen. Lesen heißt ja auch nicht dessen Bewusstsein. Das heißt, entscheiden sie sich aktiv dagegen, ich sag mal freundlich zu sein, obwohl sie wissen, was sind die Bedürfnisse. Das macht doch theoretisch guten BDSM aus.
Jörg Signerski Ich merke, dass ich es falsch formuliert habe. Ja, aber sie können lesen, was dich, deine Bedürfnisse können die lesen, die können die sehr gut bedienen, dass du dich toll fühlst. Das kriegen die hin, gleichzeitig wissen die aber auch, wie sie sich stark verletzen können.
Stefanie Verfürth Sagen wir mal so, sie kriegen es gut hin zu wissen, welche Knöpfe sie bei dir drücken müssen, damit du das tust, was sie wollen und was ihnen am Ende dient. Ja, es fällt dir möglicherweise nicht so sehr auf, dass es ihnen rein um ihre Bedürfnisbefriedigung geht, aber sie sind sehr gut darin, das zu ergründen, was sie tun müssen, damit du ihnen freiwillig sozusagen dienst, in Anführungsstrichen.
Sebastian Ah, okay, aber dann kommt eben nichts mehr zurück, weil das ist ja nicht zielführend.
Stefanie Verfürth Genau, eben. Das ist eben der Grund, warum es dann in der Pathologie, also wenn wir im Störungsbereich sind, auch nachher zu Problemen führt, weil es irgendwann auf Dauer niemand mehr mit dem Menschen aushält. Aber deswegen habe ich ja eben auch gesagt, Narzissmus ist vorsichtig zu betrachten und im Endeffekt ein Kontinuum. Nur die wenigsten landen ja wirklich in dem Bereich, wo es wirklich eine Störung beinhaltet, sondern jemand grundsätzlich mit so einem Persönlichkeitsstil in mehr oder weniger starker Ausprägung kann davon ja auch sehr viel Gewinn schöpfen. Das sind meistens Leute, die in sehr erfolgreichen Positionen, sehr erfolgreich Teams leaden zum Beispiel, erfolgreiche Unternehmen managen, weil sie zum einen auch wahnsinnig ehrgeizig sind, leistungsstark sind und auch in der Lage sind, Menschen da für sich auch einzusetzen und arbeiten zu lassen. Und wie gesagt auch gerne Macht ausüben und Menschen führen. Jemand, der in einer Leitungsposition arbeitet, aber von seinem Persönlichkeitsstil her eher unterwürfig oder abhängig strukturiert ist, eher so der submissive Part, dann fühlt sich er in seiner Rolle so unwohl, dass er dann auch nicht unbedingt diesen Job wahnsinnig gut ausführen würde. Und inwieweit man das jetzt zusammenbringen kann, eben wie narzisstisch oder wie selbstunsicher ein Mensch von der Persönlichkeitsstruktur her ist und ob sich das dann abbildet im Thema dominant-submissiv. Auch das ist so, wie wir das vorhin vielleicht schon hatten, auch wieder eine Frage, muss das immer miteinander kongruent sein? Oder kann nicht auch der Narzisst mal klein sein wollen und das kompensieren wollen in einer unterwürfigen Rolle? Dass er auch mal die Kontrolle abgeben darf und nicht immer den Starken spielen muss. Weil es auch unter den narzisstischen Menschen die Situation gibt. Oder sogar häufig so ist, dass sie zwar nach außen hin dieses Großartige und Selbstbewusste präsentieren und ganz charismatisch auftreten, aber innerlich eigentlich immer mit einer ganz großen Angst rumlaufen, selbst gar nicht so toll zu sein, wie sie sich verkaufen. Und innerlich häufig doch ganz selbst unsicher sind und Angst davor haben, dass irgendwann der Schwindel rauskommt und irgendwer sie entlarvt. Deswegen hat man auch diese Situation, dass die dann schnell kränkbar sind, wenn jemand nicht gleich ihrer Meinung ist.
Sebastian Ah, okay. Also ich überlege gerade, wo diese Warnung herkommt. Lass dich nicht mit einem Narzissten, mit einer Narzisstin ein, das endet nicht gut. Das klingt immer so, als ob der Mensch einen irgendwann um die Ecke bringt, früher oder später, aber das scheint nicht der Punkt zu sein. Also was ist denn die Gefahr für eine Person, wenn sie auf so einen pathologischen Narzisstin trifft? Was kriegt das Umfeld davon mit und warum ist das so toxisch?
Stefanie Verfürth Ja, also das geht ja im Endeffekt darum, wie gesagt, der Narzisst guckt in erster Linie auf seine Bedürfnisbefriedigung und kann andere ganz gut dazu bringen, ihm zu dienen. Und das wird dann insofern für andere vielleicht toxisch, wenn man sich selbst aufgibt. Es gibt ja Menschen und häufig hat man die Kombination in Partnerschaften, dass der eine Teil eher narzisstisch strukturiert ist, das heißt dominant. Der andere, der dazu häufig sich dann da auch passend fügt, ist derjenige, der eher von der Persönlichkeitsstruktur her, wir nennen das abhängig oder selbst unsicher strukturiert ist. Der braucht jemanden, der profitiert im Endeffekt auch erstmal davon, dass er jemanden hat, der den Ton angibt. Der ist nämlich total froh, wenn er selbst keine Entscheidung treffen muss. Und wenn der Partner, der narzisstisch ist, sagt, wir machen das so und so und so, kann das für den unterwürfigen Teil natürlich mega hilfreich sein, weil er selber nicht Angst haben muss, Entscheidungen zu treffen und das alles abgeben kann und einfach ausführen kann. Aber am Ende heißt das ja auch, diese Person bleibt eigentlich mit ihren Bedürfnissen total auf der Strecke und verliert auch irgendwann den Blick dafür, was tut mir eigentlich gut. Und da besteht dann die Gefahr, dass es irgendwann dann auch zur Entwicklung von psychischen Erkrankungen kommt oder was auch immer. Oder auch da der Selbstwert immer niedriger wird, weil ich mich eben immer mehr abhängig mache von dieser Person, die mich so dominiert und ja nur ihre Bedürfnisse durchsetzt.
Sebastian Also damit ist quasi meine nächste Frage perfekt mitbeantwortet. Kurz zusammengefasst schadet eine submissive Position in der Beziehung nicht vielleicht der Lebenstüchtigkeit? Dann würde ich jetzt aus dem, was ich verstanden habe, sagen, ja, wenn man es mit einem Narzissen zu tun hat und selber dafür ein bisschen anfällig ist, dann ist es vielleicht eine blöde Kombination. Kommt das hin?
Stefanie Verfürth Kann, aber muss nicht. Also auch da immer wieder, es ist die Frage, wie sehr ist mir das bewusst, wie sehr mache ich das bewusst in der Konstellation. Wenn ich es nur auf den sexuellen Bereich begrenze, ist es ja vollkommen in Ordnung. Aber wenn du tatsächlich merkst, es betrifft andere Lebensbereiche und du bist nachher nicht mehr in der Lage, dir einen Arzttermin zu machen ohne deinen Partner oder einkaufen zu gehen. Was ist, wenn der plötzlich mal ins Krankenhaus muss und du stehst ganz alleine da und kannst das Haus gar nicht mehr verlassen? Oder bist du lebensunpraktisch geworden, dass du dich gar nicht selbst versorgt kriegst? Das wäre ja nun mal wirklich nicht mehr günstig. Oder was ist, wenn der Partner dich plötzlich verlässt und du bist dann völlig unselbstständig? Also das sind dann Sachen, wo ich schon sagen würde, das ist ungünstig, aber bis dahin muss es ja auch erstmal kommen und das passiert eben halt eher in ungünstigen Konstellationen. Da muss auch eben dieser submissive Part schon sehr von sich aus auch selbst unsicher sein. Und ich weiß nicht, ob das wirklich immer so ist im BDSM-Bereich, dass das dann Personen sind, die vom Persönlichkeitsstil dann in Richtung selbstunsichere Persönlichkeitsstörungen gehen.
Sebastian Ja, ich glaube, da muss man vorsichtig sein. Submissiv heißt nicht unsicher oder devot. Das ist einfach nur die Rolle, in der ich mich wohlfühle. Das sagt ja erstmal nichts weiter aus über meine Fähigkeiten, mich durchzusetzen.
Stefanie Verfürth Genau, deswegen habe ich das vorhin gesagt, dass man wahrscheinlich nicht von der Persönlichkeitsstruktur per se drauf schließen kann, in welche Rolle ich mich begebe. Das ist ja ein bewusstes Schlüpfen in diese submissive Rolle, was eben nicht heißen muss. Und deswegen denke ich, dass es weniger selbstunsichere Menschen in devoten Personen gibt, als narzisstische Menschen in dominanten Positionen. Aber wie gesagt, das sind alles Sachen, da gibt es keine Studien zu, das ist jetzt mal persönliches Feeling.
Sebastian Ja, ich merke, hier gehen viele Fragen auch so ein bisschen in diese Position rein, wo eine Bewertung gefordert wird und ja oder nein Fragen sind das ganz oft und ich merke aber, es ist immer das Zusammenspiel, es ist immer eine feine Skala, die mit anderen Graubereichen wiederum gemischt werden. Werden und offenbar ist es leider Gottes einfach nicht so einfach, was im Kopf vor sich geht. Und jetzt frage ich mich, wieso kriege ich das hin, erfolgreich, also was heißt erfolgreich, für mich und hoffentlich auch meine Partnerin befriedigend BDSM zu machen. Aus irgendeinem Grund scheint es da einfach zu funktionieren. Sind Menschen dafür einfach talentiert? Oder, also woran liegt das, dass das funktionieren kann, wenn die Psyche doch so kompliziert ist? Was ist es?
Stefanie Verfürth Naja, also das sind glaube ich tatsächlich die Fragen und die Dinge, die damit eine Rolle spielen und auch da wieder mehrere Faktoren, die damit dazugehören. Das ist zum einen die Frage, wie fest bin ich so in meiner Persönlichkeit. Wenn ich in mir gut gesettelt bin, wenn ich ein gutes Gefühl für meine Bedürfnisse, Wünsche habe, meine Grenzen setzen kann und auch mal sagen kann, okay, das war jetzt zu viel und das auch gut kommunizieren kann. Das eine ist eben das, wie bin ich mit mir im Reinen, kann für mich sorgen. Aber auch das, wie ist unsere Kommunikation als Paar? Und das ist etwas, wo Jörg eben ja auch schon mal drauf hingewiesen hat, dass das, glaube ich, im BDSM-Bereich wesentlich verbreiteter ist, über Dinge zu sprechen. Was wünsche ich mir, wo sind Grenzen? Dass das wesentlich transparenter gemacht wird. Dass im Vanille-Bereich. Eben vielfach ganz große Hemmungen sind, über Sexualität zu sprechen und deswegen ganz viel gar nicht auf den Tisch kommt, gar nicht ausgelebt wird oder eben mitgemacht wird, ohne was zu sagen, sodass da Sexualität möglicherweise viel unzufriedenstellender ist. Und ich glaube, dass eben im BDSM-Bereich ja auch in der Szene Leute, die sich da bewegen, ja auch das fördern, Austausch darüber zu pflegen und dass ein bewusster Part ist, das zu leben, dass die Partner sich da gegenseitig austauschen und mitteilen und auch jedem wichtig ist, auf Grenzen zu achten.
Sebastian Ja nicht nur die Partner, also man passt schon so ein bisschen innerhalb der Community darauf auf, dass man sich benimmt. Dass man also schon schaut, welche Personen sind jetzt durch übergriffiges Verhalten aufgefallen und die werden im Grunde, ja gebrannt mag will ich nicht sagen, aber eine zweite Chance ist relativ schwer zu bekommen oder ist mit viel Arbeit verbunden und da scheint auch so eine Sozialisierung stattzufinden. Und ich selbst sage auch, dass ich Stammtische und auch Veranstaltungen allgemein im BDSM-Kontext als gut sehe, weil das eine gewisse Art der sozialen Kontrolle ist, ein böser Begriff darstellt.
Stefanie Verfürth Doch, doch, aber so würde ich das ruhig nennen.
Sebastian Ja, man kann halt zumindest diese Fantasien, die Menschen alleine mit sich ausgemacht haben, so ein bisschen auf ein realistisches Level wieder zurückbringen. Und dieses Peer-to-Peer-Aufeinander-Aufpassen. Ich glaube, das ist mal der erste Schritt, damit eben die Erfahrungen hoffentlich positiv sind.
Stefanie Verfürth Ja, und deswegen, das hast du schön gesagt, das finde ich ist ein ganz wichtiger Faktor und ja auch etwas, was ein Alleinstellungsmerkmal ja auch ist im BDSM-Bereich, im Vanilla-Bereich. Ja, es würde ja niemals irgendwie sich jemand da in der Nachbarschaft zusammensetzen und sagen, wir machen jetzt mal einen Stammtisch und wir reden ab und zu mal über unsere Sexualität und gucken mal und da wird ja nicht Nachbar zu dem anderen sagen, Mensch hier Gregor, da hast du aber mal du, also da musst du beim nächsten Mal aber mit deiner Frau ein bisschen. Stell dir das mal vor. Also das könnte ich mir im Leben nicht vorstellen. Das gibt es ja dann nicht. Und das ist dann ja im BDSM-Bereich vollkommen selbstverständlich, dass da dann auch wie gesagt drauf aufgepasst wird. Und sowas kriege ich ja im Endeffekt auch über deinen Podcast mit. Das ist ja etwas, worüber ich mich sozusagen in dem Bereich auch fortgebildet habe oder auch immer wieder fortbilde. Du betonst da ganz oft mit deinen Gästen auch immer wieder, dass man Sachen vereinbart, dass man drüber redet, den Konsens in dem, was man da tut. Und deswegen, das ist glaube ich eine Kultur allein, die schon dafür sorgt, dass man da auch ganz anders mit umgeht. Und was dann dafür sorgt, dass man das dann auch in dem Bereich gut hinkriegt, seine Sexualität zu leben.
Sebastian Dann frage ich doch jetzt mal zwischendurch, also ihr beide habt den Podcast gehört, was habt ihr aus der Kunst der Unvernunft gelernt? Das ist jetzt nicht die ausleitende Abschlussfrage, aber es passt gerade so schön. Gibt es was, was ihr da Neues mitgenommen habt? Oder was hängen geblieben ist.
Jörg Signerski Ja, wir haben Einblicke gewonnen, die wir so nicht gewinnen würden. Wir haben Vokabular gelernt, was wir so nicht kennen. Ja, so würde ich das erstmal formulieren.
Stefanie Verfürth Ja, also deswegen, ich kann es gar nicht einzeln aufzählen, weil das wahnsinnig viel ist, weil ich, wie gesagt, sonst mit dieser Szene irgendwie nie was zu tun hatte. Und das sozusagen meine Fortbildung ist unter anderem. Und ich einfach versucht habe, da einen Einblick zu kriegen. Und deswegen habe ich erst mal verstanden, okay, wie weit ist dieses Feld eigentlich? Ja, wie schön das ist, dass es eben eine Community gibt, in der so offen auch über Sexualität gesprochen werden darf, mit welcher Selbstverständlichkeit, das finde ich einfach schön und ja, was Jörg schon sagt, einfach wahnsinnig viel, erstmal überhaupt Fachbegriffe, was gibt es da eigentlich alles, auch von dem Vorlieben und was man da so gerne macht, das sind ja Dinge, die stellt man sich ja als, sagen wir mal, Vanillamensch so gar nicht vor, da kann man ja nicht auf alles drauf kommen. Und das ist, finde ich, eine schöne Bereicherung, sage ich mal, auch der eigenen Fantasien oder Ideen.
Sebastian Ein kleines bisschen rot-wertig gerade. Ich merke, ich habe die Frage wirklich zu früh gestellt. Ich möchte gerne über Bedürfnisse reden. Es gibt so ein paar Sachen im BDSM, die sind wieder der Evolution. Beispiel. Erniedrigung führt zu Erregung. Warum?
Jörg Signerski Weshalb ist das wieder der Evolution?
Sebastian Okay, zweites Beispiel. Ich habe, Moment, ich muss es einmal finden, damit ich es auch korrekt vorlese. Im Spiel macht es mich glücklich, wenn ich nicht zum Höhepunkt komme. Warum? Warum regt es mich, keinen Orgasmus haben zu dürfen?
Jörg Signerski Und soll das wieder der Evolution sein?
Sebastian Naja, also theoretisch, also den Erfolg mit Nachwuchs und so, den kriegt man ja nur hin, wenn man das mit dem Orgasmus auch hinbekommt als Kerl. Also wo kommt der Spaß her?
Jörg Signerski Die Frage ist ja, was ist Sexualität? Wir haben verschiedene Ebenen. Die eine Ebene ist natürlich die Fortpflanzungsebene. Aber wenn wir nur Sex hätten, um uns fortzupflanzen, dann wäre das nicht viel. Dann würden wir auch kein BDSM haben.
Sebastian Okay, wozu brauchen wir das?
Jörg Signerski Das heißt, wir haben noch andere Ebenen. Wir haben eine Lust-Ebene, wir haben eine Beziehungsebene. Und die Lust-Ebene ist, dass wir Spaß haben an etwas, was uns erregt. Die Beziehungsebene ist, wir gehen in eine Interaktion, wo es auch um Nähe und Akzeptanz geht. Dann haben wir noch etwas dazu. Wenn du schon die Evolution ansprichst, spielt Macht und Unterwürfigkeit im sexuellen Kontext schon eine Rolle. Ich empfehle jeden einmal, in den Zoo zu gehen und sich den nächsten Affenfelsen anzuschauen. Da passiert ja sexuell relativ viel, ohne dass es um Fortpflanzung geht, sondern Präsentieren des Genitals hat etwas, kann beim Präsentieren des männlichen Genitals etwas mit Macht zu tun haben. Da gibt es auch Unterwürfigkeitsgesten. Das heißt, auch dort finden wir schon dieses Spiel mit Macht und Unterwürfigkeit auf einem sexuell konnotierten Bereich. Sodass du merkst, wie vielschichtig das da ist, was Sexualität ist, dass es nicht nur um Fortpflanzung geht und eher nicht um Fortpflanzung geht.
Stefanie Verfürth Ich würde deine Frage aber auch noch direkter beantworten wollen, weil Jörg jetzt so ein bisschen erstmal so grundlegende Dinge angesprochen hat. Deine Frage war ja gerade, warum ist es erregend, wenn ich zum Beispiel keinen Orgasmus haben darf. Und da würde ich das Pferd jetzt mal von der Seite her aufzäumen zum Thema sexuelle Funktionsstörungen. Menschen mit Orgasmusstörungen haben zum Beispiel häufig große Versagensängste, Leistungsdruck und so weiter. Und da erleben wir ja eben dieses Fixiertsein auf den Orgasmus, den Orgasmus haben wollen, haben müssen, als etwas, was gerade das verhindert und was auch die Lust am Sex verhindert. Und umgekehrt ist es dann nämlich ein entlastender oder psychologisch auch positiver Effekt, wenn ich eher etwas nicht haben darf. Wir wollen ja immer das, was wir nicht haben dürfen. Das wird ja dann besonders attraktiv. Also das ist ja ein Naturgesetz, sag ich mal, der Psychologie, dass die Dinge, die wir nicht haben können, gerade interessant für uns werden. Aber gleichzeitig eben mit diesem Hintergrund, ich darf jetzt eigentlich gar nicht kommen, entledigt mich ja all dieser Leistungs- und Versagensängste.
Sebastian Da wäre der Umkehrschluss, der ist ja garantiert falsch. Wenn Menschen mit Orgasmuskontrolle experimentieren und Spaß daran haben, dann haben sie ein Problem damit, den Orgasmus zu kriegen.
Stefanie Verfürth Nö, aber das muss ja nicht unbedingt so sein. Also ich kann ja immer sagen, ich experimentiere mit Erregung und herauszögern von Orgasmus. Das ist auch etwas, was dann in der Therapie durchaus gewollt eingesetzt wird, Dass man Erregung aufbaut und wieder abflauen lässt und so weiter. Aber das kann ja jeder machen, auch wenn er keine Orgasmusstörung hat. Oder habe ich dich jetzt falsch verstanden?
Sebastian Ja, die Überlegung ist einfach dieses... Ich habe das jetzt so verstanden, es wirkt erregend, weil damit ein Druck genommen wird und damit ist man eigentlich freier in dem Sinne. Also wenn man sagt, wir machen jetzt hier Dinge, aber den Orgasmus machen wir nicht, dann ist der Druckfaktor fällt weg und damit wird es entspannt und vielleicht auch schön und dann löst sich dadurch vielleicht etwas. So habe ich es verstanden.
Stefanie Verfürth Also das stimmt schon, aber das heißt ja nicht, dass es ein Kausalzusammenhang sein muss und dass es bei jedem immer so sein muss. Der eine Aspekt ist ja eben zu sagen, ich habe grundsätzlich alles was verboten ist, wird attraktiver und das andere ist eben nochmal vielleicht eben, dass zusätzlich dieser Leistungsdruck wegfällt.
Sebastian Ja, vielleicht ist es auch die Intensität des Gefühls, was ich spannend finde. Also auch dieser Punkt Erniedrigung. Erniedrigung ist eine zutiefst unangenehme Erfahrung und trotzdem entsteht daraus eine Erregung. Und zwar nicht nur ein bisschen, sondern ein bisschen mehr. Und zwar so viel, dass die Menschen dann sagen, ich möchte dieses erniedrigende Gefühl nochmal haben und formuliere es sogar gegenüber meinem Partner. Das sind ja ganz viele große Schritte. Da muss so viel dahinter stecken. Dieser Reiz muss so mächtig sein, dass er im Prinzip sehr übermächtig ist. Und das wundert mich ein bisschen.
Jörg Signerski Was wundert dich denn daran?
Sebastian Wir sind denkende Wesen. Wir können logisch denken, wir haben ein Gehirn und jetzt kommen da Hormone daher und sagen uns, was wir tun und reden sollen. Also das empfinde ich bei BDSM grundsätzlich als Wahnsinn, weil da passiert offenbar ganz viel Hormonelles im Körper und ganz viel Auslösendes. Aber diese Intensität, die ist ja gigantisch.
Jörg Signerski Es werden massiv Dopamin und Endorphine ausgeschüttet, ja.
Stefanie Verfürth Davon mal abgesehen, sage ich meinen Patienten auch immer, Gefühle sind nicht logisch. Das heißt an der Stelle ist das Denken nicht mit dem Gefühl zu vergleichen. Das sind zwei völlig unterschiedliche Systeme und Gefühle sind wie gesagt nicht mit normalem Menschenverstand immer zu erklären und folgen keiner Logik.
Sebastian Ich versuche ja immer nicht BDSM-igen Menschen BDSM mit Sport, mit Marathon zu erklären. Ist das medizinisch gesehen korrekt? Dieses Gefühl hinterher, ich bin jetzt 40 Kilometer gelaufen, es tut mir alles weh und ich fühle mich glücklich.
Jörg Signerski Und mit der Endorphinausschüttung, ja.
Sebastian Okay, aber das ist wahrscheinlich schon alles, ne?
Jörg Signerski Ja.
Sebastian Okay, Sport ohne Sport machen zu müssen.
Jörg Signerski Ja.
Stefanie Verfürth Oder der schönste Sport der Welt. Also ich bin ja ein Sportmuffel und immer wenn ich Sex habe, ist das dann alles überhaupt nicht so anstrengend. Das merke ich dann dabei ja gar nicht. Und deswegen mache ich viel lieber Sex als Sport.
Sebastian Okay, das ist eine Aussage. Ich frage da jetzt mal nicht weiter in die Richtung, ich habe es versprochen. Ich habe hier noch so ein paar Nebenpunkte. Lustschmerz als Beispiel. Geht das in die gleiche Richtung auch aus therapeutischer Sicht wie Erregung und Lustkontrolle etc.?
Jörg Signerski Also Lustschmerz, der Schmerz sorgt dafür, dass auch dort wieder Endorphine ausgeschüttet werden und das macht dann oder kann dann Lust machen.
Sebastian Es gibt dieses Gerücht und ich meine das bestätigen zu können, dass wenn man anfängt mit nicht zu intensivem Schmerz, dass so nach einer Viertelstunde etwa so ein Bereich kommt, wo das gegenüber in diesen Lustschmerz quasi reingeht, wo dann das hormonelle Haushalt so ist, dass man das unfassbar genießen kann offenbar.
Jörg Signerski Also der Körper ist unwahrscheinlich, wie sagt man, anpassungsfähig. Und wenn man sich anguckt, schwerste Verletzungen zum Beispiel, dass die auf einmal nicht mehr wahrgenommen werden, da spielen die Endorphine sozusagen eine ganz große Rolle, die dafür sorgen, dass das für uns dann erträglich wird.
Sebastian Ich kenne dieser zeitliche Zusammenhang, den ich jetzt, ich sag mal, experimentell erforscht habe.
Jörg Signerski Passt ganz gut.
Sebastian Passt ganz gut.
Jörg Signerski Passt ganz gut.
Sebastian Das heißt, wenn man ein bisschen länger Spaß haben möchte, dann fängt man langsam an, das Warmhauen gibt es ja als Begriff. Das ist also keine gute, schlechte Idee.
Jörg Signerski Na, du musst dir vorstellen, du fängst an, Endorphine auszuschütten und wenn du dann Endorphine ausschüttest und die schon da sind, kannst du natürlich mehr Schmerzen ertragen.
Sebastian Okay, das ist dann tatsächlich mal überraschend klar und eindeutig geklärt. Liebes Publikum, die Uhr, die Uhr, die Uhr und deshalb scheuche ich meine beiden Gäste hier einfach mal durch, weil wir müssen dringend reden über Umfeld und Soziales. Menschen, die BDSM mögen, mögen sich gerne outen. Fangen wir mal an mit dem Partner der Partnerin. Wie sage ich es und wie gehe ich damit um, wenn mein Gegenüber sagt, nö.
Jörg Signerski Wie sage ich es, ich spreche es einfach an.
Sebastian Das fällt Menschen ja in der Regel schwer.
Jörg Signerski Das stimmt, das bedeutet eine Überwindung, dieses zu tun. Aber wenn ich es unbedingt sagen will, bleibt mir ja nichts anderes übrig, als irgendwann einmal das Thema auf den Tisch zu bringen. Problem ist, wenn ich zu lange um den heißen Brei herumrede, produziere ich ja eher Missverständnisse als Klarheit.
Sebastian Ja, ich finde es halt immer schwierig, weil man muss sich ja selber im Klaren sein, was will ich.
Jörg Signerski Richtig.
Sebastian Das ist gar nicht so einfach. Und dann kann man ja auch sein Gegenüber nicht überfordern. Hallo, ich möchte BDSM mit dir machen mit Bondage, Squirting und Bastionate. Ich habe mich da übrigens reingelesen die letzten drei Monate. Das Gegenüber wird wegrennen.
Jörg Signerski Das stimmt. Also man sollte es langsam daran gewöhnen.
Sebastian Ja, also gibt es da Strategien, mit denen man vielleicht auf ein bisschen mehr Verständnis hoffen kann oder sogar darauf hoffen kann, dass man sein Gegenüber begeistern kann? Ist das überhaupt möglich?
Stefanie Verfürth Naja, also was ich erstmal empfehlen würde, generell wäre, egal ob man es jetzt mit dem Partner bespricht und sich beim Partner outet oder vielleicht auch bei anderen, dass man erstmal auch so ein bisschen vorweg nimmt und sagt, du hör mal, ich möchte was mit dir besprechen, wo ich jetzt selber gar nicht weiß, was du dazu sagen wirst. Und vielleicht auch vorwegnehmen, ich habe Angst, dass du mich danach in einem ganz anderen Licht siehst. Ich habe Angst, dass sich unsere Beziehung zueinander verändert und so weiter. Aber ich bin an einem Punkt, wo ich mir lange Gedanken gemacht habe, wie ich es dir sage und irgendwie muss ich es dir ja sagen. Also dass man das ruhig einleitet und schon mal vorweg nimmt. Es ist ja erst mal unklar, wie reagierst du drauf. Es ist etwas, was uns irritieren kann. Dass man das, wie gesagt, schon mal vorweg nimmt und auch einräumt, dass es auch okay ist, da möglicherweise irritiert drauf zu reagieren.
Sebastian Ja, aber das bedeutet ja, dass ich dann, wenn ich es formuliere, dann auch von meinem Partner erwarte, mach das mit mir. Weil sonst würde ich es ja nicht ansprechen, wenn ich mir nichts erhoffen würde. Und da wird es doch jetzt ein bisschen schwierig.
Stefanie Verfürth Naja, aber das ist ja eben die Frage, muss ich das gleich erwarten? Also auch das kann ich ja formulieren. Auch da kann ich ja sagen, okay, ich sag dir jetzt erstmal, was ich bei mir festgestellt habe, was ich spannend finde und ich würde es mir von dir wünschen. Oder ich will erstmal hören, wie stehst du dazu? Wie siehst du das? Gab es bei dir vielleicht schon mal ähnliche Gedanken? Oder könntest du dir vorstellen, sowas mit mir zu machen?
Sebastian Ich glaube, Jörg, der Vorteil ist, wenn es wieder so viele Menschen sind, dann ist die Chance, dass der Partner, den man schon kennt, dass der eventuell sagt, aufwendig aufspannen, die ist gar nicht so schlecht.
Jörg Signerski So ist es mit Sicherheit. Ich erinnere mich an ein Pärchen, wo wir mit den ideellen sexuellen Szenarien gespielt haben. Das ist eine Übung. Da sollen die zu Hause aufschreiben, was sie sich idealerweise sexuell vorstellen mit einem idealen Partner. Die kriegen das auf, kommen zurück und lesen das vor. Es stand erstmal nur Geplänkel da und dann sagte er, er hätte noch was stehen, darauf stehe ich. Ich ertraue mich nicht, das zu sagen. Die Angst, die dann da ist, ist, man verliert den Partner, man verletzt ihn, man verliert ihn, man steht im schlechten Licht, aber was Steffi gerade schon gesagt hat. Die Partnerin hatte so coole Augen, so Rehaugen, die mit Augenaufschlag nach oben, ja. Die hat ihn sozusagen um den Finger gewickelt, der hat es dann erzählt. Und dann sagte er, wow, ich stehe darauf mal, mit einer Reitgärte zuzuschlagen. Einfach mal auf deinen Po. Und da sagte sie, wow, bei mir steht ja das Gleiche drauf, ich würde mal gerne geschlagen werden. Das heißt, die haben 20 Jahre lang zusammengelebt, ohne dass sie voneinander wussten, dass sie die gleichen sexuellen Impulse hatten und haben es dann ausprobiert. Sie haben sich dem dann langsam genährt.
Sebastian Ja, das ist die Traumlösung, sag ich mal.
Jörg Signerski Genau, es kann natürlich auch ganz anders laufen. Es kann so sein, dass man sich outet und man merkt das Gegenüber hat dieses sexuelle Skript wirklich nicht. Dann gibt es zwei Varianten. Entweder diese Person sagt, ich spiele ein bisschen mit, so wie ich das von meinem Gefühl, von meinem Gewissen mitmachen kann. Es gibt meine Grenzen. Ich sage Veto, ich sage Stopp. Wir gucken, wie wir das machen. Es gibt auch die Lösung, guck dir Außenbeziehungen an. Also so welche Lösung gibt es. Aber stell dir vor, wir haben eine Paarkonstellation, wo es darum geht, einer von beiden sagt, nein, es ist für mich nicht lebbar. Du darfst es auch nicht woanders spielen.
Sebastian Kommt das vor?
Jörg Signerski Das kommt vor. Das kommt in vielen anderen sexuellen Bereichen auch vor. Dann stehen wir vor einem sogenannten Dilemma. Wir nennen das Tuschois Dilemma. Die Person, die den Wunsch hat, den großen Wunsch hat, seinen Kind zu leben, muss sich nun entscheiden, lebe ich meine Sexualität so, wie ich sie mir wünsche oder und dann verlasse ich meinen Partner oder meine Partnerin oder bleibe ich in der Beziehung, weil mir das Gegenüber so wichtig ist oder weil ich sage, das ist ein Familiehaus, ich weiß nicht. Also gibt es ja verschiedene Gründe, in der Beziehung zu bleiben. Und das, kein Kompromiss möglich, Two-Choice-Dilemma heißt dann therapeutisch zu gucken, in den Entscheidungsprozess zu begleiten, für welchen Lösungsweg entscheide ich mich. Und dann kann diese Entscheidung teilweise sehr erleichternd sein, wenn man sich entschieden hat. Weil gerade dieses, ich sitze zwischen zwei Stühlen, ist langfristig oder kann langfristig sehr belastend sein. Man kann es natürlich auch aufschieben. Du merkst, es gibt verschiedene Lösungen, aber es ist erstmal ein Dilemma. Man muss sich entscheiden, mit dem Dilemma umzugehen. Es kann auch eine Entscheidung sein, damit nicht umzugehen. Auch das ist dann eine bewusste Entscheidung.
Sebastian Ich glaube nicht, dass ich die Entscheidung treffen konnte, zu sagen, nein, BDSM ist mir jetzt nicht mehr wichtig. Es gibt andere Sachen im Leben, die haben Vorrang. Feststellung bei mir selbst. Präsent. Und die Entscheidung dagegen ist nicht möglich.
Jörg Signerski Gut, dann hast du, genau, dann wirst du dich, aber dann ist der Leidensdruck so groß, dass er immer wieder kommt, dann musst du oder dann wirst du irgendwann eine Entscheidung für BDSM treffen.
Sebastian Okay, aber da habe ich den Leidensdruck. Das heißt, das ist dann der Moment zu sagen, ich suche mir einen Therapeuten.
Jörg Signerski Genau, beim Du-Scheust-Dilemma, musst du, du musst dich da keinen Therapeuten suchen, kannst du tun. Geht auch ein Freund.
Sebastian Freundin.
Jörg Signerski Genau, aber dieses Dieses Scheuß-Dilemma sorgt, solange du dich nicht für irgendetwas entschieden hast und sei es, du entscheidest dich bewusst für nichts. Das kannst du ja auch tun. Solange du aber da in dem Entscheidungsprozess da bist, kann es für dich sehr quälend sein.
Sebastian Gut, jetzt stelle ich fest, ich habe eine Entscheidung getroffen, sie ist offenbar falsch. Das ist ja auch in der Kommunikation gegenüber dem Partner, der Partnerin dann wirklich schwierig zu sagen, ja, wir haben da zwar eine Absprache, aber hilft nichts, geht nicht. Ich, inwieweit wird denn auch das jetzt auch hier in der therapeutischen Praxis das Gegenüber, der Partner einbezogen und wie weit wird auf den eingewirkt? Man könnte ja Kompromiss finden, lass dich doch mal hauen, mal um es ganz flapsig zu sagen, das kann ich mir ja nicht vorstellen, dass man so einen Rat geben würde, aber wie weit ist diese Kompromissfähigkeit generell da? Das sind so richtig verbohrte Menschen, die sagen, geht gar nichts, kein Millimeter, das kann ich mir nicht vorstellen, weil man Man liebt ja sein Gegenüber irgendwie auch und ist kompromisssuchend.
Jörg Signerski Also wenn Paare zu uns kommen, haben die schon alle Kompromisse durch. Die kommen damit, das Problem ist nicht lösbar. Wir haben alles versucht, wir stehen vor einer Schwierigkeit. Und dann geht es darum, wir arbeiten mit dem Paar zusammen und wir können, A, geben wir keine Ratschläge. Ratschläge in der Psychotherapie sind Schläge, die gehören da nicht hin. Und wir verändern keine Menschen, sondern das Paar, die Einzelperson kommt mit einem Ziel, mit einem Auftrag zu uns. Wir machen die Auftragklärung, die Zielklärung. Und das Ziel müssen wir gucken, ist das machbar? Ich nenne dir ein Beispiel. Ich hatte eine Patientin, die sagte, ich möchte mich nicht mehr selbst befriedigen aus religiösen Gründen. Dann kriege ich nicht hin, therapeutisch. Es gibt Dinge, die ich einfach nicht verändern kann. Da sind wir ja zum Beispiel bei der Konversionstherapie bei Homosexualität. Wir können die sexuelle Identität vielleicht in einem gewissen Grad formen, aber nicht grundsätzlich verändern.
Sebastian Ist BDSM denn eine sexuelle Identität?
Jörg Signerski Ja, es ist eine sexuelle Identität.
Sebastian Okay, das ist immer noch so ein Streitthema so ein bisschen. Ist es eine Neigung oder eine Präferenz oder ist es eine Identität?
Jörg Signerski Na die Frage, was ist eine Identität? Die Identität besteht aus vielen Ebenen, auch aus vielen Ebenen des sexuellen Spiels und da gehört BDSM mit zur Identität.
Sebastian Okay, aber weil ja alles so fließend ist von der Intensität her.
Jörg Signerski Kann sich da eine Identität ändern.
Sebastian Ja vor allem, ich muss es entscheiden.
Jörg Signerski Genau, das ist so.
Sebastian Wenn ich sage, ich fühle mich dem Spektrum zugehörig, dann ist es so.
Jörg Signerski So ist es.
Sebastian Okay.
Jörg Signerski Du entscheidest dich.
Sebastian Jetzt gibt es ja nicht nur den Partner, die Partnerin, jetzt gibt es noch die Familie. Die Familie sagt, das ist doch krank. Man outet sich, man hat ja den Wunsch, sich zu outen, weil es ist ja dann Identität. Und dann möchte man ja auch von seinen Lieben, auch von der Familie so wahrgenommen werden. Genauso, wenn man schwul ist, möchte man sich ja auch möglichst outen zu Hause. So wie das als BDSM-er. Die Familie sagt, das ist doch krank. Gibt es eine Strategie, wie ich dem begegnen kann? Außer es zu ignorieren.
Jörg Signerski Die erste Frage, die sich immer stellt, muss ich mich outen?
Sebastian Ja.
Jörg Signerski Ja, die Frage ist wirklich, ich sehe das so klar nicht, dass ich ein Ja sage, weil jeden Schritt, den ich tue, hat Vor- und Nachteile. Ich muss mich auch beim Outing bewusst sein, dass ich Nachteile in Kauf nehme.
Sebastian Ja, die Welt wäre schöner, wenn das nicht so wäre, aber es ist halt so.
Jörg Signerski Und wenn mir jetzt meine Familie wichtig ist und ich weiß, Oma Erna und Tante Gisela geht gar nicht, die haben aber in der Familie die Hosen an. Und wenn die das sagen, dann werde ich auf den Geburtstag nicht mehr eingeladen und sehe dann keinen mehr, bin dann Außenseiter. Dann muss ich mich überlegen, gehe ich diesen Schritt? Es kann für mich soziale Konsequenzen haben. Erst einmal, ich finde es immer wichtig, dass man sich bewusst ist, was man tut. Ich finde, dass da, sage ich ja, Ratschläge sind Schläge in der Therapie. Das heißt, man muss individuell gucken, wo was möchte. Ich? Und wenn ich etwas will, welche Konsequenzen hat das für mich?
Stefanie Verfürth Wenn ich dich ergänzen darf, also es ist ja im Endeffekt eine Kosten-Nutzen-Abwägung, die man macht. Das heißt, welchen Vorteil habe ich davon, meiner Familie zu erzählen und was bin ich bereit dafür in Kauf zu nehmen? Wenn es um eine Homosexualität geht und ich möchte offen mit meinem Partner oder meiner Partnerin dann auch diese Sexualität leben, Eben werden das ja die Familienangehörigen mitkriegen, wenn ich da zusammenlebe und meinen Partner oder Partnerin mitnehme, auf Familienfeiern und so weiter. Da geht es wahrscheinlich nicht ohne ein Outing. Aber was das BDMSM angeht, ist es ja nichts, was andere Leute aus der Familie zwingend mitkriegen würden im Alltag. Sexualität ist ja in der Regel etwas, was ihr ohne die Familie macht. Und da ist es ja so, das Beispiel, was Jörg gerade genannt hat, was habe ich davon, das allen irgendwie auf die Nase zu binden, wenn ich mir so Probleme einhandele und schon davon ausgehen kann, dass es nur Theater gibt.
Sebastian Es ist die grundsätzliche Überlegung, warum will ich mich outen, damit ich nicht aufpassen muss, was ich sage. Also es gibt ja auch passenden Schmuck, den Ring der O, oh, ein Halsreif ist ein sehr schönes Symbol, den kann man rund um die Uhr tragen und das fühlt sich dann doch falsch an, wenn man ihn auf der Arbeit trägt, weil es ist ja erstmal eine sehr stabile Halskette und die sagt erstmal nix. Vielleicht reden Leute was, aber trotzdem ist es erstmal so. Aber zu Hause muss man das Ding dann abnehmen, weil da weiß vielleicht jemand, würde jetzt jemand deuten können und dann wäre das schlimm. Also da fühlt man sich ja massiv in seiner Freiheit eingeschränkt und verdammt nochmal, warum kann man nicht einfach den Anspruch haben, ich oute mich und dann hat das akzeptiert zu werden. Kann ich das von Menschen erwarten von meinem Umfeld? Was muss ich denen zumuten?
Jörg Signerski Du kannst erwarten, dass sie es tun, aber die Frage machen sie es. Also du musst ja mit der Konsequenz leben. Und ganz ehrlich, einen Ring der O erkennt Tante Erna nicht. Also da muss man sich überlegen, kann ich das Risiko nicht trotzdem eingehen? Wenn du dich aber outen willst, du sagst, ja, das ist für dich wichtig, du hast dich dafür entschieden, das ist für dich der richtige Weg, dann ist das so. Ich bin jetzt nicht gegen Outing, sondern ich sage, entscheidet euch bewusst. Macht jeden Schritt, den ihr tut, mit einer Idee, was für Konsequenzen das hat. Ich bin für Outing, ich bin dafür, dass man es offen lebt. Ich bin dafür, dass man es sagt. Aber es gibt gesellschaftliche Vorbehalte. Und gerade Sexualität ist massiv stigmatisierend. Wenn ihr es wollt, euch zu outen, dann ist es wichtig, es so anzusprechen, dass das Gegenüber es versteht. Da werden Fragen aufkommen. Da muss man sich auf diese Fragen vorbereiten. Und dann kann man genau das machen, was du in deinem Podcast machst, was wir hier gerade machen. Sachen aufklären. Wie ist denn das überhaupt? Was sagen denn die Studien? Zwischen 40 und 75 Prozent haben das als sexuelle Fantasien. Das wird vielleicht Tante Erna oder unsere Oma auch so gehabt haben. Das wissen wir nicht. Und ich habe im Outing-Prozess, bei mir im beruflichen Alltag geht es meistens um das Outing von Geschlechtlichkeit bei Transpersonen. Da habe ich Dinge erlebt von einer Transperson, die hat in einem handwerklichen Betrieb gearbeitet. Alle sau, konservativ, schienen so, typische Männersprüche wurden da abgelassen, schwulen und sowas, feindliche Sprüche. Diese Person ist unwahrscheinlich sozusagen wertschätzend dann von den KollegInnen aufgenommen worden. Es ist genau das Gegenteil passiert. Ein anderes Beispiel ist eine Person, die wirklich im öffentlichen Dienst gearbeitet hat, wo man denkt, da gibt es alles, da gibt es Gleichstellungsbeauftragte und so weiter, massiv gemobbt worden. Das heißt, man weiß nicht, was passiert, man muss sich vorher Gedanken darüber machen, auf welche Konsequenzen kann man, mit welchen Konsequenzen muss man umgehen und wie begegnet man den Fragen, die dann kommen, weil das Gegenüber versteht das ja nicht. Da muss man das mitnehmen und sagen, das und das ist es, darum geht es mir. Also wirklich und dann auch nicht sich angegriffen fühlen, sondern dann auf die Nachfragen erst einmal ganz sachlich, ganz nüchtern reagieren. Man wird das Gegenüber, wenn es stark konservativ eingestellt ist oder kallstark, wie kann man das sagen, moralisierend eingestellt ist, konservativ ist da vielleicht sogar das, das ist das falsche Wort, dann wird man diese Person wahrscheinlich nicht überzeugen können.
Sebastian Da ist der Begriff überzeugen. Was geht denn in einer Person vor, also vor der ich, ich oute mich vor jemandem. Was denkt dieser Mensch? Was stellt er sich vor? Weil ganz ehrlich, vor mir hat sich noch nie jemand geoutet mit etwas, was ich schwer zu verdauen hätte. Also vielleicht, dass man mal so einen Überblick bekommt. Also ja, was passiert im Kopf? Um Gottes Willen, den fand ich ja eigentlich ganz nett. Der sah doch ganz vernünftig aus. Und jetzt sowas. Also sind diese Gedanken echt oder stelle ich mir das nur so vor?
Jörg Signerski Die Gedanken sind schon echt. Die Frage ist ja das Gegenüber. Welche sexuellen Mythen hat das Gegenüber? Und die sexuellen Mythen werden ja vom Gegenüber nicht als, das ist ein Mythos gesehen, sondern als, das ist die Wahrheit.
Stefanie Verfürth Das heißt, der Mensch hat ein Klischee im Kopf und dementsprechend auch eine Bewertung von, was das für ihn bedeutet. Und da ist es eben abhängig davon, was hat diese Person für ein Klischee im Kopf.
Sebastian Ist es denn realistisch zu denken, ich kann jemanden überzeugen?
Stefanie Verfürth Das hängt ja davon ab, wie offen diese andere Person auch ist. Also auch da ist es ja sehr unterschiedlich. Jörg hat ja jetzt eben hier Oma Erna und Tante Gisela genommen, weil als Beispiele, es hört sich ja schon auch an nach einer gewissen Generation und die sind nicht offen und so weiter. Ja, aber vielleicht ist Oma Erna ja auch eine total lockere und offene Oma, die das alles total undramatisch findet und sagt, Mensch gut, ist doch prima und hier hast du noch einen Holzlöffel. Deswegen auch da ist es ja sehr individuell unterschiedlich. Und auch ob du jetzt mit deinem Halsband oder was auch immer erkannt wirst oder nicht, hängt ja auch davon ab, wie weit hat sich diese Person selbst schon informiert oder interessiert sich für solche Richtungen. Und dementsprechend kann das ja auch manchmal total überraschend sein, dass jemand da ganz gut drauf reagiert. Oder aber, wie gesagt, man hat die beklopptesten Ideen dazu im Kopf und sagt, meine Güte, jetzt ist er ganz durchgedreht. Ich hab's, ja, das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Das kann nicht mein Sohn sein oder so, ne?
Jörg Signerski Und ich muss mal Oma Erna in Schutz nehmen, weil das Spannende ist, wenn man sich anguckt, wie sind denn... Wie es Offenheit verteilt bezüglich des Alters, findet man bei den Alten teilweise offenere Menschen als im Jugendbereich. Das kann passieren, wenn man sich die Alt-68er anguckt und das ist jetzt unsere Oma Erna, dass die das sagt. Das habe ich damals in der WG auch gemacht. Also man muss sich auch dort nicht von den eigenen Klischees und Vorstellungen leiten lassen. Da kann man ganz schöne Überraschungen erleben.
Sebastian Das ist im Grunde wie Würfeln und wie weit habe ich Hinweise gesammelt, wie diese Person grundsätzlich drauf ist. Ich hätte jetzt sanfte Hinweise gemacht. Also man schenkt der Oma zum runden Geburtstag halt mal die Shades of Grey DVD und guckt mal, ob sie empört ist. Man kann ja auch anonym sowas verschenken oder ob sie sich total freut und ob sie einen Wochen lang danach in den Ohren liegt, was sie da für einen tollen Film gesehen hat. Also ich finde, man kann ja ein bisschen strategisch rangehen.
Jörg Signerski Das kann man tun. Man weiß nicht, was dann passiert.
Stefanie Verfürth Oder man kriegt es ja manchmal auch mit, allein durch Diskussionen oder Dinge, die in der Presse auftauchen, dass man einfach mal sich unterhält und da sieht man ja auch schon, wie ist jemand zu einem bestimmten Thema eingestellt.
Jörg Signerski Achtung, nochmal zum Beispiel von eben. Von meiner Transperson, die sich geoutet hat in einem handwerklichen Betrieb. Die hat also auch versucht, vorsichtig zu machen. Was kam? Homosexuell feindliche Sprüche. Als sie sich geoutet hat, waren die alle weg. Das heißt, da kann man sich auch mit auf die Nase legen, wenn man da mal so beranntatscht. Frage ist, wo tatscht man da gerade dran?
Stefanie Verfürth Umgekehrt kann es genauso gut sein, dass die Eltern mega liberal sind und überhaupt kein Problem damit haben. Aber wenn das plötzlich das eigene Kind betrifft.
Sebastian Das geht mal gar nicht.
Stefanie Verfürth Voll nicht. Dann ist aber Holland in Not.
Sebastian Was darf ich denn als BDSM-er oder als sexuell aktiver Mensch, was darf ich denn meinem Umfeld zutrauen? Also womit müssen die klarkommen? Gibt es da so einen moralischen Leitfaden? Okay, ich sehe schon das Kopfschütteln. Nicht wirklich.
Stefanie Verfürth Ich befürchte, das ist tatsächlich immer im Auge des Betrachters und nichts, wo man sagen kann, das muss doch wohl möglich sein. Wir würden es uns alle wünschen, sagen wir mal so.
Sebastian Das sind zwei Fragen im Prinzip. Also was kann ich meinem Umfeld zumuten? Das alleine sagt noch nicht viel, aber ich sehe andere Menschen, die BDSM machen. Ich sehe, die machen was. Und jetzt ist so eine Grenze erreicht, wo ich der Meinung bin, ich müsste einschreiten. Und BDSM hat ja nun mal leider Gottes diese Eigenschaft, dass es manchmal sehr martialisch und schlimm und nicht konsensual aussieht und dass ein Eingriff von außen und sei es nur ein, ist alles okay bei euch, eventuell schon situationsstörend wirkt. Wie kann ich mich als... Dritter Verhalten oder was muss ich aushalten, wenn ich in so einer Community unterwegs bin?
Jörg Signerski Was würdest du dir denn wünschen?
Sebastian Ja, okay, dann will ich mal meine eigene Doppelmoral hier formulieren. Sofern ich der Meinung bin, dass ich fit und mit meinem Sinn beisammen bin in einer Situation, möchte ich natürlich, dass niemand sich einmischt. Dann möchte ich das tun, was ich tue und das genießen und wenn da noch Leute drumrum sind, dann können die zwar existieren, aber Aber das ist unsere Bubble dann. So, dummerweise muss ich dann allerdings auch immer im Hinterkopf behalten, ich muss den Außenstehenden die Chance geben, das zu bewerten, damit sie mir eben nicht plötzlich die Hand halten und sagen, hör mal auf mit dem Quatsch. Und das finde ich sehr schwierig, auf der einen Seite. Auf der anderen Seite war ich aber auch schon in einer Situation, wo jemand in Not war, will ich jetzt nicht sagen, aber wo ein Eingreifen einfach erforderlich und angemessen war. Und ich habe mich in dem Moment aber erwischt, dass ich mehrere Minuten überlegt habe und immer rüber geschielt habe, Ist das da hinten noch okay? Ist es nicht okay? Ist es okay? Ist es nicht okay? Bis ich dann irgendwann entschieden habe, okay, scheiß drauf, ich gehe da jetzt hin. Und ich finde das, das ist gerade auf Spielpartys sehr schwierig, da diese Missverständnisse oder auch diesen gegenseitigen Schutz, man will sich ja nur helfen und beschützen gegenseitig, wie man das hinbekommt. Boah, das ist ein Riesenfeld. Gibt es da irgendwas, was ich bedenken kann? Wie ich mich und andere schützen kann?
Jörg Signerski Du hast das doch super gelöst. Also was hast du denn gemacht? Du bist hingegangen und hast eine Situation beobachtet, bewertet, analysiert und dann für dich die Entscheidung getroffen, einzugreifen.
Sebastian War zufällig richtig.
Jörg Signerski Ja, aber du hast keinen Aktionismus gezeigt. Du hast weder Aktionismus gezeigt noch weggeschaut, sondern du hast versucht, mit deinem klaren Menschenverstand eine Analyse hinzukriegen und hast dich dann dafür entschieden. Das ist doch das Einzige, was wir machen können. Weder der Aktionismus ist schlecht, scheiße, da gehe ich hin, zack, ja, noch ich schaue weg, sondern natürlich braucht man dann zwei, drei Minuten, vielleicht auch vier, fünf und überlegt, welchen Weg gehe ich, was könnte der richtige sein und du entscheidest dich bewusst.
Sebastian Ja, okay, das ist jetzt meine Lösung. Wie gesagt, die hat ein bisschen mit Glück zu tun. Ich hatte es selber schon, man wird angesprochen, das ist okay, man merkt, das hat einem gerade die Session versaut. Das gibt es. Scheint ein Teil der Risikoabwägung einfach zu sein. Dann muss ich halt ein bisschen schöner, netter sein, dann kommt keiner. Das spielt so ein bisschen der Gedanke mit dahinter, es kann ja auch gerade dabei passieren, dass vor Augen von Menschen ja Missbrauch betrieben wird und keiner greift ein, weil das ja in diesem, wir lassen die mal spielen, solange da hinten kein Safe Word zu hören ist, ist ja alles per Definition okay. Das scheint ein moralischer Ballast zu sein, den manche Menschen mit sich rumtragen müssen. Kann man die davon befreien?
Jörg Signerski Ich komme nochmal zu deinem Beispiel. Du hast ja wirklich bewusst die Entscheidung getroffen. Und was du nicht kannst, ist, du kannst nicht in die Köpfe der anderen reinschauen. Das können, das kann keiner, auch ein Psychotherapeut oder eine Psychotherapeutin nicht. Auch wenn man uns das manchmal sozusagen zuschreibt, genau, das können wir nicht. Das heißt, du kannst nur von außen beobachten und du weißt eigentlich nicht, was da passiert. Das heißt, du kannst es mit einer großen Wahrscheinlichkeit richtig und mit einer großen Wahrscheinlichkeit falsch machen. Und dann musst du wirklich, du entscheidest, Risikonutzenabwägung. Ist es eine Sache, wo Hilfe benötigt wird, dann denkst du darüber nach, kommst zum Schluss, dann schreitest du ein, sagst du, sieht safe safe aus, ist okay, dann nicht.
Stefanie Verfürth Und es ist ja auch die Frage, kannst du für dich persönlich moralisch besser in Kauf nehmen, dass du denen jetzt die Session versaut hast oder dass da möglicherweise doch jemand missbraucht worden ist?
Sebastian Ich lenke mal ein bisschen ab, denn ich habe das Gefühl, ich müsste auf der Couch Platz nehmen und es mir gemütlich machen gerade.
Jörg Signerski Wir haben die Rollen umgeklebt.
Sebastian Ja, ein kleines bisschen, aber das ist ja nicht schlimm. Aber ich glaube, es ist eher diese Angst davor, falsche Entscheidungen zu treffen, Fehler zu machen oder in diese Rituale einzugreifen. Und das kann man natürlich nur mit, ich sag mal, Wissen. Hallo, du hast schon zehn Partys besucht, du weißt etwa wie es läuft, dann merkst du auch, wenn es komisch ist. Damit kann man das so ein bisschen hinkriegen. Aber es scheint so einen Drang zu geben, sich einzufügen in diese Szene. Man ist doch eigentlich so anders, aber in dieser Community möchte man dann doch zur Gruppe gehören. Das finde ich sehr spannend.
Stefanie Verfürth Ja, naja, das ist ja auch etwas, was menschlich ist. Also wir haben ja, sagen wir mal von Natur aus eben auch dieses Bedürfnis, uns einer jeweiligen Gruppe anzupassen, so sehr wir auch im Endeffekt alle irgendwo mit unserer Individualität so sein dürfen können. Wollen. Ist es aber im Endeffekt auch da jetzt wieder evolutionär gesehen so, dass es durchaus funktional ist, so sein zu wollen wie die anderen. Weil dahinter steckt ja der Gedanke, wir müssen uns ja sehen vor Jahrtausenden, wo die Menschheit noch in Höhlen lebte und so weiter. Da warst du auf die Gruppe angewiesen. Da war man alleine nicht überlebensfähig. Und das heißt, die größte Gefahr fürs Überleben war, dann aus der Gruppe ausgeschlossen zu werden. Das heißt, ich tue ja möglichst dann alles, um von der Gruppe auch akzeptiert zu werden, dazu zu gehören und dementsprechend habe ich natürlich auch so die Neigung, mich dann der Gruppe anzupassen und das mitzumachen, was in der Gruppe in Anführungsstrichen Norm ist.
Jörg Signerski Sollst du es deiner Psychotherapeutin erzählen, dass du BDSM lebst?
Sebastian Liebes Publikum, ich habe jetzt einfach Aufnahme gedrückt. Die Frage wurde gerade gestellt. Ich höre jetzt einfach weiter zu. Diskutiert das doch mal, bitte.
Jörg Signerski Achso, du hast die Frage schon gestellt. Wir waren schon sozusagen on air, heißt es glaube ich.
Sebastian Ich habe gerade einmal ganz kurz zwischendurch Aufnahme gedrückt. Soll man es sagen?
Stefanie Verfürth Naja, das hängt ja auch wieder davon ab, mit welchem Zweck eigentlich. Ob es jetzt für die Psychotherapie zuträglich ist, hängt wieder, finde ich, von der ganz individuellen Situation. Wenn es möglicherweise Sinn macht, dann kann ich es ja auch der Psychotherapeutin sagen.
Jörg Signerski Naja, ganz ehrlich, wenn ich als Psychotherapeutin eine Sexualanamnese mache, was ja eigentlich sinnvoll wäre, dann wird das ja Thema.
Stefanie Verfürth Ja, aber da haben wir ja wieder eine große Kluft zwischen dem, was sinnvoll wäre und dem, was real getan wird.
Jörg Signerski Sehe ich auch so. Aber stell dir mal vor, wir würden es oder alle würden dies tun. Und wir merken, oder genau wir als KlientInnen merken, unsere Psychotherapeutin kann damit überhaupt gar nicht wertfrei umgehen, dann würde das für mich heißen, okay, gut, dass es weiß, ich gehe zum nächsten.
Stefanie Verfürth Das ist wahr. Umgekehrt, wenn du schon seit so und so vielen Monaten in einer laufenden Therapie bist und eigentlich dir die Therapie auch hilft, aber plötzlich diese Information bei der Therapeutin so viel auslöst, dass du plötzlich eine ganz radikale Veränderung in der Patient-Therapeut-Beziehung hast, dann hast du auch ein Problem.
Jörg Signerski Natürlich.
Stefanie Verfürth Deswegen plädierst du dafür, das möglichst früh zu eruieren.
Jörg Signerski Genau, ich finde, das sollte man früh sagen. Ich finde, eine Sexualanamnese gehört zu einer guten psychiatrisch-psychotherapeutischen Anamnese dazu. Das heißt, ich würde KlientInnen empfehlen, das offen zu legen. Und wenn man in der Propatorik merkt, das sind sozusagen die ersten Testsitzungen, das Gegenüber reagiert da wirklich naserümpfend, ja dann muss ich zu einer anderen Therapeutin, weil es halt ein Teil der Identität ist.
Stefanie Verfürth Absolut.
Jörg Signerski Und ich negiere ja damit einen Teil der Identität und gerade die Psychotherapie ist ja etwas, wo ich wirklich offen sein möchte.
Stefanie Verfürth Gebe ich dir vollkommen recht, würde ich mir auch so wünschen, aber ich weiß ja, wie wenig im therapeutischen Alltag nach solchen Dingen gefragt wird und wie wenig da auch im Laufe noch der Probatorik an Antworten von PatientInnen kommt. Insofern ist da glaube ich wieder eine große Kluft zwischen dem, was schön wäre und dem, was real ist.
Jörg Signerski Die Frage, Steffi, die ich habe, ist, würdest du den ZuhörerInnen empfehlen, das direkt in der Probatorik von sich aus anzusprechen?
Stefanie Verfürth Wie gesagt, das würde ich sehr vom Einzelfall abhängig machen.
Jörg Signerski Okay, da sind wir ein bisschen divergenter Meinung. Ich würde sagen, ja, ich finde es gar nicht schlecht, das direkt, nicht in der ersten Sitzung, aber in der zweiten, dritten offen zu legen, anzudeuten und zu gucken, kann das Gegenüber damit arbeiten. Genauso sehe ich das für urologische und gynäkologische Termine.
Stefanie Verfürth Und das ist wahr. Aber da finde ich auch, ist es ja nochmal was, was viel mehr in den Bereich hingehört. Und da geht es ja auch, sagen wir mal, ich meine zum Gynäkologen gehe ich vielleicht dann ein oder zweimal im Jahr mal eben für zehn Minuten hin. Das ist ja was ganz anderes gewesen. Nochmal, aber gut, das ist jetzt wieder eine Ansichtssache, ob es mir leichter fällt, dann jemanden, den ich nur zweimal im Jahr sehe, sowas zu sagen oder meinem Therapeuten, mit dem ich vielleicht schon oder noch so und so viele Gespräche führen will, die auch so und so ausführlich sind. Ja, ich glaube, das kann jetzt eine Endlustdiskussion werden.
Jörg Signerski Ja, das kann es. Vielleicht noch etwas, was ich für die ZuhörerInnen wichtig fand, weil das war eine Frage, die im Raum stand, war, muss die GynäkologIn oder irgendein anderer Arzt melden, wenn Schäden zu sehen sind bezüglich BDSM? Und dann muss ich einfach sagen, nein, es gibt eine Schweigepflicht, da ist nichts zu melden und wenn da was gemeldet wird, ist es immer eine Schweigepflichtsverletzung und somit eine Straftat. Das finde ich nochmal ganz entscheidend, das ist klar und deutlich zu sagen.
Sebastian Ja, ihr habt das, aber ich hätte euch jetzt noch eine Stunde zuhören können. Es braucht mich heute ja eigentlich gar nicht. Ja, aber es ist ja, ich sehe das immer als auch so ein moralisches Ding. Ich habe meine Ärztin und dann, ganz ehrlich, der versucht zu sagen, oh nächste Woche habe ich einen Termin beim Arzt, dann machen wir mal nichts, dann ist es ja verboten. Damit macht es Spaß, dann ist es reizvoll. Und dann macht man ja erst recht irgendwas. Das kann man sich ja kaum verknäifen. Also von daher ist das nicht so einfach so zu planen und zu sagen, wenn ich zum Arzt gehe, dann habe ich halt keine Spuren zum Beispiel. Gibt es denn, macht BDSM süchtig?
Jörg Signerski Jein. Das ist eine schöne Frage. Macht Sex süchtig? Jein. Also es gibt Sexsucht. Die gibt es. Ähm, so wie alles andere aber auch süchtig machen kann. Essen kann süchtig machen, ich weiß nicht, Computerspielen kann süchtig machen, auch BDSM kann süchtig machen, aber die absolute Ausnahme und nicht die Regel.
Sebastian Wann ist es denn überhaupt eine Sucht? Also klar, wenn es pathologisch wird, man umfällt und so weiter und so fort, aber kann ich das für mich beurteilen, weil es tut es mir nicht mehr gut?
Jörg Signerski Und deine Sucht ist es dann, jetzt musst du mir helfen Steffi, nicht dass ich die Definition falsch hinkriege, wenn ich a etwas tue, was mir selber schadet und ich es weitermache oder ich dadurch soziale berufliche Konsequenzen habe oder aber es irgendwelche anderen Konsequenzen gibt, die ich so nicht einschätzen kann, ich von dem Verhalten aber trotz dieser Konsequenzen nicht lassen kann. Ich mache das mal an einem Beispiel deutlich, weil das Beispiel ist deutlicher als BDSM-Sucht. Ich kenne keinen BDSM-Süchtigen, ich kenne nur einen Sex-Süchtigen und die machen zum Teil BDSM, aber auch deutlich mehr. Die dann sozusagen nur noch im Büro sitzen, nur noch Pornos konsumieren, nicht mehr ihre Arbeit schaffen, irrsinnig viel Geld ausgeben. Man hatte schon PatientInnen, die sich wirklich massiv verschuldet haben, wo die Partnerschaft dann leidet. Das dann haben wir sozusagen ein sexsüchtiges Verhalten und da kann dann auch BDSM-Verhalten mit drunter sein. Nein, wir sagen aber da nicht BDSM-süchtig, sondern wir würden es dann diagnostizieren als Sexsucht. Kann man behandeln, sogar gut gut behandeln.
Sebastian Kann man, kann man das? Wie macht man das?
Jörg Signerski Es gibt sozusagen ein Verfahren, das heißt Dialektisch-Behaviorale-Therapie nach Linehan. Sagt jetzt wahrscheinlich kaum einer der Zuhörerinnen etwas. Und da gibt es so etwas sozusagen, wo man lernt, andere Dinge zu tun, anstelle seinem Impuls nachzugeben, um dieses dysfunktionale Verhalten zu machen. Das nächste, wenn es ganz, ganz, ganz, ganz schädlich ist, wo man sagt, da holt man sich zum Beispiel eine sexual übertragbare Erkrankung und so weiter, dann kann man einen Hormonblocker geben und die Sexualität flachlegen und dann sozusagen psychotherapeutisch einsteigen, bis das behandelt wurde und dann den Hormonblocker absetzen. Das habe ich aber in meinem beruflichen Leben bisher erst einmal gemacht, ist auch eine Rarität.
Sebastian Jetzt so als allerletzten Punkt hätte ich gerne nochmal eure Sicht zum Thema 24-7. Vielleicht erkläre ich es nochmal in einfachen Worten. Man verständigt sich in der Beziehung darauf, dass dieses Machtgefälle, dieses Machtgefüge, dass das jederzeit besteht oder bestehen kann, weil zum Beispiel allein die dominante Person sagt so, Schnipp, jetzt gilt das Regelwerk und alles. Das wird immer als extreme Praktik gesehen, weil man eben rund um die Uhr quasi spielt und das muss ja sehr anstrengend sein, aber die Frage ist dabei so ein bisschen, ist das nicht eh in jeder Beziehung so, dass man 24-7 miteinander umgeht und Bedürfnisse und diese ganze Pyramide da aufbaut? Ist 24-7 in der Stelle überhaupt irgendetwas Extremes und etwas, worüber man nachdenken muss? Oder muss man BDSM-Sessions verpacken? Das ist vielleicht die viel einfachere Frage. Ist das sinnvoll? Braucht man das?
Jörg Signerski Weshalb brauchst du unsere Antwort?
Sebastian Ja, ich weiß schon. Ich habe schon eine Meinung. Das ist das Schlimme dabei. Liebes Publikum, hier versage ich kläglich mit dem Anspruch an Neutralität und Wissbegier. Ich habe einfach zuvor gefertigte Meinung. Verdammt. Dann könnt ihr das ja diagnostizieren, wie ich das sehe.
Jörg Signerski Ich finde, du hast eine schöne Antwort gegeben. Also jetzt muss ich noch ausführen, weil wir sind jetzt nochmal auf einer anderen Ebene. Wir sind auf einer Beziehungsebene. Und auch auf einer Beziehungsebene gibt es ganz, ganz, ganz viele verschiedene Arten, Spielarten, wie ich Beziehungen gestalte. Da kann auch 24-7 eine durchaus praktikable Beziehungsgestaltung sein. Und auch nicht pathologisch, sondern auch durchaus, normal finde ich immer so schwierig, also durchaus nicht irgendwie behandlungsbedürftig. Ja, es gibt, also auch das ist so vielfältig und so vielfältig normal, dass wir damit einen eigenen Podcast basteln könnten über Beziehungen. Das ist spannend, was dann auch von der Dynamik zwischen dem Paar passiert, nach außen passiert.
Sebastian Ich komme gerne wieder. Darf ich mal versuchen, was zusammenzufassen? Sehr gerne, wir sind gespannt. Solange es sich nicht nach einem wirklichen Problem anfühlt, ist es wahrscheinlich auch keins. Wenn ich kommunizieren kann, dann bitte mich einmal verbessern. Aber es scheint so zu sein, dass... Naja.
Jörg Signerski Wenn es sich für dich nicht für ein Problem anfühlt, kann es trotzdem für andere ein Problem sein. Also wenn wir sagen, was ist noch was ist nicht krankhaft, was ist nicht behandlungsbedürftig, A, dein, wenn du keinen Leidensdruck hast, aber wenn du auch kein Leiden bei anderen auslöst. Du musst den anderen ja immer mitdenken. Das heißt, auch wenn es für dich okay wäre.
Sebastian Ja, und eventuell habe ich ja das Problem, dass dass ich für die anderen nicht mitdenken kann, dass ich das nicht sehe.
Jörg Signerski Genau, dann kann es schwierig werden. Wenn du jetzt narzisstisch wärst und sagst, steht egal.
Sebastian Okay, also noch ein Versuch. Also wenn ich sage, WDSM gefällt mir, macht mir Spaß und Menschen um mich herum mir das auch zurückspiegeln, dann brauche ich euch nicht zu besuchen.
Stefanie Verfürth Richtig.
Sebastian Weil ich kein Bedürfnis habe oder keine Notwendigkeit dann sehe oder sehen muss, da irgendetwas zu behandeln.
Jörg Signerski Ja.
Stefanie Verfürth Genau.
Sebastian Ja, sehr schön. Also dann fühle ich mich jetzt hier als Gehalt entlassen. Nein, gibt es noch was, wo ihr beiden sagt, das ist euch wichtig, das möchtet ihr noch, das möchtet ihr auf jeden Fall noch unterbringen oder das möchtet ihr dem Publikum mitgeben?
Jörg Signerski Wir haben jetzt drei Stunden geredet.
Stefanie Verfürth Ich wollte gerade sagen.
Jörg Signerski Also vielleicht so viel. Liebes Publikum, wir haben drei Stunden geredet. Nicht jeder Satz, den wir sagen, ist druckreif. Es werden mit Sicherheit Formulierungen da sein, wo man sagt, das kann man anders formulieren, dann wäre es besser. Es tut uns leid, aber so ist es halt bei einem Podcast. Wir präsentieren hier oder erzeugen hier kein druckreifes Werk. Da werden auch Fehler drin sein, wo man sagt, das ist mit Sicherheit anders formuliert oder ergänzend formuliert mit Sicherheit noch besser.
Sebastian Also ganz ehrlich, ich finde, ihr habt das jetzt wundervoll gemacht und das Stigmata, was ich ja aus den Publikumsfragen so ein bisschen rauslese, immer diese Frage, bin ich normal, bin ich tragbar, ist das, was ich tue, schädlich für mich und andere? Im Grunde habt ihr ja eigentlich die ganze Zeit nur gesagt, im Extremfall ja, ansonsten ist alles entspannt. Genau.
Stefanie Verfürth Wie gesagt, solange niemand einen Nachteil dadurch hat und alle halbwegs ihr Leben auf die Kette kriegen, ist eigentlich alles super.
Jörg Signerski Also keinen anderen schädigen, sich nicht selber schädigen.
Sebastian Das könnte so einfach sein. Genau.
Stefanie Verfürth Also deswegen fühlt euch frei.
Sebastian Ich fühle mich gerade super entspannt und bestätigt in dem, wie ich mich identifiziere. Ich hoffe, dem Publikum geht es genauso. Also dass man einfach selbstbewusst sagen kann, okay, ich muss zwar selber denken und entscheiden und fühlen und Feedback kriegen. Aber wenn ich das alles so ein bisschen im Griff habe, dann kann ich total entspannt sein und muss auch nicht Angst haben, dass ich irgendwie etwas Diagnostizierbares tue.
Jörg Signerski Genau, das ECD11 hat es ja Gott sei Dank rausgenommen.
Sebastian Gut, dann hoffen wir, dass sich das auch so verbreitet und umgesetzt und abgerechnet wird. Okay, Jörg, Steffi, ich kann nur sagen, vielen, vielen, vielen lieben Dank für eure Zeit und mehr kann ich heute gar nicht mehr sagen, ich bin jetzt auch platt.
Jörg Signerski Wir auch.
Stefanie Verfürth Ja, danke für deinen Besuch.
Jörg Signerski Danke schön.
Sebastian Sehr gerne, macht's gut, tschüss.
Jörg Signerski Tschüss.